Leben

Reisefotograf Holger Leue "Ich versuche, alles ins allerschönste Licht zu rücken"

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Rund um die Welt auf der Suche nach Motiven: Reisefotograf Holger Leue hat seine Kamera stets griffbereit.

Rund um die Welt auf der Suche nach Motiven: Reisefotograf Holger Leue hat seine Kamera stets griffbereit.

Schon als Kind ging Holger Leue mit seiner Kamera auf Motivjagd. Dass ihm sein erstes Bild von einem Schwan buchstäblich nur halb gelang, ist heute nur noch eine lustige Anekdote. Denn Leue ist ein gefragter Reisefotograf geworden und besucht Touristenziele in aller Welt. Im Interview mit ntv.de erzählt er, wie es ist, an Orten zu arbeiten, an denen andere Urlaub machen. Und er verrät, welche Reise ihn besonders begeistert hat.

Was macht für dich ein perfektes Reisebild aus?

Es sollte den Betrachter fesseln, ein "Eyecatcher" sein. Dass man in der Bilderflut, die täglich über uns schwappt, einen Moment innehält und sagt: Oh, das ist ein besonderes Bild, da möchte ich gerne tiefer eintauchen. Oder bestenfalls: Da möchte ich gleich persönlich hin!

Was unterscheidet deine Fotos von ganz normalen Urlaubsfotos?

Manche normalen Urlaubsfotos sind mindestens genauso schön für denjenigen, der die Fotos gemacht hat. Aber es gibt Aspekte, die von Profis aufgenommene Bilder auszeichnen. Der Bildaufbau sollte natürlich harmonisch sein, gerne auch mit "menschlichem Element". Technisch muss alles einwandfrei sein. Klare Linien kommen immer gut, bei jedem Bild sollte man die Situation bestmöglich einfangen, mit Vorder- und Hintergrund spielen, nachvollziehbare Perspektiven schaffen, die Dynamik des Motivs transportieren.

Wann hast du das Fotografieren für dich entdeckt?

Schon als Kind habe ich fast immer eine Kamera mit mir getragen und fand das spannend. Mein erstes Bild entstand während eines Familienurlaubs in Holland und zeigt Schwäne. Es ist eigentlich nur ein halbes Bild, weil mein Ordnungssinn schon damals ausgeprägt war und ich den Film aus der Instamatic-Kamera herausnahm, um ihn wieder in das entsprechende Fach der Verpackung zu legen. Das Bild war also halb belichtet. Den Fehler habe ich nur einmal gemacht. Gut, dass später Speicherkarten erfunden wurden …

Gibt es Fotografen oder Fotografinnen, die dich inspiriert haben?

Eigentlich nicht. Aber ich war schon immer fasziniert von Reisebildbänden und habe mich durch diese durchaus inspirieren lassen. Das weckte die Reiselust, und dann habe ich entsprechend die Länder mit meinem Blickwinkel aufgesucht. Als Reisefotograf habe ich ja das große Glück, im Auftrag von Fremdenverkehrsämtern, Reedereien und touristischen Partnern zu den schönsten Destinationen der Welt zu fahren und diese zu dokumentieren.

Wie ist es dazu gekommen, dass du dich auf das Fotografieren von Reisezielen spezialisiert hast?

Grundstein war letztendlich eine Katastrophe. Nach meinem Fotojournalismus-Studium arbeitete ich als Fotojournalist für Tages- und Wochenzeitungen in Kalifornien und musste ein verheerendes Erdbeben in Santa Cruz dokumentieren. Und da merkte ich, dass die News-Fotografie nicht mein Ding ist und habe Ausschau nach einer anderen Art dieses Handwerks gehalten, die eventuell auch mit meiner Leidenschaft des Reisens in Verbindung gebracht werden kann. Ich setzte dann alles auf eine Karte und reiste für drei Monate nach Neuseeland, mit ganz viel Optimismus, Elan, mehreren hundert Filmen im Gepäck und in der Hoffnung, dass daraus mal ein Bildband entsteht. Das war eine ganz schöne Investition, hat aber zum Glück geklappt. Mittlerweile sind mehr als 100 Bildbände, Reiseführer und Kalender mit meinen Aufnahmen erschienen.

Deine Reiseziele haben fast immer mit Wasser zu tun, du bist viel auf Inseln, Meeren und Flüssen unterwegs. Warum hast du dich darauf fokussiert?

Weil es am Meer, egal wo auf der Welt, immer wunderschön ist. Und wenn ich nicht so tief in meiner Heimat im osthessischen Haunetal verwurzelt wäre, dann würde ich mit ganz großer Wahrscheinlichkeit irgendwo am Meer wohnen. Es gibt viele tolle Reisefotografen, aber ich konnte mir diese Nische mit den Kreuzfahrten erarbeiten und mache das seit knapp 20 Jahren. Bei meinem ersten Kreuzfahrt-Projekt wurde ich von der Reederei nach Tahiti geflogen, und am nächsten Morgen stand dann der Hubschrauber mit abmontierter Tür parat, damit ich die Einfahrt der MS Europa in die Cooks Bay von Moorea aus der Luft fotografieren konnte. Das war dann nicht nur der Katalogtitel der Reederei, sondern auch der Start meiner Kreuzfahrt-Affinität.

Kreuzfahrten stehen ja aus Klimaschutzsicht in der Kritik. Machst du dir darüber auch Gedanken?

Da mache ich mir verstärkt drüber Gedanken. Privat würde ich eine Kreuzfahrt vermutlich nicht buchen, aber es ist ein Teil meines Berufs, für mich ist es eine Geschäftsreise. Ich würde jetzt gerne sagen, dass ich mir die Reedereien aussuche, die nachhaltiger fahren, aber das ist noch nicht so stark verbreitet.

