Vor 50 Jahren entführt John Paul Getty III. bezahlte lebenslang für Geiz des Großvaters
10.07.2023, 07:43 Uhr Artikel anhören
Der Teenager wurde nach monatelanger Gefangenschaft körperlich und seelisch gezeichnet freigelassen.
(Foto: picture alliance / AP Images)
1973 entführt die Mafia John Paul Getty III. , der 16-Jährige ist ein Enkel des superreichen Öl-Tycoons Jean Paul Getty. Doch der Großvater verweigert die Lösegeldzahlung, monatelang bleibt der Teenager in der Gewalt der Mafia und sein Leben lang gezeichnet.
John Paul Getty III. schlendert weit nach Mitternacht über die Piazza Farnese mitten in Rom, er ist auf dem Heimweg von einer Disco. Plötzlich bleibt ein Wagen neben dem 16-Jährigen stehen und Unbekannte zerren ihn ins Innere. Die Männer wissen nur zu gut, wen sie da am frühen Morgen des 10. Juli 1973 entführen: Den Enkel des Öl-Tycoons Jean Paul Getty, der als reichster Mensch der Welt gilt. Mit dem Erben des Multi-Milliarden-Unternehmers lässt sich sicher viel Lösegeld erpressen, spekulieren die Kriminellen.
Aber sie unterschätzen den Geiz und die Kaltherzigkeit von US-Patriarch Getty - was der Enkel am eigenen Leib und Zeit seines Lebens spüren wird. Am Montag jährt sich eine der spektakulärsten Entführungen des 20. Jahrhunderts zum 50. Mal. Und noch heute schütteln Menschen den Kopf vor allem über das Verhalten von Großvater Getty in dem Fall, den unter anderem Kult-Regisseur Ridley Scott zuletzt 2017 im Hollywood-Streifen "Alles Geld der Welt" verfilmte.
Mafiosi der kalabresischen 'Ndrangheta hatten Paul Getty nach der Entführung aus Rom weggebracht und in den süditalienischen Bergen versteckt. Zunächst forderten sie 17 Millionen Dollar Lösegeld, ein Betrag, der für Getty senior problemlos zu beschaffen gewesen wäre. Doch dieser lehnte kühl ab. "Ich habe noch 14 andere Enkel. Wenn ich auch nur einen Penny zahle, dann habe ich bald 14 gekidnappte Enkelkinder", sagte der Großindustrielle und Kunstsammler damals als Rechtfertigung.
Ohr abgeschnitten
Paul Gettys Mutter Gail, die von John Paul Getty II. getrennt mit den gemeinsamen Kindern in Rom lebte, war entsetzt. Die Wochen und Monate vergingen ohne Fortschritte in der Causa. Die Polizei kam bei den Ermittlungen nicht weiter. Getty senior vermutete, dass sich der Hippie-Enkel von Freunden oder Komplizen nur zum Schein entführen ließ, um dem Großvater Geld abzunehmen. Die Entführer gingen mit ihren Forderungen deutlich nach unten. Weil von den Gettys weiter kein Lösegeld bezahlt wurde, schnitten die Mafiosi ihrem Opfer das rechte Ohr ab und schickten es an die Römer Tageszeitung "Il Messaggero". Zudem machten sie ein Bild des entstellten Teenagers und drohten, ihn stückweise an die Familie zu übergeben. Der Großvater lenkte ein und stimmte der Zahlung von 2,8 Millionen Dollar zu - 2 Millionen konnte er von der Steuer absetzen, 800.000 lieh er seinem Sohn zu einem Zinssatz von 4 Prozent.
Am 15. Dezember, mehr als fünf Monate nach seiner Entführung und nachdem das Lösegeld übergeben worden war, kam John Paul Getty III. abgemagert, dreckig, traumatisiert und mit einer entzündeten Wunde am Kopf irgendwo zwischen Rom und Neapel frei. Die meisten mutmaßlichen Kidnapper wurden später gefasst. Das Lösegeld blieb verschwunden.
Die Zeit in der Gefangenschaft hatte den Teenager nachhaltig verstört, er fand nie wieder in ein normales Leben zurück. Sein Ohr wurde mit plastischer Chirurgie wiederhergestellt und er heiratete seine Freundin, die deutsche Fotografin Gisela Schmidt. Die Ehe wurde geschieden, als Schauspieler hatte der junge Mann keinen Erfolg. Von Panikattacken geplagt, flüchtete sich Getty in Drogen. Im Alter von nur 25 Jahren erlitt er 1981 wegen einer Überdosis einen Hirnschlag und lag sechs Wochen im Koma. Als er aufwachte, war er teilweise gelähmt, fast blind und konnte nicht mehr sprechen. Der Amerikaner saß im Rollstuhl und lebte zurückgezogen und von seiner Mutter gepflegt, bis er im Februar 2011 im Alter von 54 Jahren starb.
Quelle: ntv.de, Manuel Schwarz, dpa