Panorama

Mediziner über Covid in Kliniken Janssens: Patienten sind jünger geworden

Laut DIVI-Register befinden sich derzeit 600 Covid-19-Patienten in intensivmedizinischer Behandlung.

Laut DIVI-Register befinden sich derzeit 600 Covid-19-Patienten in intensivmedizinischer Behandlung.

(Foto: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild)

Die Zahl der Covid-19-Intensivpatienten befindet sich auf einem relativ niedrigen Niveau. Doch der Schein trügt. Im Vergleich zum Vorjahr sind es Hunderte Betroffene mehr. Und angesichts der exponentiell steigenden Ansteckungen, wird es auch bald in den Krankenhäusern wieder voller, warnt Intensivmediziner Uwe Janssens.

ntv: Es werden wieder mehr Patienten intensivmedizinisch behandelt. Was steckt hinter diesen Zahlen? Sind Sie da noch entspannt oder ist das schon ein erstes Alarmsignal?

Uwe Janssens: Man muss ganz klar sagen: Wir haben derzeit nicht so viele Patienten mit Covid-19 auf Intensivstationen liegen. Ich glaube, es waren 574 gemeldete Fälle gestern. Das scheint zunächst einmal nicht sehr viel zu sein. Blickt man aber ein Jahr zurück, waren es zur gleichen Zeit 226 Intensivpatienten. Das ist schon ein klarer Unterschied. Wir haben jetzt eine andere Infektionssituation aufgrund der Impfungen. Wir haben natürlich jetzt die vorrangige Delta-Variante, die sich vor allen Dingen bei den jüngeren Menschen, speziell den Ungeimpften, ausbreitet. Das kann in der Summe, wenn es im Herbst zu einem deutlichen Anstieg der Fallzahlen vor allem bei den Ungeimpften kommt, doch irgendwann einmal - und zwar dann deutlich - wieder in die Intensivmedizin zurückschlagen.

Die Hospitalisierungsrate soll zukünftig auch eine größere Rolle spielen. Wie müssen diese verschiedenen Indikatoren denn zueinander stehen, damit man die Lage auch noch angemessen bewerten kann?

Das ist eine wichtige Frage. Sie sprechen an, dass man sich in einigen Bundesländern komplett von der Sieben-Tage-Inzidenz verabschiedet hat, was wir eigentlich sehr bedauern, da das weiterhin ein wichtiger Parameter für das Infektionsgeschehen ist. Wir plädieren ganz stark dafür, zur Beurteilung der Dynamik und des Geschehens diese Parameter mit einzubeziehen. In Berlin ist man schon seit langem vorrangig damit beschäftigt. Dort gibt es die berühmte Ampel und ich glaube, das ist ein ganz guter Weg, wie man Transparenz in das Infektionsgeschehen mit den Komplikationen bringen kann.

Werfen wir nochmal einen konkreten Blick auf die Intensivstationen, beziehungsweise auf die Patienten dort. Sind das aktuell Fälle, die dort schon seit Monaten liegen oder sind das alles Neuaufnahmen?

Intensivmediziner Uwe Janssens ist von der Wirkung der Impfung überzeugt.

Intensivmediziner Uwe Janssens ist von der Wirkung der Impfung überzeugt.

(Foto: ntv)

Wir haben einen Großteil der Patienten, die wirklich wochenlang, Sie haben es zu Recht gesagt, monatelang schon dort liegen. Das ist ein gewisser Teil. Aber wir sehen jetzt täglich wieder zunehmend Neuaufnahmen, also zum Beispiel gestern wieder 27. Auch das klingt wenig, aber wenn die Infektionszahlen exponentiell nach oben gehen, dann werden die Intensivbettenbelegungen auch nachziehen. Und wir haben ganz klar zeigen können, dass die Sieben-Tage-Inzidenz linear an die Intensivaufnahmen gekoppelt ist. Das heißt, wenn wir nachher 20-, 30-, 40.000 Neuinfektionen pro Tag haben - das wollen wir nicht hoffen -, dann werden wir auch eine Belastung sehen. Und, jetzt kommt es: Das Alter der Patienten, die neu aufgenommen werden, ist jünger geworden.

Woran liegt das?

Das liegt ganz klar daran, dass wir eine Verschiebung der Infektionszahlen in den jüngeren Altersbereich sehen. Die älteren Menschen sind erfreulicherweise in einem hohen Prozentsatz, aber auch nicht in dem Prozentsatz, den wir uns wünschen, durchgeimpft. Das heißt, hier schützt die Impfung, und das ist eindeutig, vor schweren Krankheitsverläufen.

Sind diese Neuaufnahmen denn auch alles ungeimpfte Personen?

Das sind in der Tat größtenteils ungeimpfte Personen oder nur einmal geimpfte Personen. Das ist ein ganz klarer Hinweis, den wir übrigens auch aus allen anderen Ländern der Welt bekommen. In den USA, die ähnlich wie wir eine gewisse Impfmüdigkeit in den letzten Wochen entwickelt haben, sehen wir mittlerweile genau den gleichen Effekt. Angesichts der Menge der Menschen sind das sehr beunruhigende Zahlen aus dem Süden der USA, wo die Intensivstationen mittlerweile wieder voll belegt sind. Und auch hier gilt die klare Botschaft: Es sind Jüngere mit zum Teil schweren Verläufen.

Herr Professor Janssens, die kühlere Jahreszeit steht uns noch bevor. Welche Maßnahmen müssen wir jetzt ergreifen, damit wir die steigende Belegung der Intensivbetten noch bremsen können?

Das ist ganz klar: Wir müssen natürlich auf die altbekannten Regeln achten. Wir begrüßen sehr, dass jetzt 3G - geimpft, getestet und genesen - Eingangsvoraussetzung zur Teilhabe an bestimmten Dingen ist. Das ist eine klare Botschaft. Es ist keine Diskriminierung von Ungeimpften. Es ist ein ganz klares Zeichen, dass wir hier eine Eindämmung vornehmen wollen. Und die zweite Botschaft ist: Lassen Sie sich impfen.

Mit Uwe Janssens sprach Nele Balgo

Quelle: ntv.de

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