Du bist viel auf Inseln unterwegs, die durch den Klimawandel besonders bedroht sind. Oder auch in Gegenden, in denen es viel Armut gibt. Zeigst du auf deinen Bildern auch diese Rückseite der Postkarte?

Nein, muss ich ganz ehrlich sagen, das ginge ja in Richtung Sozialreportage. Als Reisedestinationsfotograf versuche ich hingegen immer, alles in das allerschönste Licht zu rücken. Und oftmals ist das Umfeld links und rechts von den Bildern auch gänzlich anders als das, was man auf dem Bild sieht. Das ist einfach so - und bei Instagrammern nicht anders.

Gibt es bei so vielen Reisen noch die eine besondere?

Unzählige. Natürlich die Reise in mein erstes Land, Neuseeland, wo alles begann. Ein ganz besonderes Erlebnis waren auch die knapp sieben Wochen in der Antarktis auf dem kleinen Expeditionsschiff Sea Spirit mit 114 Gästen aus 16 verschiedenen Ländern. Das war auch mein bislang schönster Jahreswechsel, mit Menschen aus so vielen verschiedenen Ländern auf Deception Island einen großen Kreis zu bilden und das neue Jahr zu begrüßen - ganz wunderbar!

Was ist das Schönste an deinem Beruf?

Definitiv das Kennenlernen von Menschen aus aller Welt. Egal wo auf der Welt ich bin, es sind immer fantastische Begegnungen, so herzlich und ganz selten mal etwas Unschönes oder Unfreundliches. Aber egal wie arm oder reich ein Land ist, überall auf der Welt sind die Menschen großartig, und jeder Mensch ist einmalig. Und auch wenn ich eher zurückhaltend bin, sobald ich die Kamera um den Hals habe, habe ich keine Probleme auf Menschen zuzugehen, und sie merken auch rasch, dass ich nichts Böses im Schilde führe. Ganz vielen Menschen, die ich porträtiere, schicke ich dann auch die Bilder zu - früher in großen Umschlägen mit Abzügen, heute per E-Mail. Das ist mein Dankeschön, dass ich sie in meine Aufnahmen integrieren konnte.

Wie lange bis du für ein Projekt unterwegs?

In der Regel verfolge ich ein bis zwei Wochen lange Projekte. Insgesamt bin ich knapp vier Monate im Jahr unterwegs, verwirkliche aber auch viele Tagesproduktionen für regionale Fremdenverkehrsämter und weitere Kunden in Deutschland. Dadurch habe ich die Möglichkeit, die Heimat in Deutschland etwas näher kennenzulernen. Und die ist wunderschön.

Drohnen-Selfie mit Kindern auf den Fidschi-Inseln.

Drohnen-Selfie mit Kindern auf den Fidschi-Inseln.

Und wie viele Fotos machst du durchschnittlich auf einer, sagen wir, zweiwöchigen Reise?

Bestimmt 6000 bis 8000 Belichtungen. Es sind natürlich auch Sequenzen dabei. Wenn ich zum Beispiel merke, dass ein Mensch besonders toll lacht, dann nutze ich auch mal die Sechs-Bilder-pro-Sekunde-Funktion der Kamera. Auffällig ist, dass in den letzten Jahren ein nicht unwesentlicher Prozentsatz der Bilder aus der Luft entsteht, also mit der Drohne. Diese Vogelperspektive ist eine ganz fantastische Ergänzung der klassischen Fotografie. Und wenn ich auf einer Insel bin und den Menschen zeigen kann, wie schön ihre Insel aus der Luft aussieht, ist das was ganz Besonderes. Dann bildet sich oftmals eine kleine Menschentraube um mein Display herum und alle freuen sich. Und das bereitet dann wiederum mir große Freude.

Und wenn du mit deinen Tausenden von Bildern nach Hause kommst, wie geht es dann weiter?

Da muss ich dann alles sichten und entsprechend herunterfiltern. Bei einer zweiwöchigen Reise bleibt eine Auswahl von vielleicht 1000 Bildern übrig, die ich als gut genug beziehungsweise als vermarktbar empfinde. Die werden alle individuell optimiert, beschriftet und zum Teil auch verschlagwortet, das ist ein immenser Büroaufwand. Für jeden Tag, den ich produziere, kann ich mittlerweile einen ganzen Tag für die Nachbearbeitung rechnen. Aber das Schöne daran: Somit kann ich die Reise quasi nochmal erleben!

Du arbeitest an Orten, an denen andere Urlaub machen. Findest du da auch selbst Zeit, mal zu entspannen?

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Wenn ich unterwegs bin (ich bezeichne es auch gerne als "auf Montage"), trage ich meine Hauptkamera, eine Canon R5 mit 24-105er-Objektiv, stets um meinen Hals, denn es könnten sich zu jeder Zeit Motive ergeben. Ich bin die ganze Zeit in meinem Arbeitsmodus, aber über die Jahre habe ich gelernt, das zu genießen. Das Prinzip Urlaub im klassischen Sinne kenne ich eigentlich nicht. Ich habe in den letzten zwei Jahrzehnten vielleicht mal ein paar Wanderwochenenden mit Freunden verbracht, wo ich nicht im Arbeitsmodus war. Entspannen kann ich mich jedoch ganz wunderbar zu Hause in herrlicher Natur.

Kannst du eigentlich ohne deinen Fotografenblick unterwegs sein?

Nein, den kann ich nicht ablegen. Und wenn ich doch mal ohne Kamera unterwegs bin, mache ich ziemlich viele "mentale Bilder", wie ich es nenne. An denen erfreue ich mich ebenfalls.

Mit Holger Leue sprach Katja Sembritzki

Quelle: ntv.de

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