Panorama

Patientin dokumentiert Covid-19 "Mein ganzer Körper schmerzte"

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Fenja Kramer wusste lange nicht Bescheid, ob sie wirklich Covid-19 hat.

(Foto: Roman Dachsel)

Kramer besuchte gemeinsam mit ihrem Sohn Anfang März ihre alte Heimat in Tirol. Sie ahnte während ihres Aufenthalts nicht, dass sie sich dort mit Sars-Cov-2 infizierte. In einem Erfahrungsbericht erzählt die Hamburgerin, wie sie die Krankheit erlebte und welche Odyssee sie durchlitt. Die Gründerin des Eco- Magazins Peppermynta erklärt, wie sich die unbekannte Covid-19-Erkrankung für sie anfühlte.

Dieser Artikel ist eine persönliche Meinung und eine rein subjektive Darstellung meines Krankheitsverlaufs. Ich habe keine ärztliche Ausbildung und werde in meinem Erfahrungsbericht auch keine ärztlichen Ratschläge geben. Die nächsten Zeilen spiegeln wider, wie ich die letzten 21 Tage in Quarantäne verbracht habe, wie ich mich gefühlt habe und wie die Krankheit bei mir persönlich verlaufen ist. Außerdem soll mein Bericht darstellen, welche Erfahrungen ich mit dem Gesundheitssystem in Deutschland gesammelt habe. Mein Bericht dient nicht einer Verallgemeinerung des Krankheitsbildes von Covid-19-Patienten.

Der Night-Jet bringt meinen Sohn und mich Samstagnacht, vom 14. auf den 15. März, aus dem – mittlerweile als Risikogebiet eingestuften – Tirol nach Hamburg. Meine Laune ist gemischt. Die Zeit mit meinen Freundinnen in Österreich war wunderschön, die weltweite Entwicklung der Corona-Krise ist alles andere als das. Deswegen entscheiden wir uns bei Ankunft in Hamburg direkt für eine Selbstquarantäne von 14 Tagen.

Heute ist Tag 21 meiner Quarantäne. Ich habe seit 21 Tagen das Haus nicht verlassen. Außer vor einigen Tagen, als ich zur Lungenuntersuchung ins Krankenhaus musste. Ich hoffe heute, viele Tage später, dass es uns viele HamburgerInnen gleichgetan und sich in Selbstquarantäne begeben haben. Bei einer so hochinfektiösen Krankheit wie Covid-19 war es für mich gar keine Frage, dass wir uns isolieren.

Am 16. März, einen Tag nach unserer Ankunft in Hamburg, fängt es plötzlich an. Ich fühle mich schlapp und müde, habe einen Frosch im Hals, etwas erhöhte Temperatur. Zeitgleich spüre ich, dass das keine Erkältung ist und auch kein grippaler Infekt. Ich halte eine permanente Standleitung zu einer Freundin in Österreich. Außerdem wurde schon ein enger Freund von uns positiv getestet, weist aber keinerlei Symptome auf. Täglich erkundigen wir uns nach dem Gesundheitsstatus der anderen. Ist das Corona? Wir beide entwickeln nahezu zeitgleich dieselben Symptome. Und erst nach Tag drei "traue" ich mich, mir Hilfe zu holen.

Elend und angespannt

Ich habe weder hohes Fieber, noch trockenen Husten. Allerdings schmerzt mein ganzer Körper. Ich habe heftige Kopf-, Rücken-, Muskel- und Gelenkschmerzen. Ich kann aktuell sagen, dass die letzten Wochen gesundheitlich teilweise schon schlimm für mich waren. Vor allem war es eine enorme psychische Belastung. Ich habe mich noch nie im Leben so schlapp gefühlt. Morgens fühle ich mich elendig und energielos. Dann geht es mir wieder einigermaßen gut, ich telefoniere, versuche Kraft zu schöpfen. Plötzlich kommen Momente, da falle ich im Sitzen fast ohnmächtig vom Stuhl. Die Krankheit verläuft wellenartig, ich schlafe viel. Aber meine Corona-Odyssee fängt gerade erst an …

Mein erster Anruf führt mich klassischerweise zu meinem Hausarzt. Die Sprechstundenhilfe rät mir, ins UKE zu fahren, um dort einen Test zu machen. Ich entscheide mich dazu, die Nummer des ärztlichen Bereitschaftsdiensts anzurufen. Es dauert fast zwei Tage, bis ich dort morgens um 04:00 Uhr jemanden erreiche. Derweil habe ich bereits meinen kompletten Geruchs- und Geschmackssinn verloren.

Dem Herrn des Bereitschaftsdiensts schildere ich mein Problem und auch, dass ich mit mindestens sechs Personen in Kontakt war, die unter Verdacht stünden Corona zu haben oder schon positiv getestet sind. Es dauert zwei Tage, bis die kassenärztliche Vereinigung einen Mann vorbeischickt, der mich testet. Als er ankommt, ist er kaum geschützt und trägt nur einen einfachen Mundschutz. Das Teststäbchen wird mir lieblos in den Hals gesteckt. Ich muss würgen und husten. Habe ich den armen Mann jetzt angesteckt? Ich fühle mich elendig. Man würde sich melden, sagt er.

