Panorama

Virologe Streeck bei ntv "Nicht ganz so pessimistisch wie Drosten"

Das Virus ist nicht weg, es fragt sich nur, wie schlimm es uns noch einmal trifft.

Das Virus ist nicht weg, es fragt sich nur, wie schlimm es uns noch einmal trifft.

(Foto: picture alliance/dpa)

Der Virologe Christian Drosten sieht eine Corona-Herbstwelle anrollen, die nicht auf die leichte Schulter genommen werden sollte. Vorsicht empfiehlt auch sein Kollege Hendrik Streeck, glaubt jedoch an eine wesentlich höhere Schutzquote, als sie die reine Zahl der Impfungen vermuten lässt.

ntv: Es ist die Rede von einer Herbstwelle, wir sehen im Moment, dass die Todesfälle in Deutschland wieder ansteigen, obwohl sich die Inzidenz und die Ansteckungszahlen kaum bewegen. Woran liegt das?

Hendrik Streeck: Alle Experten haben seit Anfang Sommer letzten Jahres davor gewarnt, dass wahrscheinlich im Herbst und Winter die Zahlen wieder ansteigen werden. Das ist eben die Saisonalität des Virus. Dass wir jetzt trotz eines vorherigen Abflachens der Infektionszahlen einen Anstieg bei den Todesfällen sehen, liegt daran, dass diese verzögert mit der Infektion eintreten. Also: Wir sehen erst die Inzidenz, dann die Todesfälle. Zusätzlich kann ich nur dafür plädieren, dass wir uns solche Fälle genauer anschauen, dass wir besser verstehen, ob man an oder mit Covid-19 verstorben ist. Ich denke, da könnten wir sehr viel im Moment noch draus lernen - gerade auch, wenn wir einen hohen Anteil an Geimpften in der Bevölkerung haben.

In Schweden werden heute fast alle Corona-Restriktionen aufgehoben, obwohl Inzidenz und Impfquote vergleichbar mit Deutschland sind. Ist so was bei uns auch vorstellbar?

Auch wenn ich Sympathien dafür habe, dass man einen Tag hat, an dem man alle Maßnahmen zurücknimmt, den sogenannten "Freedom Day", denke ich, dass wir schrittweise und behutsam vorgehen müssen. Wir müssen nach und nach Maßnahmen zurücknehmen, sie aber weiter in der Hinterhand behalten, dass wir sie, falls die Zahlen zu stark ansteigen sollten, wieder anziehen können. Ich plädiere eher dafür, in dieser Phase agil zu sein.

Christian Drosten sieht eine Herbstwelle deshalb kritisch, weil in Deutschland die Impfquote so niedrig ist. Wie blicken Sie auf die kommenden Wochen?

Ganz so pessimistisch wie Kollege Drosten sehe ich das nicht. Ich denke, dass wir eine bessere Impfquote haben, als wir glauben. Wir haben bei den über 18-Jährigen, um die es ja eigentlich geht, eine Impfquote von 75 Prozent. Zusätzlich haben wir ja noch einen relativ hohen Anteil an Genesenen. Und wenn man den Genesenenstatus auch anhand von Antikörpertests und nicht nur belegt durch einen alten PCR-Test zulassen würde, würden wir sehen, dass wir noch eine sehr viel höhere Schutzquote haben.

Welche Maßnahmen würden sie jetzt aufheben und womit rechnen sie im Herbst und Winter?

Wo und welche Maßnahmen man aufhebt, ist eine politische Entscheidung. Ich glaube nicht, dass man jetzt große Feiern in Innenräumen haben kann. Das ist im Moment noch zu risikoreich. Ich würde auch weiter auf die 3G-Regel setzen, also auch das Testen mit einschließen. Da ich aber auch im Herbst und Winter mit einem deutlichen Anstieg der Fallzahlen rechne, müssen wir in dieser Übergangsphase von Pandemie in Endemie auch mit Übergangsmethoden arbeiten und da quick und agil versuchen, Maßnahmen anzuziehen oder auch zurückzunehmen.

Mit Hendrik Streeck sprach Marcel Wagner

Quelle: ntv.de

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