Angriff auf Kreml-Kritikerin Mann sticht Radiomoderatorin nieder
23.10.2017, 15:18 Uhr
Der Angreifer konnte noch in der Redaktion überwältigt und der Polizei übergeben werden.
(Foto: REUTERS)
Journalisten sind in Russland regelmäßig Ziel von Anschlägen. Bei einem Messerangriff in Moskau wird eine regierungskritische Radiomoderatorin schwer verletzt. Die Polizei vermutet allerdings ein persönliches Motiv hinter der Tat.
In Moskau hat ein Mann in der Redaktion des kremlkritischen Radiosenders Echo Moskwy die stellvertretende Chefredakteurin Tatjana Felgengauer niedergestochen. Er habe dem Wachmann vor der Redaktion in der Moskauer Innenstadt eine Substanz in die Augen gesprüht, sei in den 14. Stock des Gebäudes gestürmt und habe die Moderation mit einem Messer am Hals verletzt, teilte Chefredakteur Alexej Wenediktow mit.
Die 32-Jährige wurde mit schweren Verletzungen in ein Krankenhaus gebracht und operiert. Sie befinde sich im künstlichen Koma, es bestehe jedoch keine Lebensgefahr, sagten Ärzte.
Sicherheitskräfte konnten den Mann noch in der Redaktion festnehmen und übergaben ihn der Polizei. Ersten Erkenntnissen zufolge soll er eine "persönliche Abneigung" gegenüber der Journalistin empfunden haben. Demnach sagte er bei seiner Vernehmung aus, er habe seit Jahren mit Felgengauer telepathisch in Kontakt gestanden und habe sich von der Moderatorin zunehmend verfolgt gefühlt. Vor wenigen Wochen soll er mit einem Angriff gedroht haben.
38 tote Journalisten seit 1992
Felgengauer arbeitet seit mehr als zehn Jahren bei dem Radiosender, der zu den letzten regierungskritischen Medien Russlands zählt und vom Kreml geduldet wird. Die Mehrheit der Aktien hält der staatliche Energiekonzern Gazprom über seine Tochter Gazprom-Media. Die Journalisten des Senders erhalten nach eigenen Angaben immer wieder Morddrohungen. Erst im September floh die Redakteurin Julia Latynina ins Ausland, nachdem Unbekannte ihr Haus angegriffen und ihr Auto angezündet hatten.
Dem Komitee zum Schutz von Journalisten zufolge wurden in Russland seit 1992 38 Journalisten ermordet. Die Attacke auf Felgengauer werteten viele prominente Russen als weiteren Angriff auf die Pressefreiheit.Da die Behörden früher zu lasch vorgegangen seien, werde es immer wieder zu derartigen Situationen kommen, teilte die russische Journalistenvereinigung mit. "Aus den Medien wurde eine Zielscheibe gemacht", twitterte der Kremlkritiker Michail Chodorkowski. Der ehemalige sowjetische Präsident und Friedensnobelpreisträger Michail Gorbatschow sagte Felgengauer seine Unterstützung zu.
Quelle: ntv.de, chr/dpa