Es verstreichen fünf weitere Tage. Derweil geht es mir noch schlechter. Ich bin kurzatmig. Meine Freundin in Österreich ist mein wichtigster Anker. Sie berichtet mir von den Tipps, die sie von ihrer Ärztin bekommt: Nicht den ganzen Tag liegen, inhalieren, atmen, die Lunge "belüften". Ich sitze auf dem Balkon, mache dort "Spaziergänge" und atme tief ein und aus. Neben den Existenzängsten habe ich eine viel größere Angst im Nacken. Ich bin Ende 40, habe früher etwas geraucht und einen Burn-Out hinter mir. Packt mein Immunsystem das?

Stechender Schmerz

Am 26. März, auf dem Balkon stehend, durchfährt mein Rücken beim tiefen Atmen immer wieder ein stechender Schmerz. Ich gerate in Panik. Mein Hausarzt hat mittlerweile geschlossen - die gestern noch nette Vertretungsärztin, die mir Mut zusprach, ist heute verständnislos am Telefon. Ich habe nur einen leichten grippalen Infekt. Wenn sich das Gesundheitsamt bis heute nicht gemeldet habe, dann sei ich negativ. "Zu 100 Prozent", sagt sie und beendet das Gespräch ruppig. Meine Brust schmerzt weiter, ich wähle die 112. Auch hier begegnet mir Ablehnung, solange ich nicht positiv sei, solle ich doch bitte nicht die Notrufleitung blockieren.

Eine Stunde später: der Anruf des Gesundheitsamts. Ich bin Covid-19 positiv. Die Frau am anderen Ende ist ziemlich irritiert, als ich vor Erleichterung heule und dankbar bin über das Ergebnis. Der Test läge schon seit Tagen vor, leider konnte man uns nicht zuordnen, da der Mann, der mich testete, den Vor- und Nachnamen meines Sohnes falsch übertragen hatte und mir auch keinen Durchschlag der Testdokumentation aushändigte. Ich bin sprachlos.

Aufgrund meiner Symptome berät mich eine Ärztin des Gesundheitsamtes, die sehr kompetent und verständnisvoll ist. Sofort schickt sie mir einen Notrufwagen vorbei - denn die Kurzatmigkeit und die Schmerzen in der Brust müssen unbedingt überprüft werden. Alle Menschen, die mir auf dem Weg zu den Untersuchungen begegnen, die Krankenwagenfahrer, die Schwestern und die Ärztin sind alle besonnen und freundlich. Nach einigen Stunden im Krankenhaus mit EKG, Infusion, Lungen- und Bluttest gibt es Entwarnung und ich darf wieder nach Hause.

Wann bin ich nicht mehr ansteckend?

Nun sitze ich hier zu Hause und weiß immer noch nicht genau, wie es weitergeht. Ich fühle mich hin- und hergerissen, denn ich habe mich vollkommen alleine gelassen gefühlt. Aber ich verstehe, dass Gesundheitsamt und Gesundheitssystem vor einer völlig neuen strukturellen Herausforderung stehen, die nicht über Nacht aufgefangen werden kann.

Laut Gesundheitsamt werden die Kapazitäten weiter aufgestockt. Zeitgleich haben sie aber nicht genug Kapazität, um mich weiter zu testen, damit ich sicher weiß, wann ich nicht mehr infektiös und demnach gesund bin. Ich bin aktuell immer noch sehr schlapp. Erst wenn ich 48 Stunden beschwerdefrei bin, darf ich aus der Quarantäne entlassen werden. Vor drei Tagen habe ich jetzt die offiziellen Anordnungen des Gesundheitsamtes bekommen, zum Beispiel auch die Bitte, ein Symptomtagebuch zu führen. Das alles erreicht mich allerdings erst nach bereits 18 Tagen mit Corona.

Es geht mir immer noch nicht so richtig gut - und zeitgleich glaube ich an Besserung! Ich wache auf und freue mich auf einen Spaziergang im Park. Dinge, die sonst so normal sind, werden auf einmal so wertvoll und schön! Bleibt besonnen, beobachtet euch einige Tage, hört auf euer Bauchgefühl. Bitte blockiert die ärztlichen Hotlines nicht bei kleinen Symptomen, denkt euch keine Geschichten aus, um einen Test zu erhalten und seid verständnisvoll, mit den Menschen, die euch begegnen - denn auch sie machen so gut es aktuell eben geht ihren Job.

Dieser Text wurde von der Autorin Lara Keuthen aufgezeichnet. Den Originaltext finden Sie in ganzer Länge auf peppermynta.de.

Quelle: ntv.de

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