Panorama

Aus der Schmoll-Ecke Jetzt kommen die Putin-Versteher-Versteher

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Wladimir Putin hat sich bisher nicht besonders hervorgetan mit einem Einsatz für eine "von allen getragene und von allen respektierte Friedens- und Sicherheitsordnung für Europa".

Wladimir Putin hat sich bisher nicht besonders hervorgetan mit einem Einsatz für eine "von allen getragene und von allen respektierte Friedens- und Sicherheitsordnung für Europa".

(Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS)

Ralf Stegner, unser Träumerle, will kein Geld für Rüstung rausballern, sondern lieber für die Bekämpfung von "Armut, Bürgerkriegen, Umweltzerstörung und Fluchtbewegungen". Schwerter zu Brot, Asylbewerberheimen, Solaranlagen und Windrädern! Dafür gibt es Verständnis.

Ja, auch ich bin eine gespaltene Persönlichkeit. Ich finde Pathologisierung doof und betreibe sie doch ständig selbst. Bei Blitzfrieden-Trump kann ich nicht anders. Da muss ich feststellen: Der Mann ist irre. Er lässt keine Chance aus, der Weltöffentlichkeit Tag für Tag aufs Neue zu zeigen, wie durchgeknallt er ist. Nehmen wir den "Empfang" der Fußball-Mannschaft von Juventus Turin neulich im Oval Office, als er in Anspielung darauf, dass Ex-Männer im Frauen-Sport unterwegs sind, fragte: "Könnte eine Frau in eurem Team spielen, Jungs?" Die Gäste guckten wie Schüler vor ihrem Lehrer, die innerlich flehen: Nehmen Sie bitte nicht mich dran. Denn was soll man zu diesem Schwachsinn sagen?

Oder er, der nichts versteht, behauptet: "Emmanuel [Macron] versteht immer alles falsch." Oder er leitet eine "Meldung" weiter, dass Joe Biden nicht der echte Präsident gewesen, sondern schon 2020 "exekutiert" und durch einen geklonten Roboter ersetzt worden sei. Oder er sagt über Kreml-Putze, Anführer der Putzkolonne, die die Ukraine in guter alter Nazi-Tradition von allen Ukrainern säubern will: "Wenn er nicht mit seinen Panzern im Schlamm stecken geblieben wäre, wären sie in etwa fünf Stunden in Kiew gewesen." Mit Verlaub, das ist alles irre.

Um all die Wirrungen und Irrungen, Trugbilder, Lügen, den Selbstbetrug und obendrein sich selbst auszuhalten, muss man sein Hirn gut trainiert haben, sich abschotten, tief in einer Blase leben, ringsum alles unbeachtet lassen, was das eigene Weltbild, die eigenen Ansichten, die eigene Hybris ankratzen kann. Geschützt wird der Kokon durch bewährte Mittel: Realitätsverzerrung und Realitätsverlust. Und natürlich Ausblendung aller Fakten, gepaart mit dem festen Glauben an alternative Fakten. Alte weiße Männer, die die Kunst der Ignoranz beherrschen, gibt es überall auf der Welt. Zuzugeben, dass sie sich verrannt haben, also irren, ist ihnen unmöglich, weil das das Fundament einbrechen würde, auf dem sie ruhen.

Bitte kein Krieg mehr

Das gibt es in unterschiedlichen Ausprägungen und Graden. Ralf Stegner und Rolf Mützenich sind aus meiner küchenpsychologischen Sicht Prototypen dieser Gattung Mensch in gemäßigter Form. Das Wirkprinzip ist dasselbe. Bitte nicht aufschreien: Der Schmoll ist wahnsinnig, vergleicht altgediente SPD-Politiker mit Irren, die die Welt in Brand setzen. Um Gottes Willen. Stegner und Mützenich wollen ja den Brand löschen. Haben deshalb ein "Manifest" für Frieden veröffentlicht. Das kommt prima an - in der Blase der beiden Politiker, in der Realitäten einfach ausgeblendet werden. Schluss mit Krieg und Tod und anderen fiesen Dingen. Nur wie das geschehen soll, bleibt geheime Verschlusssache.

Schön wäre doch, mit Russland "erste technische Kooperationen etwa im Katastrophenschutz oder der Cybersicherheit" zu vereinbaren, heißt es in dem "Manifest". Jau, wo doch die Trolle von Kreml-Putze seit Jahren die ganze Welt mit Desinformation und Cyberattacken beglücken. Das ist - sorry - bekloppt. Die Manifestler erklären: Es "muss der außerordentlich schwierige Versuch unternommen werden, nach dem Schweigen der Waffen wieder ins Gespräch mit Russland zu kommen, auch über eine von allen getragene und von allen respektierte Friedens- und Sicherheitsordnung für Europa". Ich denke, die Diplomatie, die ein "Gespräch mit Russland" voraussetzt, soll erreichen, dass die Waffen schweigen. Also ab wann soll denn nun mit Russland geredet werden?

