Panorama

Ebola führt zu Massen-Hausarrest Niemand darf mehr auf die Straße

Ein liberischer Soldat verhindert, dass Einwohner aus der Grafschaft Bomi in die Hauptstadt Monrovia kommen. Ein Versuch, zu verhindern, dass sich das tödliche Ebola Virus weiter verbreitet.

Ein liberischer Soldat verhindert, dass Einwohner aus der Grafschaft Bomi in die Hauptstadt Monrovia kommen. Ein Versuch, zu verhindern, dass sich das tödliche Ebola Virus weiter verbreitet.

(Foto: dpa)

Sierra Leone verhängt eine dreitägige Ausgangssperre für Millionen Menschen. In Liberia darf schon seit Ende August niemand mehr nachts aus dem Haus. Seuchenexperten und Menschenrechtler sind besorgt - doch nicht nur darüber.

Die internationalen Appelle werden dramatischer, die Maßnahmen gegen die Ausbreitung der Seuche drastischer. Rund sechs Millionen Menschen in Sierra Leone sollen bis Sonntag ihre Häuser nicht mehr verlassen. Es ist eine der bislang spektakulärsten staatlichen Maßnahmen im verzweifelten Kampf gegen die Seuche. Mit Ausgangssperre, Massenquarantänen oder Grenzschließungen versuchen die Regierungen der betroffenen Staaten und ihre Nachbarländer eine Ausbreitung des tödlichen Virus zu verhindern.

Bislang vergeblich: Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) starben mehr als 2460 Menschen. Insgesamt 5000 Menschen infizierten sich. Besonders leiden Sierra Leone, Liberia und Guinea. Die Regierung von Sierra Leone will bis Sonntag rund 20.000 freiwillige Helfer von Tür zu Tür schicken, um Infizierte zu identifizieren und Leichen wegzuschaffen. Weitere Isolationszentren, darunter in Schulen, sollen nach Behördenangaben eingerichtet werden. Experten rechnen mit 5 bis 20 Prozent neuer Fälle, die entdeckt werden könnten.

Ärzte Ohne Grenzen Mitarbeiterin Lucie Perardel prüft den Sitz ihrer Brille als einen Teil ihrer Schutzkleidung.

Ärzte Ohne Grenzen Mitarbeiterin Lucie Perardel prüft den Sitz ihrer Brille als einen Teil ihrer Schutzkleidung.

(Foto: dpa)

Für den früheren Chef der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen, die in Westafrika mit an vorderster Front gegen die Seuche kämpft, ist das ein weiteres Schreckensszenario: Die staatlichen Stellen wären mit großen neuen Patientenzahlen schlicht überfordert, sagt Jean-Hervé Bradol. Ohnehin glaubt Bradol, dass Sierra Leone sich mit der Aktion übernimmt: "Das Land hat nicht die Kapazitäten, in drei Tagen jeden Haushalt zu besuchen."

Für die Helfer sei es zudem äußerst schwierig", "akkurate" Diagnosen im Schnellverfahren zu stellen, kritisiert die Organisation. Aber selbst wenn mutmaßliche Infizierte identifiziert würden, hätte Sierra Leone nicht genügend Behandlungsplätze für diese Fälle.

Schutzmaßnahmen verfehlen ihr Ziel

Joe Amon, Leiter der Abteilung für Gesundheit und Menschenrechte bei der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) warnte vor dem Effekt, dass "übermäßig ausgedehnte Quarantänen und andere rechtsverletzende Maßnahmen" sogar die "Bemühungen zur Eindämmung der Ebola-Epidemie unterlaufen können". Besser wäre es sicherzustellen, dass die Menschen Zugang zu Gesundheitsinformationen und Behandlung hätten, schrieb Amon zu Wochenanfang auf der HRW-Website. Einschränkungen der Mobilität dürften nur erfolgen, wenn es unbedingt notwendig sei.

Ähnlich problematisch sehen Experten Grenzschließungen, wie sie bereits von Senegal, der Elfenbeinküste und Gambia vorgenommen wurden. Michael Kinzer von der US-Seuchenschutzbehörde CDC sagte: "Grenzen schließen ist wie Augen verschließen." Besser wäre es, wenn die Länder "ihr Geld und ihre Energie" darauf verwendeten, ihre Gesundheitssysteme vorzubereiten, um angemessen reagieren zu können, "damit sich das Virus nicht ausbreitet". Die Vereinten Nationen befürchten, dass bis zum Jahresende rund 20.000 Menschen mit dem Ebola-Virus infiziert sein könnten.

Außnahmezustand gefährdet Pressefreiheit

Experten weisen noch auf andere gesellschaftliche Folgen  der Epidemie hin: So ist laut HRW insbesondere in Liberia die Pressefreiheit in Gefahr. Die Medien seien "leider" zum "arglosen Opfer" von Behörden geworden, kritisierte der Vorsitzende des liberianischen Presseverbandes, Abdullai Kamara. Der am 6. August verhängte Ausnahmezustand werde dazu benutzt, die "Rechte der Medien" einzuschränken.

Bereits Anfang des Monats hatte der Verband in einem Brief an Justizministerin Christiana Tah "Verletzungen" der Pressefreiheit in Liberia angeprangert. Als Beispiele wurden die Schließung der Zeitung "National Chronicle" und Durchsuchungen bei der investigativen Zeitung "FrontPage Africa" genannt. Auch die Vernehmung der Chefredakteurin der Zeitung "Women Voices" wegen eines Berichts über Korruptionsvorwürfe gegen für die Ebola-Prävention zuständige Polizeibeamte wurde vom Presseverband kritisiert.

Der "National Chronicle" sei von den Behörden vorher aufgefordert worden, zurückhaltend zu berichten, erklärten die Organisationen Reporter ohne Grenzen und das Committee to Protect Journalists (CPJ). CPJ fordert von der Regierung "Toleranz". Und HRW konstatierte einen von "fehlendem Wissen, Angst, Verleugnung und tiefem Misstrauen" gekennzeichnetem Umgang mit Ebola.

Quelle: ntv.de, Olivier Thibault, AFP

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