1000 Meilen durch die USANevada-Roadtrip mit Cowboys und Kasinos

Geisterstädte, unberührte Natur und glitzernde Kasinos: Nevada bietet für eine Rundreise von allem etwas. Auf den Spuren der Goldgräber kommen sogar Abenteuerfans auf ihre Kosten.
Lebt eigentlich Billy Joel noch? Lange nichts gehört von ihm. Warum mir Billy urplötzlich ins Hirn schießt? Weil wir auf dem Weg nach Nevada sind und ich die Zeilen des Refrains seines Songs "Stop in Nevada" auf den Lippen habe: "Oh, and now she's headin' out to California. It's been a long time comin'. But she's feelin' like a woman tonight. And she left a little letter, said she's gonna make a stop in Nevada. Goodbye. Goodbye."
Die Nacht hat sich wie ein schwarzes Tuch über das Death Valley gelegt. Vor wenigen Stunden am Flughafen in L.A. gestartet, haben wir fast 300 Meilen Kalifornien hinter uns gelassen. Goodbye. Es ist 21 Uhr in dieser sternenklaren Juni-Nacht, und dass wir im Tal des Todes unterwegs sind, verrät ein Blick auf die Temperaturanzeige unseres Porsche Cayenne: 110 Grad Fahrenheit, das sind 42,2 Grad Celsius. Das kann ja "heißer" werden.
Wird es aber nicht. Auch nicht am nächsten Morgen nach einer kurzen Nacht in Beatty. Welcome to Nevada! Der kleine Ort, in dem es gefühlsmäßig mehr Spielautomaten gibt als Einwohner - knapp über 1000 - wäre nicht weiter erwähnenswert, wenn er nicht als Pforte zum Death Valley in jedem Reiseführer stehen würde. Und wenn es ein paar Meilen entfernt nicht Ryolite gäbe, eine Geisterstadt mit unfassbarer Historie.
Goldschätze gibt es nicht mehr
Anfang des letzten Jahrhunderts lebten dort noch mehr als 10.000 Menschen, drei Züge verkehrten regelmäßig, die Stadt galt als Metropole der Zukunft, wurde Chicago des Westens genannt. Aber letztlich verflog alles wie im Rausch, im Goldrausch. Und als die Montgomerie Mine, die einzige Goldader dort, versiegte, war es um Ryolite geschehen.
Goldrush und Ghosttowns, Gesetzlose und Glücksritter. In keinem Bundesstaat der USA mischen sich Vergangenheit und Gegenwart wie in Nevada. Und das in einer Landschaft, die durch ihre Weite und Größe beeindruckt und in der die Zeit stehen geblieben zu sein scheint. Keine 100 Meilen sind es von Beatty nach Tonopah. Aber diese fast 150 Kilometer erstrecken sich wie ein an der Schnur gezogenes schwarzes Asphaltband mit kleineren und größeren Hügeln als Bodenwellen. Kerzengerade teilt die US-95 North das weite Land, gesäumt von hohen Bergen und tiefen Tälern, in denen sich karge Steppen und saftige Weidgründe abwechseln.
Das sind Bilder wie aus einem Westernklassiker, und es braucht keine große Fantasie, sich Siedlertrecks und Rinderherden, Cowboys und Indianer, Kavallerie und Dampfrösser vorzustellen. Im Roadmovie von heute endet ein Horizont an einem Hügel, wo der neue beginnt - soweit das Auge reicht. Dazwischen liegt fast unbewohntes Niemandsland, unberührte, reine, schöne Natur. Die wie eine Botschaft wirkt, die sagen will: Ich bin Nevada, Las Vegas liegt nur in Nevada.
Glanz vergangener Tage
Auch in Toe-nuh-pah, wie man Tonopah ausspricht, sind sie stolz auf den Glanz der guten, alten Zeit. Der schimmerte silbrig, denn als James "Jim" Butler, der Gründer des 2500-Einwohner-Städtchens, im Jahr 1900 bei der Suche nach einem ausgerückten Esel glitzernde Steinbrocken entdeckte, war es bald vorbei mit der Einsamkeit dort. Allerdings erst, nachdem Ehefrau Belle ihrem zögerlichen Gatten sinnbildlich in den Hintern getreten hatte und ihn, der nicht so recht an sein Glück glauben mochte, zu diesem zwingen musste. Tonopah wurde zur Queen of the Silvercamps in Nordamerika und die gute Belle hatte nicht nur den Beinamen Mother of Nevada weg, sondern besaß zufällig auch die Silbermine mit den größten Erträgen.
Natürlich ist diese Geschichte so nur mit dem kleinsten gemeinsamen Nenner erzählt, und wer mehr über die Butlers plus manch andere Anekdote hören will, begibt sich in Tonopah direkt in den Mining Park, wo im Andenkenladen Jeff hinter der Theke steht. Der fährt einen im Allradmobil übers 113 Acres - das sind exakt 457.295 Quadratmeter - große Gelände mit der riesigen Förderanlage und den ehemaligen Minen. Dabei erzählt er Anekdoten wie die, dass ein gewisser Wyatt Earp in der Boomtown 1902 den Northern Saloon aufmachte und Bruder Virgil ein Jahr später folgte, um im benachbarten Goldfield den Sheriffstern zu tragen. Bis 1915 Schluss war mit der Silber-Hochzeit und die Förderung trotz einiger Reanimierungsversuche nicht mehr in die Gänge kam.