Stegner, der mich immer an einen Hund erinnert, redete mit ntv. Wie immer hakte er in einem Satz ab, dass "Putin ein Kriegsverbrecher ist" und "der russische Angriffskrieg völkerrechtswidrig" ist, bevor er dann wieder endlos für "Wandel durch Handel" warb, ohne die Rolle der SPD zu betrachten, wie sie half, Deutschland in russische Abhängigkeit zu treiben. Und natürlich zitierte Stegner Helmut Schmidt: "Lieber 100 Stunden vergeblich reden, statt einen Schuss abgeben." Wer hat 1977 gefordert, die nukleare Überzahl der Sowjetunion an Mittelstreckenraketen auszugleichen? Wer hat den Nato-Doppelbeschluss als Kanzler durchgedrückt, gegen die Friedensbewegten in der SPD? Helmut Schmidt. Und Willy Brandt? Der sagte: "Ich habe Helmut Schmidt nicht behindert."

Schwerter zu Brot

Stegner will kein Geld für Rüstung rausballern, sondern lieber für die Bekämpfung von "Armut, Bürgerkriegen, Umweltzerstörung und Fluchtbewegungen". Ist er nicht süß, unser Träumerle in seiner Blase? Schwerter zu Brot, Asylbewerberheimen, Solaranlagen und Windrädern! "Da weiß ich gar nicht, warum die Leute sich aufregen über jemanden, der darüber spricht, wie wir dazu kommen, und nicht darüber, dass die Rüstungsunternehmen Rekordkurse an den Börsen erzielen und die zivilen Unternehmen in Schwierigkeiten sind." Das nennt man Ausblenden. Das alles ist nämlich Folge des Kriegs, den Kreml-Putze angefangen hat, und des miserablen Schaffens von Olaf Scholz und seiner grandios gescheiterten Koalition.

Aber wie kann man denn nun mit Putin verhandeln, der die ganze Ukraine schlucken will? Die Antwort von Träumerle hatte rein gar nichts mit der Frage zu tun. "Der Punkt ist doch nicht, jemandem recht zu geben. Kriege werden nicht über Presseerklärungen beendet, sondern über mühselige diplomatische Verhandlungen. Das weiß kein Mensch, wie das am Ende im Detail sein wird." So ist das also. Es gilt allerdings: "Niemand will sich dem Putin unterwerfen." Na, Träumerle, die SPD doch ein bisschen, oder? Schließlich hat sich Nicole auch nur ein bisschen Frieden gewünscht. Ich ahne auch schon, wie sich Träumerle und andere Manifestler fühlen: "Wie eine Blume am Winterbeginn - Und so wie ein Feuer im eisigen Wind - Wie eine Puppe, die keiner mehr mag - Fühl ich mich an manchem Tag."

Keine Sorge, Kreml-Putze wird Sie dafür nicht nur mögen, sondern lieben, dass Sie sein Geschäft betreiben. Frau Wagenknecht hat Träumerle und seine Mitstreiter ja prompt dazu aufgerufen, gemeinsam für die russische Sache zu demonstrieren. Da können Sie zusammen "Ein bisschen Frieden" singen. Irgendwer wird Sie medial unterstützen. Nicht nur "Emma". Denn neuerdings liest man in diversen Medien von links bis rechts von Putin-Versteher-Verstehern Aussagen wie: "Gefährlich ist nicht das Manifest, sondern die Panik vor der Debatte." Oder etwas allgemeinplätziger: "Was aus dem offiziellen Diskurs verdrängt wird, bricht sich anderswo Bahn, zumeist in radikalerer Form."

Selbst in der "Zeit" hieß es unter Bemühung von Küchenpsychologie: "Wer sich der Angst nicht unterordnen will, dem wird unterstellt, er wolle zwangsläufig die Zerstörung." Macht kaputt, was euch kaputt macht! "Dabei gibt es eben, bis heute zumindest, keinen stichhaltigen Beweis dafür, dass Russland demnächst in Europa einmarschieren will. Und warum genau 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts exakt die richtige Menge Geld für Aufrüstung sind, kann man natürlich nicht erklären."

Hier mal die Euro-Stabilitätskriterien: Das öffentliche Defizit darf nicht mehr als drei Prozent und der Schuldenstand eines Staates nicht mehr als 60 Prozent des BIP betragen. Die Inflationsrate darf maximal 1,5 Prozent über jener der drei preisstabilsten Mitgliedstaaten des Vorjahres liegen. Abgesehen davon, dass sich sowieso kein Euro-Staat mehr an die Vorgaben hält: Ob das die richtigen Größen sind? Darüber denke ich mal nach. In meiner Blase.

Quelle: ntv.de

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