Sexualmord an Chinesin in Dessau Gericht muss in brutalem Fall urteilen
04.08.2017, 07:10 Uhr
Das angeklagte Paar ist inzwischen getrennt.
(Foto: dpa)
Es hätte wohl jede Frau treffen können. Yangjie Li war ein Zufallsopfer. Nun fallen die Urteile gegen ein Paar, das die junge chinesische Studentin im Mai 2016 misshandelte und vergewaltigte, bis sie starb.
Yangjie Li kam nach Dessau, um Architektur zu studieren. Von großen "Zielen und Träumen", mit denen die junge Chinesin nach Europa kam, spricht Anwalt Sven Peitzner, der die Eltern der Getöteten als Nebenkläger vertritt, in seinem Schlussplädoyer. Nichts davon erfüllte sich, weil die 25-Jährige im Mai 2016 bei ihrer Joggingrunde auf Sebastian F. und seine Freundin Xenia I. traf.
Im Prozess gegen das inzwischen getrennte Paar wurden Bilder einer Überwachungskamera gezeigt, auf denen Xenia I. am 11. Mai gegen 21.30 Uhr vor dem Haus der Tatwohnung Yangjie Li anspricht und nach oben zeigt. Die Staatsanwaltschaft ist sicher, dass das der Moment ist, in dem die Chinesin in eine Falle gelockt wurde. Die 25-Jährige folgt Xenia I. ins Haus, wird dort über eine Stunde brutal misshandelt und vergewaltigt. Bilder der gleichen Kamera zeigen Stunden später, wie Sebastian F. mitten in der Nacht um das Haus herumgeht, wahrscheinlich um das Opfer dort zu verstecken, wo es später gefunden wird, unter einer Konifere.
Die Rechtsmedizinerin stellt später bei der Obduktion eine Vielzahl von Verletzungen infolge stumpfer Gewalt am ganzen Körper fest. Wahrscheinlich wurden die Unterblutungen, Quetschungen, Schürfwunden und Schwellungen sowie Rippenbrüche durch heftige Tritte und Schläge verursacht. YangJie Li starb schließlich an Herzversagen.
Gefühlskalt und gestört
In der Anklage wird F. und I. Vergewaltigung und gemeinschaftlicher Mord vorgeworfen. F. verfolgte den ganzen Prozess schweigend. Der psychiatrische Gutachter beschrieb ihn als "außergewöhnlich empathielosen Menschen", der äußerst gefühlskalt sei. "Schuldgefühle, Scham und Reue waren nicht zu erfassen", so Bernd Langer in seinem Gutachten. Hinzu kämen Hang zum Sadismus und Streben nach Dominanz. Der Angeklagte habe eine Persönlichkeitsstörung: Seine Wahrnehmung, sein Denken und Fühlen wichen von dem anderer Menschen ab. Auch die Sexualität des Angeklagten sei gestört.
Offenbar wurde F. als Kind sexuell missbraucht und sowohl von seinem Vater als auch von einem späteren Partner seiner Mutter geschlagen. Schon als Kind war er aggressiv und verhaltensauffällig, wurde bereits mehrfach psychiatrisch behandelt. Dass das, was er der chinesischen Studentin antat, Unrecht war, wusste er trotzdem. Anders als bei seiner Ex-Freundin wurde in einem Gutachten die Verurteilung nach Erwachsenenstrafrecht empfohlen.
Sex mit Gewalt gepaart
Sowohl Sebastian F. als auch Xenia I. waren zum Tatzeitpunkt 20 Jahre alt. Doch bei I. handelt es sich Gutachter Langer zufolge um eine traumatisierte junge Frau, die von der eigenen Minderwertigkeit und Schwäche überzeugt ist. Eine "selbstunsicher-vermeidende Persönlichkeitsstörung" paare sich mit verminderter Intelligenz und einer Reifeverzögerung.
"Sie hat die extrem ausgeprägte Fähigkeit, unangenehme Aspekte der Realität komplett auszublenden und verhindert so die Bewältigung von Konflikten", so Langer. Das ermöglichte ihr wohl auch die von Abhängigkeit und Gewalt geprägte Beziehung zu F. Xenia I. hatte im Prozess von der "gewaltbelasteten Beziehung" zu F. berichtet, in der auch Sex immer wieder erzwungen wurde. Ihr Partner habe auch die Idee gehabt, eine Frau mit dem Ziel von gemeinsamem Sex anzusprechen. Die Chinesin sei dann am 11. Mai zufällig Opfer geworden. Die Brutalität sei von ihrem Ex-Partner ausgegangen, sie habe ihn nicht stoppen können.
Demnach fürchtete sich die zweifache Mutter vor F., war aber gleichzeitig nicht in der Lage, sich von ihm zu trennen. I. wurde als Kind von ihrem Stiefvater sexuell missbraucht und hat bis heute ein komplett negatives Selbstbild. Die Gutachter empfahlen aber in ihrem Fall eine Verurteilung nach Jugendstrafrecht und attestierten ihr "Nachreifungspotenziale". Am Ende fordert die Staatsanwaltschaft Lebenslang für Sebastian F. und acht Jahre Jugendstrafe für Xenia I.
Die Verteidiger der beiden machten in ihren Plädoyers deutlich, dass sie lediglich eine schwere Vergewaltigung mit Todesfolge als erwiesen ansähen. Zehn Jahre Jugendstrafe für F. und drei für I. seien dafür angemessen.
Für die Eltern von Yangjie Li war der Prozess Tortur und Sieg gleichermaßen. Sie hatten gefürchtet, F. und I. könnten "davonkommen". Der Anwalt der Eltern sagt dennoch deutlich: "Die Familie von Yangjie Li ist zerstört." Die Tochter, die am 9. September 27 Jahre alt geworden wäre, sei in einer Urne in die Heimat zurückgekehrt. "Das wird für immer eine offene Wunde bleiben." Heute fallen die Urteile.
Quelle: ntv.de