Panorama

Wegen oder mit Infektion? Omikron füllt die Krankenhäuser

Zimmer auf Normalstationen müssen für Covid-19-Patienten speziell vorbereitet und betrieben werden.

Zimmer auf Normalstationen müssen für Covid-19-Patienten speziell vorbereitet und betrieben werden.

(Foto: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild)

Die Omikron-Welle türmt sich in Deutschland auf, immer mehr Covid-19-Patienten kommen in die Kliniken. Die Lage ist ernst, es muss aber nach der Schwere einer Corona-Erkrankung unterschieden werden, und bei weitem nicht alle Patienten werden wegen einer Infektion eingeliefert.

Omikron verbreitet sich in Deutschland rasend schnell, die Fallzahlen erreichen bisher nie dagewesene Höhen. In Hamburg liegt die 7-Tage-Inzidenz bereits über 1500, in Berlin-Mitte nähert sie sich 3000 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner. Doch die Inzidenzen verlieren durch eine zunehmende Untererfassung immer mehr an Aussagekraft, und entscheidend ist letztendlich, wie viele Menschen an Covid-19 schwer erkranken und ins Krankenhaus müssen. Auch hier steigen die Zahlen rapide an. Doch man muss genau hinsehen, denn die neuen Corona-Intensivfälle halten sich bisher in Grenzen, und nur ein Teil der Patienten wurde ins Krankenhaus aufgrund einer Infektion eingewiesen.

Steigende Hospitalisierungsinzidenzen

Dem RKI-Dashboard zufolge ist die adjustierte Hospitalisierungsinzidenz in Deutschland seit dem 7. Januar von rund 5,5 auf etwa acht Fälle pro 100.000 Einwohner und Woche angestiegen. In der aktuellen Omikron-Hochburg Hamburg kletterte der Wert von 7,5 auf nahe 14.

CoronavirusAdjustierte Hospitalisierungsinzidenz

Die Daten im Dashbord werden "adjustiert": Das heißt, die Corona-Krankenhausaufnahmen müssen wegen mangelhafter Daten geschätzt werden, relativ genau sind nur etwa zwei Wochen alte Zahlen. Das liegt vor allem daran, dass das deutsche Gesundheitssystem bei der Datenerhebung und -verwaltung enorm umständlich ist. "20 Jahre Blockade und Partikularinteressen haben das Gesundheitswesen digital auf gehobenem Brieftauben-Niveau verharren lassen", twitterte kürzlich der Leiter des DIVI-Intensivregisters, Christian Karagiannidis.

Außerdem kommen Patienten gewöhnlich erst einige Tage, nachdem sie den Gesundheitsämtern als positiv gemeldet wurden, ins Krankenhaus. Die Behörden müssen ihre Daten also nachträglich abgleichen. "Da die Hospitalisierungsinzidenz zudem gemäß Erkrankungsdatum und nicht dem Einweisungsdatum berechnet wird, kann es sogar sein, dass ein Fall gar nicht in die 7-Tage-Inzidenz einfließt, weil der oder die Betroffene erst nach acht, neun oder mehr Tagen in die Klinik musste", berichtete der rbb.

Berlin geht direkten Weg

Das Berliner Landesgesundheitsamt (Lageso) bezieht seine Daten deshalb seit etwa zwei Wochen direkt aus dem Krankenhaus-Register IVENA, wodurch die Corona-Ampel bei den Hospitalisierungen schlagartig auf Rot umsprang. Die Krankenhaus-Zahlen der Hauptstadt, deren 7-Tage-Inzidenz mit rund 1500 Neuinfektionen die zweithöchste Deutschlands ist, sind seitdem aber verhältnismäßig zuverlässig und zeigen sehr gut die Entwicklung.

Man sieht, dass die Zahl der stationär behandelten Covid-19-Patienten in Berlin nach einem Rückgang seit Ende November, seit Mitte Dezember wieder stark nach oben geht und inzwischen den zweithöchsten Wert seit Pandemiebeginn erreicht hat. Dabei nimmt aber bisher nur die Zahl der Fälle auf den Normalstationen zu, die am 23. Januar von insgesamt 793 Patienten 618 ausmachten. Hier verdoppelt sich die Auslastung aktuell alle 30 Tage, die Hospitalisierungsinzidenz kletterte in den vergangenen zwei Wochen von 10,6 auf 16,8 Fälle pro 100.000 Einwohner und Woche.

Auf den Intensivstationen der Hauptstadt hat sich die Situation dagegen im gleichen Zeitraum weiter entspannt. Sie versorgten am 23. Januar 172 Corona-Patienten, am 12. Dezember waren es noch 252. Zuletzt hat sich der Rückgang allerdings verlangsamt und die Zahl der Covid-19-Intensivfälle ist sogar auf 191 angestiegen. Dabei könnte es sich aber auch um Nachmeldungen handeln.

