Panorama

"Darf kein zweites Ischgl geben" Mehr als 1000 Sylt-Urlaubern droht Quarantäne

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Auch im Restaurant "Knurrhahn" in List soll es zu Ansteckungsfällen des Personals gekommen sein.

(Foto: imago images/CHROMORANGE)

Viele Sylt-Urlauber werden in Kürze eine unangenehme Nachricht erhalten: Weil mehrere Mitarbeiter von Restaurants, in denen sie zu Gast zu waren, infiziert sind, müssen sie womöglich in Quarantäne. Der Fall weckt Zweifel am Öffnungskonzept für Tourismusregionen.

Nur wenige Wochen nach der Wiedereröffnung muss der Sylter Gastwirt Gerhard Diehm sein Restaurant wieder schließen. Ein Mitarbeiter der Küche hatte sich mit dem Coronavirus infiziert. Frühestens am 2. Juni kann der Gastronom in der Vogelkoje wieder Gäste empfangen. Auch im Restaurant Knurrhahn haben sich laut "Sylter Rundschau" Mitarbeiter infiziert. Das Blatt beruft sich auf Angaben des Kreises. Insgesamt waren Tests bei sieben Angestellten der beiden Gaststätten positiv - und das hat nicht nur für die beliebte Urlaubsinsel selbst schwerwiegende Folgen, sondern auch für Hunderte Touristen.

Die Behörden haben allein 29 Kollegen der Infizierten in die Quarantäne geschickt. Auch 55 Gäste aus dem Kreis Nordfriesland müssen sich vorsichtshalber isolieren. Ermittelt wurden daneben aber auch rund 1036 Kontaktpersonen - hauptsächlich Sylt-Urlauber, die in den beiden Restaurants zu Gast waren und von denen ein Großteil schon wieder abgereist ist. Deren Daten werden laut einem Sprecher des Kreises nun an die Gesundheitsämter ihrer Heimatorte gesendet, damit sie kontaktiert und gegebenenfalls in die Quarantäne geschickt werden können. Der Fall zeige, wie entscheidend regelmäßige Tests des Personals seien, teilte die Kreisverwaltung mit.

Erst vor einer Woche war bekannt geworden, dass ein Ehepaar nach dem Urlaub auf der Insel Anfang Mai positiv auf das Virus getestet wurde. Von der Infektion erfuhr der Kreis erst, nachdem die beiden wieder abgereist waren. Für das zuständige Gesundheitsamt war schon dieser Fall ein Albtraum: Denn das Paar hatte während seines Aufenthalts insgesamt vier Restaurants besucht. 300 Menschen, hauptsächlich Urlauber, mussten deshalb in Quarantäne. Ob sie auch getestet wurden, konnte ein Kreissprecher auf Nachfrage nicht sagen. Nach Angaben der Behörden gibt es derzeit 25 Corona-Infizierte auf der Insel, 210 Menschen sind noch in Quarantäne.

Sylt als Modellregion für Tourismus

Der Kreis Nordfriesland hatte sich erfolgreich als Modellregion für das Land Schleswig-Holstein beworben und nahm seit dem 1. Mai an der testweisen Öffnung der Tourismusbetriebe teil. Seit dem 17. Mai sind touristische Reisen im Rahmen der landesweiten Lockerungen ohnehin wieder möglich - allerdings unter strengen Voraussetzungen. In der Gastronomie - also überall dort, wo regelmäßiger Gästekontakt stattfindet - dürfen nur Beschäftigte eingesetzt werden, die alle drei Tage getestet werden. Zudem dürfen im Innenraum nur Gäste bewirtet werden, die einen maximal 24 Stunden alten Schnelltest oder einen maximal 48 Stunden alten PCR-Test vorweisen können.

Auch für die Urlauber und die Hoteliers selbst gelten einige Vorschriften. So muss jede Unterkunft ein Hygienekonzept vorlegen und die Kontaktdaten aller Gäste erfassen. Außerdem ist eine Beherbergung nur erlaubt, wenn sich die Gäste vor Reiseantritt getestet haben und dieser Test nicht älter als 48 Stunden ist. Zudem müssen Gäste spätestens alle 72 Stunden einen neuen Testnachweis vorlegen.

Zahlreiche Verstöße gegen Verordnung

Dass es trotz dieser Vorsichtsmaßnahmen zu mehreren Ansteckungsfällen gekommen ist, wirft die Frage auf, wie sicher die Konzepte für die Öffnung von Urlaubsregionen tatsächlich sind. Bereits nach Bekanntwerden des Falles rund um das infizierte Urlaubspaar hatte Landrat Florian Lorenzen die Gastronomen auf der Insel gerügt. "In Nordfriesland darf kein zweites Ischgl entstehen", hatte er gewarnt, nachdem bei Kontrollen zahlreiche Verstöße gegen die Corona-Bestimmungen festgestellt worden waren. So hätten Kellner teilweise keine Masken getragen, die Mindestabstände und auch die Sperrstunde seien ignoriert worden.

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Der Tiroler Ski-Ort Ischgl war im Winter 2020 zum Ausgangspunkt Tausender Ansteckungsfälle in ganz Europa geworden. Ermittlungen ergaben danach, dass die Tiroler Behörden schwere Fehler bei der Umsetzung von Quarantäne-Verordnungen gemacht haben. Lorenzen will deren Versäumnisse auf Sylt nicht wiederholen - und ordnete infolgedessen an, dass 20 Gastronomiebetriebe im Kreis die Zahl der gleichzeitig anwesenden Gäste auf höchstens die Hälfte beschränken müssen, auch bei der Bewirtung im Außenbereich.

Zumindest Gastronom Gerhard Diehm und sein Team versuchen Sorgen vor einem zweiten Ischgl zu zerstreuen. "Seien Sie nicht beunruhigt", heißt es auf der Website der "Vogelkoje". Inzwischen seien alle Mitarbeiter im Service sowie das übrige Küchenpersonal negativ getestet worden.

Quelle: ntv.de, jug

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