Sinkende Infektions-Zahlen Kassenärzte-Chef fordert "Freedom Day"
18.09.2021, 12:52 Uhr
Keine Regeln mehr ab dem 30. Oktober - das ist das Ziel von Kassenärzte-Chef Gassen.
(Foto: picture alliance / Flashpic)
Für den Chef der Kassenärzte, Andreas Gassen, braucht es in der Bekämpfung der Corona-Pandemie in Deutschland ein klares Ziel: einen "Freedom Day" Ende Oktober. Dann sollen alle Maßnahmen aufgehoben werden. SPD-Gesundheitsexperte Lauterbach kommt zu einer weniger optimistischen Einschätzung.
Der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, hat ein Ende der Corona-Eindämmungsmaßnahmen zu Ende Oktober gefordert. Nötig sei "eine klare Ansage der Politik: In sechs Wochen ist auch bei uns 'Freedom Day'", sagte er der "Neuen Osnabrücker Zeitung" mit Verweis auf das entsprechende Vorgehen in Großbritannien im Juli. Am 30. Oktober sollten "alle Beschränkungen" aufgehoben werden.
"Das gibt jedem, der will, genug Zeit, sich noch impfen zu lassen", argumentierte Gassen. "Meine Wette: Dann sind wir Ende Oktober bei einer Impfquote von 70 Prozent oder noch höher, weil sehr viele Menschen das Angebot dann doch schleunigst annehmen werden." Ohne die Ankündigung eines klaren Stichtags "werden wir uns endlos weiter durch diese Pandemie schleppen", sagte Gassen voraus.
SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach fürchtet dagegen eine schwierige Corona-Lage im Herbst, falls die Impfkampagne nicht besser vorankommt. "Was wir momentan sehen, ist nach meinem Dafürhalten eine Verschnaufpause, nicht viel mehr", sagte er der "Passauer Neuen Presse" mit Blick auf die zuletzt leicht sinkenden Corona-Infektionszahlen. "Ich gehe davon aus, dass die Fallzahlen in dem Moment wieder steigen werden, in dem sich das Leben der Menschen verstärkt in Innenräumen abspielt."
Deutschland brauche eine "sehr viel höhere Impfquote", um in absehbarer Zeit in die Normalität zurückzukehren, mahnte Lauterbach. "Andernfalls droht uns ein schwieriger Herbst." Der Mediziner rief Restaurants und Clubs dazu auf, nur noch Geimpfte und Genesene einzulassen. Es solle generell "kein Mittel" ausgeschlossen werden, um mehr Menschen zum Impfen zu bewegen. "Das gilt auch für die Zahlung sogenannter Impfprämien, der ich bislang immer sehr skeptisch gegenüberstand."
Impftempo schwächelt vor allem im Südosten
Die Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Maike Finnern, blickt ebenfalls besorgt auf den Herbst. "Schon jetzt sind teilweise ganze Klassen in Quarantäne", sagte sie dem "Business Insider". Die Politik müsse alles dafür tun, "dass wir keinen Winter wie im vergangenen Jahr bekommen". Derzeit würden die Maßnahmen für Schulen "zu zögerlich gemacht". Es brauche einen Mix aus Maßnahmen aus flächendeckenden PCR-Tests, Luftfiltern an Schulen und mehr Personal, sagte Finnern. Anderenfalls könne nicht am Präsenzunterricht festgehalten werden.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn wies derweil auf die Unterschiede beim Fortschritt der Corona-Impfungen zwischen den Bundesländern hin. "Im Nordwesten sind wir fast am Ziel, im Südosten sollten wir noch deutlich höhere Quoten erreichen", twitterte der CDU-Politiker. Nach seinen Angaben haben 62,9 Prozent der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland (52,3 Millionen Menschen) vollen Impfschutz, 67,1 Prozent (55,8 Millionen) erhielten mindestens eine Impfung.
Tatsächlich sind im Nordwesten deutlich mehr Menschen gegen Corona geimpft als im Südosten, wie Daten des Robert-Koch-Instituts (RKI) zeigen: Bremen ist Spitzenreiter: Hier wurden 77,7 Prozent der Bürger einmal geimpft und 73,3 Prozent haben einen vollständigen Schutz. Auch in Schleswig-Holstein, Hamburg und Nordrhein-Westfalen erhielten mehr als 70 Prozent der Einwohner mindestens eine Corona-Impfung. In Ostdeutschland liegen die Impfquoten zumeist deutlich niedriger als im Westen. In Sachsen haben bisher nur 56,9 Prozent einen ersten und 53,6 einen zweiten Piks erhalten. Auch in Thüringen liegt die Impfquote noch unter 60 Prozent. Doch auch Bayern (63,8 Prozent Erstimpfungen) und Baden-Württemberg (64,3 Prozent) liegen noch weit hinter den Impf-Vorreitern.
Quelle: ntv.de, jog/mli/AFP/dpa