Janssens besorgt über Kliniklage "Politiker brauchen ein bisschen Nachhilfeunterricht"
28.10.2021, 16:32 Uhr
Die steigenden Corona-Zahlen wirken sich inzwischen auch auf die Belegung der Intensivbetten aus. Chefarzt Uwe Janssens ist sich sicher: Auf die Krankenhäuser kommt in den nächsten Wochen ein enormer Kraftakt zu. Das liegt auch an einer nachlassenden Impfwirkung, sagt er im Gespräch mit ntv.
ntv: Vielerorts spitzt sich die Lage auf den Intensivstationen wieder zu. Wie sieht es bei Ihnen aus?
Janssens: In Eschweiler haben wir zwei Phänomene. Wir haben zunehmend mehr Patientinnen und Patienten mit Covid-19. Sowohl auf den Normalstationen, die sind auch zunehmend belastet, das dürfen wir nicht vergessen, und auf der Intensivstation. Genau die gleichen Bilder, landauf, landab. Deshalb sind wir natürlich ein bisschen unglücklich darüber, dass falsche Signale gesendet werden, wie etwa "Ende der pandemischen Lage" oder "Wir sind gut durchgeimpft". Man muss den Politikern an dieser Stelle nochmal ein bisschen Nachhilfeunterricht geben. Wir beobachten derzeit ganz eindeutig, dass die Impfwirkung von Anfang des Jahres deutlich nachlässt. Das wissen wir aus Israel. Das ist die erste Gefahr. Die zweite Gefahr sind immer noch die Ungeimpften. Das sind wirklich viele Millionen Menschen. Die Signale, die von der Politik ausgegangen sind, mit dem Ende der pandemischen Lage, unterstützen natürlich die Skepsis und Abwehrhaltung von Ungeimpften noch mehr. Deswegen werden die nächsten Wochen sicherlich nicht gemütlich, sondern eher ungemütlich.
Wie bereiten Sie sich auf die kommenden Wochen vor?
Erstens ist es so, dass wir sehr müdes und abgekämpftes Personal haben. Da können wir im Moment nichts mehr dran ändern. Aber das sind Menschen, die mit Herzblut arbeiten und das auch noch durchstehen. Aber mit Blessuren. Zweitens, wir sind schon im letzten Jahr daran gewöhnt gewesen, Maßnahmen zu ergreifen, um die Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen. Lokal, überregional als auch in ganz Deutschland. Die Systeme stehen. Wir wissen, was wir zu tun haben und wann der Punkt gekommen ist, auch Operationen runterzufahren, damit wir Kapazitäten gewinnen. Das wird uns erwarten, wenn die Infektionsdynamik sich so weiterentwickelt, wie wir das gerade sehen. Nächste Woche sind es vielleicht 40.000 Neuinfektionen pro Tag. Das kommt irgendwann definitiv auf den Intensivstationen an.
Wie groß ist Ihr Verständnis darüber, dass einige Menschen sich immer noch nicht impfen lassen?
Ich kenne Menschen, die sagen das zu mir und da kann ich sagen, was ich will. Ich erreiche sie nicht. Die haben eine ganz feste Meinung zu den Dingen. Das ist ihre persönliche Sache und das muss ich einfach akzeptieren. Ich bin, ehrlich gesagt, sehr traurig darüber. Es sind die ewigen Argumente, die wir auch von ganz prominenten Fußballspielern hören: Die Langzeitnebenwirkungen sind nicht bekannt und deshalb lasse ich mich nicht impfen. Das sind pseudowissenschaftliche Einschätzungen, die man einfach so nicht stehen lassen kann, aber man muss es akzeptieren. Wenn sie sich selber anstecken, ist das noch das Eine. Das Andere ist die Gefahr, die sie für andere Menschen sind. Als asymptomatische Virusträger sind sie durchaus in der Lage, verletzliche, empfindliche und ältere Patienten anzustecken. Das macht einen traurig. In der Gemengelage ist es eine Enttäuschung, dass wir nicht in der Lage sind, dieses unglaubliche Geschenk der Impfungen anzunehmen, wie es uns tatsächlich gegeben ist.
Mit Uwe Janssens sprach Daniel Schüler.
Quelle: ntv.de