Verteidigung sieht "Wende" Görlitzer Park: Vergewaltigungs-Prozess startet mit Video-Überraschung
18.01.2024, 16:06 Uhr Artikel anhören
Einer der drei Angeklagten zum Prozessauftakt im Moabiter Kriminalgericht.
(Foto: picture alliance/dpa)
Drei abgelehnte Asylbewerber aus Afrika müssen sich wegen Vergewaltigung vor Gericht verantworten. Zum Prozessauftakt präsentiert die Verteidigung ein Video, das die Tat im Görlitzer Park in einem anderen Licht zeigen soll. Die Staatsanwaltschaft hält an den Haftbefehlen fest.
Der Görlitzer Park in Berlin-Kreuzberg ist über die Stadtgrenzen hinaus bekannt. Denn der bei Touristen und Anwohnern beliebte Park ist auch ein Kriminalitätsschwerpunkt. Zuletzt machte der Görlitzer Park Schlagzeilen im Sommer 2023. Nach Überzeugung der Berliner Staatsanwaltschaft ist es dort in den frühen Morgenstunden des 21. Juni zu einer besonders schweren Straftat gekommen: Mehrere Männer sollen ein Paar überfallen, ausgeraubt und die 27-jährige Frau mehrfach vergewaltigt haben. Drei Männer stehen deswegen vor dem Landgericht Berlin. Die Staatsanwaltschaft wirft den 22- und 23-Jährigen besonders schwere Vergewaltigung, gefährliche Körperverletzung und besonders schweren Raub vor.
Der Prozess begann allerdings mit einer Überraschung: Der Vorsitzende Richter Thilo Bartl gab bekannt, dass es ein neues Beweismittel gibt. Aus Sicht der Verteidigung stellt die sieben Sekunden lange Videosequenz eine Wende in dem Verfahren dar. Auf dem Film sehe man möglicherweise anderes, als bislang aktenkundig sei, sagte Anwalt Eckart Fleischmann. Er sprach davon, dass sexuelle Handlungen möglicherweise freiwillig erfolgt sein könnten. Der Verteidiger des 23-jährigen Angeklagten, Christian Zimmer, ergriff das Wort zu einer Eröffnungserklärung: Sein Mandant sei unschuldig. Die Anklage beruhe auf lückenhaften Ermittlungen und teils falschen oder widersprüchlichen Zeugenaussagen, sagte Zimmer. "Wir sind davon überzeugt, dass unser Mandant als freier und freigesprochener Mann das Gericht verlassen wird."
Das mutmaßliche Vergewaltigungsopfer tritt in dem Prozess als Nebenklägerin auf. Nach Angaben ihres Anwalts Roland Weber sind auf der kurzen Filmsequenz keine Gesichter zu sehen. Er räumte am Rande des Prozesses ein, dass aber auch keine Gewalt zu erkennen sei. Weber will nun mit seiner Mandantin über die Aufnahme sprechen. Nach seinen Angaben hält sich die Georgierin wieder in der Heimat auf, ist aber bislang zur Aussage in Berlin bereit.
Einer der Angeklagten filmte das Video
Die Videosequenz soll von dem angeklagten 23-jährigen Guineer gemacht worden sein und bei einem Haftprüfungstermin Ende vergangenen Jahres erstmals von dessen Anwalt dem Gericht vorgelegt worden sein. Der Angeklagte befindet sich gleichwohl weiter in Untersuchungshaft. Auch die beiden Mitangeklagten somalischer und guineischer Staatsangehörigkeit sind seit ihrer Festnahme im vergangenen Juli und August im Gefängnis.
Aus Gerichtskreisen erfuhr ntv.de, dass Ermittler das Video als echt einstufen. Zu sehen sein soll darin eine Frau, kniend beim Oralverkehr, umringt von mehreren Männern, einer filmt die Szenerie. Anhand der Bilder konnten Beamte des Landeskriminalamtes den genauen Tatort finden und die Szenerie rekonstruieren, berichtete der "Tagesspiegel". Der Haftbefehl bleibe dennoch bestehen, hieß es aus Gerichtskreisen gegenüber ntv.de. Der dringende Tatverdacht sei nach wie vor gegeben, allerdings stelle sich das Geschehen möglicherweise nicht mehr so dar, dass das Ehepaar von den Angeklagten unvermittelt überfallen worden sei.
Asylanträge der Angeklagten abgelehnt
Die Angeklagten sind alle ledig und zwei haben keinen festen Wohnsitz in Berlin. Asylanträge der Männer wurden abgelehnt, für einen der 23-Jährigen besteht eine Residenzpflicht in Ludwigslust in Mecklenburg-Vorpommern. Der Mann verbüßt derzeit eine Haftstrafe wegen Drogenhandels. Laut Ermittlungen ist auch der andere 23-Jährige wegen Drogenhandels aufgefallen.
Laut Staatsanwaltschaft sollen die Angeklagten gemeinsam mit unbekannt gebliebenen Männern am 21. Juni 2023 das Paar überfallen haben. Das Paar war nach den Ermittlungen in der Nacht schon länger dort unterwegs, hatte Kokain gekauft und Sex miteinander. Gegen 5.00 Uhr sollen die Männer dann zunächst auf den 27 Jahre alten Mann mit Ästen eingeschlagen und ihm eine Bauchtasche mit 1200 Euro gestohlen haben. Dann sollen sie der zweifachen Mutter 20 Euro und ihr Handy geraubt und sie misshandelt haben. Sie sei zum Oralverkehr und zum Geschlechtsverkehr gezwungen worden, so die Anklage.
Am Körper und am Slip der damals 27-Jährigen wurden DNA-Spuren gesichert. Inwiefern einzelne mutmaßliche Handlungen den Angeklagten zugeordnet werden können, müsse die Beweisaufnahme ergeben, hieß es vom Landgericht bei der Eröffnung des Verfahrens. Der Prozess soll am 23. Januar fortgesetzt werden - mit Aussagen der Angeklagten. Bislang hat das Gericht acht weitere Verhandlungstage geplant. Ein Urteil könnte demnach am 11. März gesprochen werden.
Sicherheitsmaßnahmen für Park geplant
Der Fall hatte eine erneute Diskussion über Sicherheitsmaßnahmen im Görlitzer Park ausgelöst, der vor allem wegen des Drogenhandels zu den Kriminalitätsschwerpunkten in Berlin gehört. Ein Zaun um die Anlage soll helfen, dies zu ändern. Allerdings kommt dieser später als zunächst von Berlins Regierendem Bürgermeister Kai Wegner angekündigt. Zuletzt hieß es, Baubeginn solle im ersten Quartal 2024 sein.
Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg steht dem Projekt ablehnend gegenüber. Am kommenden Dienstag (23. Januar) soll es eine gemeinsame Sitzung des schwarz-roten Senats mit dem Bezirksamt geben. Dabei ist nach Senatsangaben auch ein Besuch des Parks geplant.
Quelle: ntv.de, mau/dpa