Prozess um gestreckte ArzneienFrüherer Kumpel belastet Apotheker

Im Prozess gegen einen Bottroper Apotheker, der seinen Kunden gestreckte Krebsmittel verkauft haben soll, sagt der wichtigste Zeuge der Anklage aus - und belastet seinen einstigen Freund erneut. Der Apotheker selbst schweigt indes weiter zu den Vorwürfen.
Sie kennen sich seit Kindertagen, luden sich gegenseitig zu Familienfeiern ein. Doch seit der ehemalige kaufmännische Leiter einer Bottroper Apotheke seinen Chef, den Apotheker, im September 2016 angezeigt hat, ist die Freundschaft Geschichte. Im Prozess um gestreckte Krebsmedikamente sahen sich die beiden Männer jetzt erstmals seit über einem Jahr wieder - der einstige Insider und jetzige Hinweisgeber als einer der wichtigsten Zeugen, der Apotheker als Angeklagter.
Es war der 15. Verhandlungstag, als die Richter den wichtigen Zeugen in den Zeugenstand riefen. Was folgte, war eine nüchterne aber schonungslose Abrechnung. Der heute 46-Jährige hatte 2012 in der Apotheke des Angeklagten angefangen - erst als Sachbearbeiter für Personalangelegenheiten, dann stieg er zum kaufmännischen Leiter auf. Dass bei der Herstellung von individuellen Krebsmedikamenten möglicherweise etwas nicht stimmte, sei ihm spätestens im Sommer 2016 klar geworden.
Nach Hinweisen von Mitarbeitern habe er die Einkaufs- und Produktionslisten der Bottroper Apotheke nach ausgewählten Wirkstoffen durchforstet. "Dabei hat es erhebliche Diskrepanzen gegeben, die nicht mehr erklärbar waren", sagte der Mann den Richtern. Er habe das erst gar nicht glauben können und deshalb auch einen Anwalt kontaktiert. "Ich wollte das bewerten lassen, um sicher zu gehen, dass ich keine Halluzinationen habe." Außerdem war ihm aufgefallen, dass der Angeklagte gegen Hygienevorschriften verstieß, weil er in Straßenkleidung ins Labor gegangen sei.
Zeuge hat seinen Job verloren
Am 29. November 2016 wurde der Apotheker festgenommen. Der Zeuge hat für seine Enthüllungen Ende 2017 den Deutschen Whistleblower-Preis erhalten. Seinen Job hat er nach der Festnahme des Angeklagten allerdings sofort verloren. Der Angeklagte hat sich im Prozess noch nicht zu den Vorwürfen geäußert. Noch nicht einmal zu seinem Lebenslauf. Und so soll es auch bleiben. Das haben seine Verteidiger dem Gericht in dieser Woche noch einmal bestätigt.
45 Krebsbetroffene haben sich dem Strafverfahren inzwischen als Nebenkläger angeschlossen. Eine Frau war während des Verfahrens gestorben. Ihr Platz wurde von ihrem Ehemann übernommen. Elf Zeugen und drei Sachverständige sind bereits vernommen worden, weitere werden folgen. Die Richter haben bis jetzt 26 Verhandlungstage vorgesehen - bis zum 13. März. Ob auch die Nebenkläger als Zeugen vernommen werden, ist unklar.
Dem Bottroper Apotheker wird vorgeworfen, systematisch Krebsmedikamente gestreckt, anschließend aber voll abgerechnet zu haben. Dadurch soll allein den gesetzlichen Krankenkassen ein Schaden von rund 56 Millionen Euro entstanden sein. Der Angeklagte sitzt sich seit seiner Festnahme in Untersuchungshaft.