Kino

"Das große Museum" Kunst in Zeiten des Eventtourismus

Sorgfältig wird restauriert.

Sorgfältig wird restauriert.

Das Kunsthistorische Museum in Wien gilt als eine der bedeutendsten Kulturstätten Europas. Eine Doku blickt nun hinter die Kulissen zwischen Tradition und Corporate Branding. Herausgekommen ist ein Film, der mehr zeigen als erklären will.

Selbst in einer Dokumentation über ein Museum kann es Szenen wie im Horrorfilm geben. Mehr als einmal fühlt sich der Zuschauer bei "Das große Museum" an den Klassiker "Shining" erinnert. Da betritt etwa ein Mann in schweren Stiefeln einen prachtvollen Saal. Achtlos lässt er einen Hammer auf das wunderschöne Parkett fallen, holt mit einer Spitzhacke aus und drischt mit dumpfer Zielstrebigkeit auf den Boden ein. Unheimlichen Zwillingen begegnet man hier zwar nicht, dafür fechtenden Kröten und schussbereiten Modellschiffen. 

Regisseur Johannes Holzhausen

Regisseur Johannes Holzhausen

(Foto: Foto: R. Newald)

Mehr als zwei Jahre lang hat Regisseur Johannes Holzhausen an seinem Film über das Kunsthistorische Museum in Wien (KHM) gedreht. Den roten Faden bietet die Eröffnung der Kunstkammer des KHM. Zehn Jahre lang war die Sammlung geschlossen. Baulich und technisch war sie nicht mehr "State of the Art", wie es so schön heißt. Dieses Spannungsfeld zwischen Donaumonarchie und kühl kalkulierendem Rechnungswesen in Zeiten des Eventtourismus ist ein großes Thema der Dokumentation, die auf der Berlinale mit dem Caligari-Filmpreis 2014 ausgezeichnet wurde.

Manchmal erscheinen die Sorgen der Verantwortlichen lächerlich. Etwa wenn in einer Marketingsitzung die Schrifttype für die Ziffer 3 in einer Werbeanzeige vom Verantwortlichen als zu eckig und absolutes "No-Go" deklariert wird. Doch wo, wenn nicht in einem Museum, ist Präsentation das A und O? Und im Verteilungskampf um die öffentlichen Gelder der Zukunft muss die Kunsteinrichtung sich gegen Konkurrenten wie das Gesundheitswesen behaupten.

Betrachten mit Abstand

Dokumentationen über Institutionen - sei es die Pariser Oper, das "Vogue"-Magazin oder der CERN-Teilchenbeschleuniger - entfalten ihren Reiz meist dadurch, dass beim Blick hinter die Fassaden unbekannte Helden ins Rampenlicht geholt werden. Diesen menschelnden Faktor hat Regisseur Holzhausen sich und dem Zuschauer versagt. Er und seine Kamera bleiben pure Beobachter: Die Akteure werden nicht angesprochen oder interviewt. Namen und Positionen werden erst im Abspann genannt. Informationen zum Haus und den Sammlungsstücken gibt es nur, wenn sie in Gesprächen von Museumsmitarbeitern zur Sprache kommen.

Holzhausen bleibt in seinem Ansatz konsequent: Bei seiner Dokumentation gibt es keine Hintergrundmusik, in etlichen Szenen wird noch nicht einmal gesprochen. So ist nur das Dröhnen der Hebebühne zu hören, wenn ein Mitarbeiter unter einer Deckenplatte eine Mottenfalle kontrolliert. Oder die Schritte eines Mitarbeiters in den schier endlosen Kellergängen auf dem Weg zum Archiv.

Museum kann so spannend sein.

Museum kann so spannend sein.

Sensorisch ist "Das große Museum" über weite Strecken ein ungewohntes und durchaus außergewöhnliches Filmerlebnis.  Zuschauer, die sich von Dokumentationen eine Fülle von Informationen über das jeweilige Thema erhoffen, sind hier nicht richtig. Dabei deutet Holzhausen diverse Male an, welch spannende Geschichten es zum Haus, den Kunstwerken und Mitarbeitern zu erzählen gegeben hätte. Er ignoriert all dies zugunsten eines puristischen Filmessays, das sich dann manchmal doch etwas zu lang mit bürokratischen Ausführungen aufhält.

Petersburger Hängung im Kino

Nicht alles ist für den Massengeschmack.

Nicht alles ist für den Massengeschmack.

Fast scheint es, als ob der Regisseur die verschiedenen Bereiche des Museums wie Exponate in einer Ausstellung präsentiert. Einige Facetten werden nur aus dem Augenwinkel heraus gestreift, bei anderen verweilt der Beobachter und dringt etwas tiefer in die Materie ein. Es gibt durchaus emotionale Momente, die umso stärker hervortreten: Da ist der Direktor des British Museums, der sich während seines Besuchs kaum einzukriegen vermag vor Begeisterung für das Haus und seine Schätze. Oder der Restaurator, der bei der kniffligen Reparatur eines Modellschiffs ins Fluchen und Schwitzen gerät. Oder die Mitarbeiterin des Besucherdiensts, die mangelnde Kollegialität am Haus beklagt.

Die Dokumentation zeigt auch, wie ein Museum von seiner eigenen Geschichte ausgebremst werden kann. Zukunftsweisend ist vor allem das Marketing, das Interesse der Öffentlichkeit gilt hingegen in erster Linie den kaiserlichen Ursprüngen der Sammlungen. Ausstellungen  wie "Die Kunst der Habsburger" zwischen Maria-Theresia-Kult und Sissi-Romantik sind es, die auch im Ausland Besucher anlocken. Und so sorgt ausgerechnet der Geschmack der Massen dafür, dass fast 100 Jahre nach Ausrufung der österreichischen Republik die Schatzkammer und die Wagenburg den Zusatz "Kaiserliche" erhalten. Laut der Marktforschung ist die Monarchie eben geschäftsfördernd. Nicht jeder Mitarbeiter ist davon begeistert.

"Das große Museum" kommt am 16. Oktober in die deutschen Kinos.

Quelle: ntv.de

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