Rückgabe an Italien?Kein Lösegeld für gestohlene Kunst

Ein aus dem Palazzo Pitti von Wehrmachtssoldaten geraubtes Gemälde taucht plötzlich wieder auf. Die Mittelsmänner verlangen Geld. Uffizien-Direktor Eike Schmidt startet jetzt eine Aktion, um Deutschland zur Rückgabe zu drängen.
Wie ernst es Eike Schmidt, dem Direktor der Florentiner Gemäldegalerie Uffizien, mit seinem Anliegen ist, das Bild "Blumenvase" des Malers Jan van Huysum wieder an seinem rechtmäßigen Platz hängen zu sehen, hat er mit einer außergewöhnlichen Aktion bewiesen. Seit dem 2. Januar stoßen die Besucher in der Sala dei Putti des Palazzo Pitti auf ein gerahmtes Schwarz-Weiß-Foto, eine Abbildung des besagten Gemäldes. Doch hat es Schmidt nicht bei der Abbildung belassen. Auf dem Foto steht in roter Blockschrift in drei Sprachen geschrieben: "Rubato!", "Stolen!", "Gestohlen!", wobei das Ausrufezeichen besonderen Nachdruck verleihen soll.
Jan van Huysum (1682-1749), auch "Phönix der Blumen- und Fruchtmaler" genannt, war einer der Hauptvertreter der Stillleben-Malerei. Die "Blumenvase" gehört zu seinen Meisterwerken und wurde 1824 von Leopold II, Großherzog der Toskana, für die im Palazzo Pitti gerade entstehende Galleria Palatina erworben.
Mittelsmänner verlangen halbe Million Euro
Die Bildbeschreibung unter dem Schwarz-Weiß-Foto erzählt aber folgende Geschichte: Im Kriegsjahr 1940 wurde die Galleria evakuiert, die Gemälde vor Bomben- und Brandanschlägen in Sicherheit gebracht. Huysums Gemälde fand in einer Villa einen sicheren Unterschlupf. Doch 1944 wurde es von Wehrmachtssoldaten entdeckt und nach Deutschland geschmuggelt, wo es sich bis heute in Privatbesitz befindet.
Lange Zeit galt das Gemälde als verschollen. "Erst seit 1991 weiß man wieder von seiner Existenz", erzählt Schmidt in einem Gespräch mit n-tv.de. "Und seitdem gab es immer wieder Kontaktaufnahmen seitens der Familie, in dessen Besitz es jetzt ist, beziehungsweise von deren Agenten, Anwälten und Vermittlern." Diese hätten jedoch immer wieder Geldforderungen an das Museum und an den italienischen Staat gestellt und 500.000 Euro für die Rückerstattung verlangt. Also eine Art Lösegeld, denn der Wert des Gemäldes wird von den Experten auf mehrere Millionen Euro geschätzt. Angesicht dieser Geldforderungen hat die Florentiner Staatsanwaltschaft mittlerweile auch Ermittlungen gestartet, während die Kontakte immer wieder abbrachen. "Und da die stille Diplomatie hinter den Kulissen in drei Jahrzehnten zu nichts geführt hat, habe ich beschlossen, einen höheren Gang einzulegen, mit dieser Geschichte an die Öffentlichkeit zu gehen", fährt Schmidt fort. Es ist sein großer Wunsch, das Bild noch im Laufe dieses Jahres zurückzubekommen.
Für ihn wäre es eine doppelte Freude, denn Ende dieses Jahres geht nach vier Jahren auch seine Zeit als Direktor der Uffizien zu Ende. Ab November soll er die Leitung des Kunsthistorischen Museums in Wien übernehmen. Es gehe ihm aber nicht darum, seinen Namen hinter der Rückerstattung zu sehen, hebt Schmidt hervor. "Sollte es nach meiner Zeit passieren, wäre es auch in Ordnung. Es geht ja um das Werk. Ich sehe es als meine moralische Pflicht, das Thema öffentlich gemacht zu haben." Und sollte die Berichterstattung die Familie dazu bringen, sich vom Makel zu befreien, ein gestohlenes Werk zu Hause aufzubewahren und es also zurückzugeben, dann wären sie die Helden dieser Geschichte. Um welche Familie es sich handelt, wie sie zu dem Meisterwerk gekommen ist, ob es wirklich die Nachfahren eines Wehrmachtssoldaten sind, das alles liegt jedoch weiter im Verborgenen.
Doch so wichtig die Rückerstattung der "Blumenvase" auch ist, es wäre trotzdem nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Denn noch heute gibt es unzählige Gemälde, die noch nicht an die rechtmäßigen Eigentümer zurückerstattet wurden. Und das jetzt schon seit über 70 Jahren. Als der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer und sein italienischer Kollege, Regierungschef Alcide De Gasperi, am 27. Februar 1953 das Abkommen zur Rückgabe der geraubten Kulturgüter an Italien unterschrieben, ging man davon aus, die Aufgabe schnell zu erledigen.
"Deutschland muss das bestehende Verjährungsgesetz aufheben"
Dem war aber nicht so. Es hat lange gedauert, bis sich zu diesem Thema ein Bewusstsein über das verübte Unrecht und eine moralische Verantwortung breit gemacht hat. "Noch in den 70er- und 80er-Jahren wurden manchmal Werke mit dunkler Provenienz, mit 'toxic provenance' , wie man auch sagt, ganz offen gehandelt. Manchmal wurde es sogar als Gütesiegel gesehen, wenn da etwa der Name einer bedeutenden jüdischen Sammlerfamilie mitverzeichnet war", erklärt Schmidt. Erst mit dem Generationswechsel in den 90er-Jahren habe sich die Haltung dazu geändert.
Noch gibt es aber genügend Arbeit zu leisten. Angefangen bei der deutschen Gesetzregelung. "Deutschland muss das bestehende Verjährungsgesetz aufheben", sagt Schmidt. Das Gesetzt greift nach 30 Jahren, was also genaugenommen heißt, dass der Anspruch auf die "Blumenvase" wie auf das ganze Raubgut aus der Nazizeit schon längst verjährt ist. "Der Gesetzgeber muss eine neue gesetzliche Grundlage dafür schaffen". Ob dieser Appell - einerseits an die Familie, andererseits an die deutsche Politik - Wirkung haben wird, wird sich hoffentlich auf positive Weise in der nächsten Zeit zeigen.