Panorama

Vulgärer Empörungssturm Mit diesem Wort irritiert Merkel Amerikaner

Sie hat es wieder getan: Angela Merkel nutzte den Begriff Shitstorm am Dienstag auf dem Digitalgipfel.

Sie hat es wieder getan: Angela Merkel nutzte den Begriff Shitstorm am Dienstag auf dem Digitalgipfel.

(Foto: picture alliance/dpa)

Als sie das Internet sinngemäß als "Neuland" bezeichnete, löste Angela Merkel hierzulande Gelächter aus. Jahre später erzählt sie nun diese Anekdote. Doch wie die als besonnen geltende Kanzlerin davon spricht, stößt bei Englischsprachigen auf Unverständnis.

In Zeiten regelmäßiger digitaler Empörungswellen hat ein Wort im deutschen Sprachgebrauch Hochkonjunktur: "Shitstorm". Obwohl englischen Ursprungs, schaffte es der Begriff vor Jahren in den Duden. Dort wird die Wortverbindung als ein "Sturm der Entrüstung in einem Kommunikationsmedium des Internets, der zum Teil mit beleidigenden Äußerungen einhergeht" umschrieben. Für viele Deutsche - auch diejenigen, die ein politisches Amt bekleiden - ist dieser prägnante Ausdruck entsprechend eine gelungene Verkürzung eines ansonsten lang definierten Vorgangs.

Daher stößt es hierzulande auch nicht auf Verwunderung, wenn die "mächtigste Frau der Welt", Bundeskanzlerin Angela Merkel, in einer Rede beim Digitalgipfel in dieser Woche eine Anekdote über einen Shitstorm erzählt. Dieser erging über sie, als sie im Zusammenhang mit dem Internet von "Neuland" sprach.

Was im alltäglichen Nachrichtengeschehen eine amüsante Randnotiz ist, löst im englischsprachigen Ausland derartige Verwunderung aus, dass die renommierte "New York Times" nun in einem Artikel ihren Lesern erklärt, wie eine Regierungschefin dazu kommt, ein derart "vulgäres Wort" zu verwenden.

Denn im Gegensatz zum Deutschen ist es im Englischen eher unüblich, den Begriff Shitstorm in den Mund zu nehmen. Schließlich bedeutet er übersetzt so viel wie "Sturm aus Scheiße". In New York kann man sich nicht so ganz erklären, warum die Deutschen, die sonst für alles einen Begriff haben, in diesem Zusammenhang noch kein eigenes Wort besitzen. Und schließlich seien im Gegensatz dazu sogar Wörter wie "schadenfreude", "angst" und "zeitgeist" umgekehrt ins Englische übernommen worden.

Ursprung liegt wohl im Zweiten Weltkrieg

Vermeintliche Erklärungen, Merkel könnte angesichts der absehbaren Zeit an der politischen Spitze in Deutschland nun auf ihren Sprachgebrauch weniger achtgeben, sind der "New York Times" zufolge jedoch nicht korrekt. Vielmehr habe die Kanzlerin bereits mehrfach von Shitstorms gesprochen. Ein Umstand, der in Deutschland einfach keine Empörung auslöst.

Dennoch scheint er zumindest bei einigen englischsprachigen Menschen Unbehagen auszulösen. So twittert der Kommunikationschef der Europäischen Zentralbank, Michael Steen, dass er seit mindestens fünf Jahren versucht, seinen deutschen Kollegen zu erklären, dass der Gebrauch des Wortes im englischen Sprachraum nicht wirklich in Ordnung ist. Vergeblich.

In der englischen Ausgabe von Wikipedia heißt es, bei einem "Shitstorm" handele es sich um eine vulgäre Umschreibung ("Dysphemismus") einer chaotischen, unangenehmen Situation. Im amerikanischen Slang-Wörterbuch "Urban Dictionary" taucht der Begriff eher allgemein im Zusammenhang mit Flüchen und vermaledeiten Situationen auf.

Die dpa recherchierte im Jahr 2013 den Ursprung des Begriffs. Demnach tauchte er bereits vor 70 Jahren in Norman Mailers Roman "Die Nackten und die Toten" auf. In dem Buch, das im Zweiten Weltkrieg spielt, stand der "shit storm" für eine brenzlige Gefechtssituation. "Es scheint mir deshalb wahrscheinlich, dass das Wort aus dem amerikanischen Soldaten-Slang des Zweiten Weltkriegs stammt", schrieb der Sprachwissenschaftler Anatol Stefanowitsch damals.

Quelle: ntv.de, fzö

Social Networks
Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen