Nach Angriff in Aschaffenburg Polizist wegen Strafvereitelung gegen Messerstecher verurteilt
28.10.2025, 15:06 Uhr Artikel anhören
Bereits vor dem tödlichen Angriff im Januar 2025 fiel der angeklagte Afghane polizeilich auf.
(Foto: picture alliance/dpa)
Im Januar 2024 ersticht ein afghanischer Flüchtling zwei Menschen in einem Park in Aschaffenburg. Bereits Monate zuvor griff er seine Freundin mit einem Messer an. Weil deshalb kein Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde, verurteilt ein Gericht den zuständigen Polizisten zu einer Haftstrafe.
Weil ein Polizist nach einer möglichen Straftat nicht gegen einen mutmaßlichen Messerstecher in Franken ermittelte, hat ihn das Amtsgericht Alzenau zu fünf Monaten Haft verurteilt. Die Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt, die Bewährungszeit auf drei Jahre festgelegt. Zudem muss er 3000 Euro zugunsten einer Hilfsorganisation zahlen.
Der 29-Jährige habe sich der Strafvereitelung im Amt schuldig gemacht, sagte Richter Torsten Kemmerer. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig.
Der Angeklagte hatte als polizeilicher Sachbearbeiter kein Ermittlungsverfahren eingeleitet, obwohl eine Frau im August 2024 in einer Flüchtlingsunterkunft in Alzenau (Landkreis Aschaffenburg) von ihrem Freund angegriffen worden sein soll. Der verdächtige Flüchtling soll fünf Monate später in Aschaffenburg zwei Menschen mit einem Messer getötet haben.
Anklage plädiert für Haftstrafe
Die Staatsanwaltschaft hatte für den angeklagten Polizisten eine Haftstrafe von eineinhalb Jahren verlangt. Der 29-Jährige habe gewusst, dass in Alzenau jemand verletzt worden sei und es Fotos gegeben habe: "Er wusste das", sagte Oberstaatsanwalt Christoph Gillot. Dennoch habe er nicht ermittelt. "Wir haben eine gefährliche Körperverletzung mit einem Messer."
"Wir wissen es wegen der Spurenlage (…), vom Video, und wir wissen es von den Angaben der Zeugen." Durch das Unterlassen des Sachbearbeiters, die Staatsanwaltschaft zu informieren, sei nichts in die Wege geleitet worden. Dies sei als vollendete Strafvereitelung im Amt zu werten - Gillot unterstellte dem Beamten Gleichgültigkeit.
Ob durch Ermittlungen gegen den psychisch kranken Afghanen die tödliche Messerattacke in Aschaffenburg verhindert worden wäre, sei ungewiss, sagte Gillot. Das sei auch unerheblich für diesen Fall.
Die Verteidigung hatte auf Freispruch plädiert. Es sei nicht erwiesen, dass sein Mandant von einem Messer und den Verletzungen der Frau gewusst habe. Zudem sei eine gefährliche Körperverletzung für ihn nicht bewiesen.
Fünf Monate nach dem Vorfall gibt's Tote
Der Verdächtige konnte nach der Attacke unbehelligt weiter in der Unterkunft leben. Am 22. Januar fuhr er nach Angaben von Ermittlern nach Aschaffenburg, griff im Park Schöntal eine Kitagruppe an und tötete ein Kleinkind und einen Mann. Der Geflüchtete soll Stimmen gehört haben, die ihn dazu bewegt haben sollen.
Der 28-Jährige ist nach Angaben eines Gutachters paranoid schizophren und war bei der Tat in Aschaffenburg wahrscheinlich schuldunfähig. Wegen Mordes und anderer Vorwürfe steht der geständige Mann derzeit vor dem Landgericht Aschaffenburg, das voraussichtlich am Donnerstag sein Urteil in dem sogenannten Sicherungsverfahren sprechen wird. Die Staatsanwaltschaft will den Flüchtling in einer psychiatrischen Einrichtung unterbringen lassen.
Keine Kommunikation unter den Einsatzkräften
Warum der angeklagte Beamte im Fall Alzenau nicht ermittelte, konnte im Prozess nicht geklärt werden. Allerdings wurde deutlich, dass es in der Polizeiinspektion damals Kommunikationsprobleme gab. So hatten sich die am Tatort eingesetzten vier Beamten nur unzureichend ausgetauscht. Dass ein Messer im Spiel gewesen sein soll, wussten sie nach eigener Aussage nicht. Nur einer der Polizisten registrierte die Verletzungen des Opfers und dokumentierte diese per Handy - eine ordentliche Vernehmung der Frau oder von Zeugen blieb aus.
Ob sich der Angeklagte nun einem Disziplinarverfahren stellen muss, ist unklar. Nach Angaben des Polizeipräsidiums Unterfranken werden bei Disziplinarverfahren mögliche Dienstpflichtverletzungen bewertet und gegebenenfalls sanktioniert. Bislang gab es keine Sanktionen für den Mann, er ist weiter im Dienst, wie er selbst vor Gericht angab. Liegt der Verdacht einer Straftat vor, wird laut Polizei die Einleitung eines Disziplinarverfahrens geprüft.
Quelle: ntv.de, gri/dpa