Hilfe erreicht Dörfer nicht In Marokkos Bergen suchen die Menschen allein in den Trümmern
09.09.2023, 17:17 Uhr Artikel anhören
Die meisten Schäden gibt es dem Innenministerium zufolge außerhalb der Städte.
(Foto: REUTERS)
Am Tag nach dem stärksten Erdbeben seit mehr als 100 Jahren in Marokko sind viele der betroffenen Menschen ganz auf sich gestellt. Wie viele Opfer noch unter den Trümmern der besonders betroffenen Bergregion liegen, weiß niemand.
Die Nacht war kurz für die meisten Menschen in Marokko, viele haben sie auf der Straße verbracht. Denn fast im ganzen Land war das schwere Beben in der Nacht von Freitag auf Samstag zu spüren: Am heftigsten im Atlasgebirge, rund 70 Kilometer südwestlich von Marrakesch. Dort lag das Epizentrum des Bebens. Nach Angaben der US-Erdbebenwarte USGS hatte es eine Stärke von 6,8. Zu spüren war es bis in den Süden Spaniens und Portugals.
"In Marrakesch haben wir unglaubliche Schreckensmomente durchlebt", berichtet ein Augenzeuge. "Aus Angst vor Nachbeben haben wir die Nacht lieber im Freien verbracht, statt nach Hause zurückzukehren", sagte er. Kurz nach dem ersten Beben kam es tatsächlich zu einem Nachbeben der Stärke 4,9. Mindestens 1037 Tote hat das Innenministerium bislang gezählt. Dazu sollen mehr als 1200 Menschen Verletzungen erlitten haben, viele davon schweben in Lebensgefahr. Die Behörden erwarten, dass die Zahlen weiter ansteigen.
In sozialen Netzwerken werden Bilder und Videos geteilt, die das Ausmaß der Katastrophe erahnen lassen. Zu sehen sind Menschen, die in Panik in der Nacht aus den Gebäuden fliehen und sich vor herabstürzenden Bauteilen in Sicherheit bringen wollen. Mittlerweile werden auch immer mehr Bilder von der Suche nach Überlebenden geteilt. Menschen suchen im Schutt nach Überlebenden in teils schwer zugänglichen Gegenden in den Bergen.
"Ich suche noch immer nach Familienmitgliedern"
In der bei Touristen beliebten Altstadt von Marrakesch lagen Gebäudetrümmer auf den Straßen, zahlreiche Autos wurden beschädigt. An der Moschee auf dem zentralen Marktplatz Jemaa el-Fna stürzte ein Teil des Minaretts ein und verletzte zwei Menschen. Hunderte Menschen, die auf dem Platz in der historischen Altstadt auf dem Boden schliefen, weil sie sich nicht in ihre Häuser zurück trauten. Die meisten Schäden gibt es dem Innenministerium zufolge allerdings außerhalb der Städte.
"Alle hier sind geschockt", sagt ein Augenzeuge aus dem Bergdorf Mulay Brahim, einer Region, die besonders schwer vom Beben getroffen wurde. "Wir arbeiten mit den einfachen Mitteln, die wir haben, um nach Toten und Überlebenden in den Trümmern zu suchen. Die Wahrheit über die Opferzahlen kennen wir nicht", sagt er.
Dem Innenministerium zufolge setzen Streitkräfte und der Zivilschutz alle Mittel ein, um Hilfe zu leisten und die Schäden zu begutachten. Doch viele Gegenden warten noch auf Hilfe: "Ich suche noch immer nach Familienmitgliedern", sagte ein Überlebender aus der am schwersten getroffenen Gegend. "Aufgrund der schwierigen Bergwege, die hierhin führen, ist es den Behörden bisher nicht gelungen, dieses Gebiet zu erreichen", sagte er. Schätzungen über das genaue Ausmaß der Katastrophe gibt es bisher nicht.
Quelle: ntv.de, Amira Rajab, dpa