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Sexualtherapeutin erklärt Wann Pornos zum Problem für die Partnerschaft werden

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Pornos gehören für viele Erwachsene zum Alltag. Viele Partner sehen die Erotikfilme als Konkurrenz.

Pornos gehören für viele Erwachsene zum Alltag. Viele Partner sehen die Erotikfilme als Konkurrenz.

(Foto: Marcus Brandt/dpa)

Pornokonsum ist für viele längst Alltag - harmlos, privat, normal. In Partnerschaften führt das Schauen von Pornos aber oftmals zu Spannungen. Vor allem ein Aspekt ist problematisch: die Heimlichkeit.

Pornos sind im digitalen Zeitalter aus den Suchverläufen der Deutschen nicht wegzudenken. Weltweit liegt Deutschland auf Platz acht des Porno-Rankings, abgeschlagen hinter den USA, Großbritannien und Frankreich. Der durchschnittliche Porno-Konsument ist laut Techniker Krankenkasse 37 Jahre alt und beginnt schon im Teenager-Alter mit dem Schauen der Erotikfilme. Mit dem Beziehungsstatus hat der Pornokonsum wenig zu tun. In einer Studie der Justus-Liebig-Universität in Gießen gaben 75 Prozent der befragten Männer an, in einer Beziehung zu sein und dennoch rund 15 Stunden im Monat mit dem Konsum von Pornos beschäftigt zu sein. Genaue Prozentzahlen darüber, wie häufig Frauen Pornos konsumieren, gibt es keine - lediglich, dass der Konsum steigt, belegen einige Erhebungen.

Diese noch immer vorherrschenden Geschlechtsunterschiede überraschen die Sexualtherapeutin Ursina Donatsch. Laut ihrer Studie zum Thema "Pornos und Partnerschaft" mit über 1000, meist heterosexuellen Paaren, schauen Männer mehr Pornografie als Frauen, Frauen fühlen sich hingegen viel leichter vom Pornokonsum ihrer männlichen Partner verunsichert. "Viele Frauen beziehen das Pornoschauen des Partners auf sich selbst. Sie empfinden das als Konkurrenz. Dann entsteht das Gefühl, dass sie dem Partner nicht reichen", erklärt Donatsch im Gespräch mit ntv.de.

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Dass einen selbst der Pornokonsum des Partners verunsichere, sei zunächst ein normales Gefühl, sagt die Schweizer Paartherapeutin. "Wer kennt das Gefühl grundsätzlich nicht, dass man für den Partner oder die Partnerin die einzige attraktive Person sein möchte?", sagt sie. Wichtig sei, dieses Gefühl offen anzusprechen. Die größte Gefahr, die Pornos für eine Partnerschaft darstellen, sei die Heimlichkeit, erklärt Donatsch. "Denn der Pornokonsum des Partners oder der Partnerin ist grundsätzlich keine Bedrohung für die gemeinsame Sexualität."

Lust, Liebe, Leidenschaft - Gründe für Pornokonsum

Die Gründe für das Schauen von Pornos sind ganz unterschiedlich und haben in den meisten Fällen nichts mit dem gemeinsamen Sex in der Paarbeziehung zu tun. "Bei den meisten dienen sie zur Erregungssteigerung als Quelle für die Solosexualität, nichts mehr als das. Und das hat wenig mit der gemeinsamen Sexualität zu tun, denn die beruht in den meisten Fällen auf Liebe, Verbundenheit, Gefühlen und Genuss", erklärt Donatsch.

Andere Gründe für den Pornokonsum können Entspannung und Stressabbau, Selbstentdeckung, die Erfüllung individueller Bedürfnisse oder eine Ergänzung zur partnerschaftlichen Sexualität sein.

Wann werden Pornos zum Problem?

"Pornos können zum Problem für die Beziehung werden, wenn diese Ängste entstehen und nicht darüber gesprochen wird", sagt Donatsch. "Dann passiert ein blöder Teufelskreis. Je mehr Angst ein Partner hat und sich unsicher fühlt, desto mehr macht er es heimlich."

Diese Heimlichkeit habe einen spürbar negativen Effekt, denn dadurch werde die andere Person noch misstrauischer. "Sie denkt, er habe etwas zu verheimlichen, sonst könnte er ihr einfach sagen: Ja, ich habe gestern einen Porno geschaut", erklärt Donatsch. Für die Männer beginnt dann ein Versteckspiel der eigenen Sexualität. "Je mehr ich mit schlechtem Gewissen, heimlich und mit Schuldgefühlen Pornos schaue, desto weniger genieße ich das, was ich da mit meinem Körper mache." Das führe weit weg vom Genuss durch die körperliche Erregung und habe Auswirkungen auf den partnerschaftlichen Sex. Viele Männer entwickeln durch diese Negativspirale Erektionsprobleme, was die Spannungen in der Partnerschaft zusätzlich verstärke.

Für den Pornokonsum bedeutet das, dass der Reiz immer größer und stärker werden muss, um den gleichen Effekt zu haben. Manche nutzen mehrere Bildschirme, andere schauen immer härtere Szenen oder schneller wechselnde Filme hintereinander.

Wenn der Reiz der Erregung zur Sucht wird

Dass Pornos zur Sucht werden, passiert nur sehr selten. "Etwa drei Prozent haben einen wirklich problematischen Konsum von Pornos", sagt Donatsch. Vielen Betroffenen, meistens Männern, falle das auch selbst auf. Die Konsequenzen können gravierend sein. Schon 2014 hat ein Team aus Wissenschaftlern der Charité und des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung herausgefunden, dass übermäßiger Pornokonsum von Männern das Belohnungssystem des Gehirns nachhaltig verändern kann. Außerdem könne er zu Kontrollverlust, Vernachlässigung anderer Lebensbereiche und psychischen Problemen wie Depressionen führen.

In der Therapie sei eine Sucht jedoch gut zu behandeln, sagt Donatsch. Dann gehe es darum, zu lernen, den eigenen Körper wieder bewusst zu spüren. Ein wichtiges Vehikel sei, die visuellen Erregungsreize wegzunehmen und bewusst in sich zu spüren und zu lernen, den Körper selbst für die Erregung zu nutzen. Mit der Zeit gelinge es dann, von der visuellen Überreizung durch Pornos wegzukommen.

Lieber gemeinsam statt heimlich einsam

Darauf verzichten müsse man aber nicht - im Gegenteil. "Ich rate vielen Paaren, sich gemeinsam Pornos anzuschauen", erklärt die Sexualtherapeutin. Dafür gebe es zwei Gründe. "Einerseits kann man das als mögliche Variante nutzen, um die Erregung als Paar zu steigern", sagt Donatsch. Zudem kommen Paare so ins Gespräch über sexuelle Wünsche und Fantasien. Das tabuisieren selbst langjährige Paare oftmals.

Ein solches Gespräch sollte man offen und ohne Vorwürfe starten. Der wichtige Unterschied ist hier: Dass man Pornos schaut, sollte man nicht verheimlichen, welche das sind, muss man aber nicht offenlegen. Fantasien seien sehr persönlich, viele davon selbst dem Partner gegenüber schambehaftet. Diese müsse man nicht teilen, wenn man sie mit dem Partner nicht ausleben möchte.

Genau wie die Sexualtherapeutin das Gespräch über die eigene Sexualität in Beziehungen anregt, wünscht sie sich auch einen enttabuisierten Umgang in der Gesellschaft. "Statt zu verteufeln, sollte man schauen, ob es auch andere Pornos mit moderneren Rollenbildern gibt, geprägt durch weibliche Regisseurinnen", sagt Donatsch.

Quelle: ntv.de

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