Rund die Hälfte mit anderen Diagnosen

Woher kommt der große Unterschied zwischen Corona-Patienten auf Normalstationen und in Intensivbehandlung? Um diese Frage zu beantworten, blickt man am besten nach Großbritannien, wo die Informationslage vorbildlich ist. Außerdem ist das Vereinigte Königreich in der Pandemie einige Wochen voraus, dort hat die Omikron-Welle bereits nach dem Jahreswechsel ihren Höhepunkt erreicht, und mit der 7-Tage-Inzidenz geht es dort seitdem steil bergab.

Inzwischen ist in Großbritannien auch die Anzahl der Covid-19-Patienten im Krankenhaus rückläufig. Zuvor stieg sie etwas zeitversetzt zu den Neuinfektionen stark an und verdoppelte sich seit dem 1. Dezember bis zum 6. Januar auf rund 4000 Fälle im 7-Tage-Schnitt. Die Zahl der Corona-Intensivpatienten nahm im gleichen Zeitraum aber nur gering von 135 auf 245 zu. Inzwischen ist sie wieder auf nahe 180 gesunken.

Der National Health Service (NHS) des Vereinigten Königreichs hat für die Diskrepanz zwischen leichteren und sehr schweren Covid-19-Fällen in den Kliniken eine einfache Erklärung. Seiner jüngsten Statistik zufolge waren am 18. Januar von rund 14.600 Patienten lediglich 7900 wegen der Infektion im Krankenhaus. Die anderen wurden wegen anderen Beschwerden eingeliefert und erst dort positiv getestet.

Das gleiche Phänomen kann man in den USA beobachten. Laut "San Francisco Chronicle" sind 40 Prozent der Corona-Fälle in San Francisco "mit" Covid-19 im Krankenhaus, in Massachusetts ist das dem "Commonwealth Magazine" zufolge bei rund der Hälfte der Fall, in Boston sei mehr als die Hälfte der Patienten erst nach ihrer Einweisung positiv getestet worden, berichtet NBC.

Vermutlich ähnliche Verhältnisse in Deutschland

In Deutschland gibt es keine vergleichbaren offiziellen Daten. Das RKI sagte dem ZDF, eine Unterscheidung sei "im Einzelfall schwierig". So könne die Ursache für die Hospitalisierung nicht immer eindeutig ermittelt werden, beispielsweise wenn Personen mit Vorerkrankungen und Covid ins Krankenhaus kämen. Außerdem seien "die Gesundheitsämter angesichts der hohen Fallzahlen derzeit sehr stark belastet, und die Daten können daher nur unvollständig erhoben und übermittelt werden. Eine bundesweite Auswertung ist derzeit daher nicht belastbar."

In Deutschland ist aber mit einer ähnlichen Entwicklung zu rechnen. Kürzlich sagte Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey nach einem Klinik-Besuch, nahezu alle Omikron-Patienten seien dort wegen anderer Krankheitsbilder.

Die Kliniken haben trotzdem große Probleme. Denn einerseits ist eine Hälfte der Patienten tatsächlich wegen Covid-19 im Krankenhaus, was bei entsprechend hohen Inzidenzen noch sehr viele werden können. Zudem bedeuten alle Corona-Fälle, egal aus welchem Grund sie eingeliefert wurden, einen großen Aufwand. Sie müssen isoliert untergebracht und behandelt werden. Zusätzlich kann eine Covid-19-Erkrankung den Zustand von Patienten verschlechtern, die mit anderen Diagnosen eingewiesen wurden.

Intensivstationen noch nicht aus dem Schneider

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Die im Verhältnis zur Anzahl der Infektionen geringe Intensiv-Quote ist offensichtlich darauf zurückzuführen, dass die Omikron-Variante wesentlich seltener zu schweren Verläufen führt als Delta. Die britische Gesundheitsbehörde UK Health Security Agency (UKHSA) geht davon aus, dass das Risiko, wegen Omikron ins Krankenhaus zu kommen, etwa halb so groß wie bei Delta ist. Das Risiko, ein Intensivfall zu werden, sei rund zwei Drittel geringer, schreibt sie.

Doch auch die Intensivstationen können noch nicht aufatmen, denn bei einer entsprechend hohen Zahl von Infektionen könnten dort in der Omikron-Welle trotzdem noch viele Covid-19-Patienten landen. Die Entwicklung muss nicht so wie in Großbritannien verlaufen, vor allem weil die Bundesrepublik bei den älteren Menschen schlechtere Impfquoten hat. Rund 3 Millionen über 60-Jährige sind laut RKI-Daten in Deutschland nach wie vor völlig ungeschützt.

Quelle: ntv.de

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