In den Sechzigern kaufte der legendäre und spleenige Milliardär Howard Hughes die Minen, gab allerdings bald wieder auf, als spektakuläre Funde ausblieben. So wurde schließlich der Tonopah Historic Mining Park gegründet. Ein Ort, den jährlich nicht nur rund 50.000 Besucher sehen wollen, sondern an dem auch die Tradition gepflegt wird. Vor allem bei den Jim Butler Days & Nevada State Mining Championships im Mai, wo es in der Königsdisziplin Mucking bei den starken Männern darum geht, ein altes Ore Cart mit einer halben Tonne Geröll zu füllen. James Eason, der diesjährige Gewinner, schaufelte dafür nur 2:29.74 Minuten lang!
Reno - das kleine Las Vegas
Mehr als 200 Meilen später. The biggest little city in the world nennt sich die neben Las Vegas bekannteste Stadt Nevadas. Dass weder die eine, noch die andere die Hauptstadt des US-Bundesstaates ist, sondern Carson City, wissen die Wenigsten. Dafür sind sie beide Synonym für das Glückspiel. Wobei ein Vergleich stark hinkt. Zwar blinkt im Zentrum von Reno Kasino an Kasino, aber im Vergleich zu Vegas, wo alles größer, höher und weiter sein muss und der neue Strip mit seinen luxuriösen Kasinohotels das alte, wahre Vegas längst in Vergessenheit geraten ließ, wirkt Reno wie ein nostalgischer Gegenentwurf. Das macht die größte Kleinstadt der Welt sympathisch, weil es authentisch ist und vor allem frei von Hektik. Wer glaubt, nichts versäumen zu dürfen, muss nach Las Vegas. Wer schöner reisen und dazu noch ein wenig spielen mag, ist in Reno genau richtig - und es ist für Freunde einzigartiger Automobile ein Muss.
William Fisk Harrah, genannt Bill und 1978 im Alter von 66 Jahren gestorben, besaß in den 60er-Jahren mit den Harrah's in Reno und Tahoe die beiden erfolgreichsten Kasinohotels der Welt. Nebenbei war er ein leidenschaftlicher Sammler, und die Rede ist hier nicht von seinen sieben Ehefrauen, sondern von insgesamt 1400 Autos. Nachdem er sein Imperium samt Sammlung an die Hotelkette Holiday Inn verkauft hatte, ließ die den Großteil der PS-Raritäten versteigern. Das brachte über 100 Millionen Dollar, aber zum Glück befanden sich über 200 Oldtimer in Bills Privatbesitz, zu besichtigen im National Automobile Museum zu Reno.
Besucherrausch statt Goldrausch
Die Reise führt wieder in die Vergangenheit, nach Virginia City. Das 800-Seelen-Dorf verkraftet jährlich um die zwei Millionen Touristen. Ein Besucherrausch dort, wo Ende des 19. Jahrhunderts der Goldrausch herrschte. Mark Twain buddelte dort eine Zeitlang nach dem Edelmetall, bevor er doch lieber ein wunderbarer Geschichtenerzähler wurde. Als steinerner Zeitzeuge steht auf einer Anhöhe das Piper's Opera House von 1885, und unterhalb an der Hauptstraße, wo es zu goldenen Zeiten um die 100 Salons gab, reihen sich heute Bars, Restaurants und Souvenirläden.
Knapp 30 Meilen sind es noch auf der US 50 zum Paradies, dessen Anblick einen bei Glenbrock überwältigt. Anhalten und an einem der View Points aussteigen, das Auge will es, man kann nicht anders. Zwischen Wäldern und Felsformationen liegt tief unten das blaugrün schimmernde Wasser des Lake Tahoe, an dessen Ufern sich ein Sandstrand an den anderen reiht, am Horizont tragen die Tahoe Peaks noch im Sommer schneebedeckte Zipfelmützen.
Diesen Blick vor Augen und den würzigen Kiefernduft in der Nase - das ist ein Moment für die Ewigkeit. Nicht umsonst ist der mit 35 Kilometer Länge und 19 Kilometer breite größte alpine See des nordamerikanischen Kontinents ein Traumziel. Das hat wie überall an den schönsten Orten dieser Welt dazu geführt, dass die Ufer auf Kosten der Ursprünglichkeit stark bebaut wurden. Aber zum Glück verstecken sich die Villen, Ferienhäuser und Campingplätze weitestgehend unter den Gipfeln der Kiefernwälder, keine Hochhäuser verunstalten die Idylle.
Aber es gibt sie noch, die Ursprünglichkeit. Die unwirklich schönen Strände von Cave Rock, Nevada Beach, Sand Harbour oder Chimnly Beach. Dazu einige Orte der Einsamkeit, zu denen man hinabsteigen muss, um sie dann für sich zu genießen. Ein paar Meter weiter endet unser Nevada-Roadtrip. Stateline heißt der Grenzort zu Kalifornien, und ein letztes Statement sind die Kasinos dort: Harrah's, Montbleu Resort, Hard Rock und ein paar mehr. Ein letztes Mal rollt die Roulettekugel, nichts geht mehr. Goodbye, Nevada. Goodbye.