THW bereit für Hilfseinsatz Mindestens 820 Tote nach schwerem Erdbeben in Marokko
09.09.2023, 04:24 Uhr Artikel anhören
In Marokko bebt die Erde, Einwohner rennen in Panik aus ihren Häusern in Sicherheit. Doch für viele ist es zu spät, mindestens 820 Menschen sterben laut Angaben des Innenministeriums. Zudem soll es Hunderte Verletzte geben. Die Anteilnahme ist groß, viele Staaten wollen Helfer schicken.
Bei einem Erdbeben in Marokko sind mindestens 820 Menschen ums Leben gekommen, berichtet das staatliche Fernsehen unter Berufung auf das Innenministerium. 672 Personen seien zudem verletzt worden. Wie der geologische Dienst der Vereinigten Staaten (USGS) mitteilte, lag das Epizentrum des Bebens der Stärke 6,8 etwa 72 Kilometer südwestlich von Marrakesch im dünn besiedelten Atlas-Gebirge in einer Tiefe von 18,5 Kilometern. Zunächst war berichtet worden, das Epizentrum hätte nordöstlich von Marrakesch gelegen. Das Geofon des Helmholtz-Zentrums Potsdam gab die Stärke des Bebens mit 6,9 an. Kurze Zeit später meldete die US-Behörde ein Nachbeben der Stärke 4,9.
"Unsere Nachbarn liegen unter den Trümmern ihrer Häuser und wir versuchen, sie mit den verfügbaren Mitteln zu retten", berichtete Montasir Itri, ein Bewohner des Bergdorfs Asni unweit des Epizentrums. Die meisten Häuser dort seien beschädigt.
Einwohner der Stadt Marrakesch berichteten von eingestürzten Gebäuden in der historischen Altstadt, die zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört. Menschen würden mit bloßen Händen in den Trümmern graben und auf schweres Gerät warten, sagte der Anwohner Id Waaziz Hassan. Ein anderer berichtete von Krankenwagen, die aus der Altstadt kämen.
"Wir spürten ein sehr starkes Zittern und ich merkte, dass es ein Erdbeben war", sagte Abdelhak El Amrani, ein weiterer Bewohner von Marrakesch. "Ich sah, wie die Gebäude wackelten (...). Dann ging ich nach draußen, wo schon viele Menschen versammelt waren. Die Menschen standen alle unter Schock und waren in Panik. Die Kinder weinten und die Eltern waren verzweifelt", sagte er.
Strom und Telefonnetz fielen aus
Viele Einwohner blieben aus Angst vor Nachbeben im Freien. Der Strom und das Telefonnetz fielen vorübergehend aus. Örtliche Medien berichteten, dass eine Familie unter den Trümmern ihres Hauses in der Stadt Al-Haouz, dem Epizentrum des Bebens, begraben war.
In Videos in sozialen Netzwerken ist zu sehen, wie Häuser teilweise wie Kartenhäuser in sich zusammenbrechen. Mancherorts gibt es regelrechte Trümmerlandschaften, Autos sind unter Steinen begraben. Die Echtheit der Aufnahmen konnte allerdings bislang noch nicht verifiziert werden. Die Krankenhäuser in Marrakesch meldeten einen "massiven Zustrom" von Verletzten. Das Beben war auch in den Küstenstädten Rabat, Casablanca und Essaouira sowie im Nachbarland Algerien zu spüren.
Ein Einwohner von Essaouira rund 200 Kilometer westlich von Marrakesch sagte: "Es gibt nicht allzu große Schäden, sondern eher Panik. Zum Zeitpunkt des Bebens hörten wir Schreie. Die Menschen sind auf den Plätzen und in den Cafés und ziehen es vor, draußen zu schlafen. Teile von Fassaden sind heruntergestürzt."
Nasser Jabour, Leiter einer Abteilung des Nationalen Instituts für Geophysik, bestätigte, dass die Nachbeben weniger stark seien. Das Beben sei in einem Umkreis von 400 Kilometern zu spüren gewesen, sagte er der marokkanischen Nachrichtenagentur MAP. Es sei das erste Mal seit einem Jahrhundert, dass ein derart starkes Erdbeben in Marokko registriert worden sei.
Scholz zeigt Mitgefühl, EU bietet Hilfe an
Bundeskanzler Olaf Scholz drückte sein Mitgefühl aus. "Das sind schlimme Nachrichten aus Marokko", erklärte der SPD-Politiker am Samstagmorgen auf der Plattform X (früher Twitter). "In diesen schweren Stunden sind unsere Gedanken bei den Opfern des verheerenden Erdbebens. Unser Mitgefühl gilt allen Betroffenen dieser Naturkatastrophe." Scholz hält sich derzeit für den G20-Gipfel in der indischen Hauptstadt Neu-Delhi auf.
Die Europäische Union bot Marokko bereits Hilfe an. "Die EU ist bereit, Marokko in diesen schwierigen Momenten zu unterstützen", schrieb EU-Ratspräsident Charles Michel auf X (ehemals Twitter). Die Nachrichten aus dem Land seien schrecklich. Er sei in Gedanken bei allen, die von der Tragödie betroffen seien, und bei den Rettungskräften. Auch aus Großbritannien und Israel kamen bereits Hilfsangebote.
Auch das Technische Hilfswerk (THW) bereitet sich darauf vor, möglicherweise in dem Katastrophengebiet Hilfe zu leisten. "Wir beobachten die Lage und bereiten uns gerade auf einen möglichen Einsatz vor", sagte ein THW-Sprecher. Es liege aber noch kein Hilfegesuch aus dem nordafrikanischen Land vor. Das müsste demnach an die EU oder direkt an Deutschland gerichtet werden. Mit welchen Einsatzkräften und Geräten das THW in dem Fall ausrückt, ist den Angaben zufolge davon abhängig, was konkret aus Marokko angefordert wird. Neben Bergungsteams sind etwa Wasseraufbereitungsanlagen denkbar.
Anfang des Jahres kamen bei einem schweren Erdbeben in der Türkei und in Syrien über 50.000 Menschen ums Leben. 2004 waren bei einem Erdbeben im Nordosten Marokkos mindestens 628 Menschen getötet und 926 verletzt worden. 1980 erschütterte ein Beben der Stärke 7,3 das benachbarte Algerien. Dabei kamen 2500 Menschen ums Leben.
Quelle: ntv.de, rog/AFP/rts/dpa