Militärjunta in Argentinien Mutmaßlicher Folterer lebt in Berlin
16.07.2020, 21:43 Uhr
Zehntausende Menschen verschwanden während der argentinischen Militärdiktatur von 1976 bis 1983 (Archivbild).
(Foto: AP)
Die Militärjunta Argentiniens ließ Zehntausende Menschen verschwinden. Einer der mutmaßlichen Täter lebt mit deutschem Pass in Berlin. Angehörige und Menschenrechtsanwälte fordern einen Prozess.
Luis K., ein wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit international gesuchter ehemaliger Offizier, lebt seit Jahren unbehelligt in Berlin. Dies erfuhr ntv.de vom Europäischen Zentrum für Verfassungs- und Menschenrechte (ECCHR) sowie argentinischen Aktivisten, die ihn ausfindig gemacht und jahrelang beobachtet haben. Der heute 72-jährige K. soll sich in Zeiten der argentinischen Militärdiktatur als Marineoffizier in der Hafenstadt Mar del Plata an Entführung, sexuellem Missbrauch, Folter und Mord beteiligt haben.
Zehntausende Menschen verschwanden unter der Militärjunta von argentinischer Armee, Luftwaffe und Marine, die von 1976 bis 1983 das südamerikanische Land regierte. Während den Tätern in Argentinien zum Teil Jahrzehnte nach Ende der Diktatur noch der Prozess gemacht wird, floh Luis K. laut ECCHR im Jahr 2013 nach Deutschland.
Gegen Luis K. erstattete Anahí Marocchi im Jahr 2008 Anzeige. Sie ist die Schwester von Omar Marocchi, der als 19-Jähriger Opfer der Militärjunta wurde und verschwand. "Ich musste nach Deutschland kommen, weil ich Gerechtigkeit für meinen Bruder erlangen will", wird Anahí Marocchi zitiert. "Ich habe Hoffnung, dass die deutsche Justiz nun dafür sorgt, dass er sich endlich seiner gerechten Strafe stellen muss." Wegen der Anzeige ermittelt die Berliner Staatsanwaltschaft in dem Fall.
Deutscher Pass: Keine Auslieferung
Anahís Bruder soll im ersten Jahr der Diktatur in Mar del Plata getötet worden sein, wo Luis K. stellvertretender Befehlshaber einer Marineeinheit war. Deren Beteiligung an den Verbrechen ist erwiesen, andere Militärs sind in Argentinien deshalb bereits verurteilt worden - zuletzt vor zwei Monaten im Mega-Prozess "Subzona 15". Unter den Verurteilten war auch Rafael Alberto Guinazú, während der Diktatur der Kommandant der Marinebasis in Mar del Plata.
Luis K. besitzt einen deutschen Pass und wird deshalb nicht an Argentinien ausgeliefert. Ein Mitglied des ECCHR war in das Land gereist, hatte Beweismaterial gesammelt und mit Opfern gesprochen. "Deutschland muss (...) ihn hier vor Gericht stellen", fordert der Anwalt und ECCHR-Generalsekretär Wolfgang Kaleck. "K.'s Staatsangehörigkeit darf ihn nicht vor Strafverfolgung schützen."
Seit rund 20 Jahren vertritt Kaleck Überlebende der argentinischen Militärdiktatur, was unter anderem 2003 zu einem Haftbefehl gegen den ehemaligen argentinischen Diktator Rafael Videla führte. In Argentinien, so Anahí Marocchi, "wäre Luis K., der mitverantwortlich für den Mord an meinem Bruder ist, längst verurteilt".
Quelle: ntv.de