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Bald keine freien Betten mehr? Montgomery prophezeit Triage-Anwendung

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"Wir werden in den Kliniken jetzt eingeholt von den Infektionen, die vor vier Wochen stattgefunden haben", sagt Frank Ulrich Montgomery.

(Foto: picture alliance/dpa)

Seit Tagen warnen Intensivmediziner davor, dass die deutschen Intensivstationen bald an ihre Grenzen stoßen. Sollte das Infektionsgeschehen anhalten, gibt es in weniger als zwei Wochen keine freien Betten mehr. Dann könnte die Triage zum Einsatz kommen - davor warnt Frank Ulrich Montgomery.

Angesichts steigender Patientenzahlen in der dritten Corona-Welle hat der Vorsitzende des Weltärztebundes vor einer Zuspitzung der Lage in den deutschen Krankenhäusern gewarnt. "Wir werden in den Kliniken jetzt eingeholt von den Infektionen, die vor vier Wochen stattgefunden haben", sagte Frank Ulrich Montgomery der "Passauer Neuen Presse". Auch die Triage werde "mit Sicherheit" wieder im Raum stehen.

Triage bedeutet, dass Mediziner aufgrund von knappen Ressourcen entscheiden müssen, wem sie zuerst helfen. "Wir waren sehr dankbar, dass sie in den ersten beiden Wellen nicht gebraucht wurde. Es ist vorstellbar, dass es zu Situationen kommt, in denen sie angewendet wird." Es sei deshalb richtig, dass sich die Kliniken auf einen Ansturm einstellen, sagte Montgomery.

Erstmals seit Anfang Februar liegen in Deutschland wieder mehr als 4000 Corona-Patienten auf der Intensivstation. So wurden am Freitag 4515 Menschen intensivmedizinisch behandelt, wie die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) in ihrem täglichen Corona-Bericht schreibt. Mehr als die Hälfte der Covid-Patienten auf Intensivstationen werden invasiv beatmet.

In zehn Tagen kein freies Intensivbett mehr

Seit Tagen warnen Intensivmediziner davor, dass die deutschen Intensivstationen bald an ihre Grenzen stoßen. "Es brennt. Die Lage ist wirklich sehr dramatisch", sagte DIVI-Präsident Gernot Marx. "Unser Appell an die politisch Verantwortlichen ist, akut zu handeln. Jeder Tag zählt." Ohne einen schnellen und harten Lockdown für zwei bis drei Wochen werde es bald Hunderte neuer Intensivpatienten geben. Die DIVI schätzt, dass bei anhaltendem Infektionsgeschehen schon in zehn Tagen kein freies Intensivbett mehr zur Verfügung stehen könnte.

Bis Ende April sei mit mehr als 5000 Corona-Patienten auf den Intensivstationen zu rechnen, so Marx. Alarmierend sind auch seine Schilderungen zur Corona-Mutation B.1.1.7. Immer mehr Patienten mit dieser Virusvariante werden in die Kliniken eingewiesen. Sie zeigen schwerere Verläufe, oft auch Multiorganversagen. Und es treffe immer häufiger Jüngere in der Altersgruppe ab 40 Jahren. 30 Prozent der intensivmedizinisch behandelten Patienten in deutschen Kliniken sind derzeit in einem Alter zwischen 35 und 59 Jahren.

Nur jede dritte Klinik in Deutschland kann derzeit überhaupt noch Patienten auf der Intensivmedizinischen Abteilung aufnehmen. Das betrifft nicht nur Covid-19-Patienten, sondern alle, die eine stationäre, notfallmedizinische Versorgung bräuchten, so der DIVI-Chef. Die "High-Care Kapazitäten" in den Kliniken kämen an ihre Belastungsgrenze, bestätigt auch der Intensivmediziner und wissenschaftliche Leiter des DIVI-Intensivregisters, Christian Karagiannidis.

Quelle: ntv.de, hny/dpa

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