Panorama

"Die SMS des 19. Jahrhunderts" Postkarte wird 150 Jahre alt

Die älteste Postkarte der Welt wurde am 1. Oktober 1869 in Österreich-Ungarn verschickt.

Die älteste Postkarte der Welt wurde am 1. Oktober 1869 in Österreich-Ungarn verschickt.

(Foto: Thomas Rostek)

Wenn ein Medium durch die Jahrhunderte und bis heute genutzt wird, dann ist es zeitlos und machtvoll. Bei der Postkarte scheinen die "Entwickler" vor 150 Jahren alles richtig gemacht zu haben. Die "Correspondenz-Karte" hat bis heute Erfolg.

Es gibt wohl wenig, was die Postkarte noch nicht erlebt hat. Ob beide Weltkriege, die Goldenen Zwanziger, oder die Teilung Deutschlands: Die kleinen Karten aus Pappkarton werden seit 150 Jahren und bis zum heutigen Tag massenhaft durch die ganze Welt verschickt.

Das Berliner Museum für Kommunikation zeigt dafür in der Jubiliäumsausstellung "Mehr als Worte. 150 Jahre Postkartengrüße" 500 ausgesuchte Postkarten. Dabei sind die Exponate nur ein winziger Teil der gesamten Sammlung. "Wir haben 200.000 Exemplare und haben die Sammlung um weitere Karten für die Ausstellung ergänzt. Uns ist aber natürlich klar, dass man Vollständigkeit ohnehin nicht erreichen kann", erzählt Veit Didczuneit n-tv.de.

Veit Didczuneit leitet die Sammlung im Berliner Museum für Kommunikation.

Veit Didczuneit leitet die Sammlung im Berliner Museum für Kommunikation.

(Foto: Thomas Rostek)

Der 55-jährige Historiker ist Sammlungsleiter im Museum für Kommunikation und damit Herr über die Postkarten. "Die Idee für den Vorläufer der Postkarte wurde hier in Berlin im Jahr 1865 geboren, aber der preußische Generalpostdirektor lehnte zunächst dankend ab", so Didczuneit.

Angst vor schmutzigen Nachrichten

Die Kritiker der Postkarte fürchteten eine Verwässerung des Briefgeheimnisses. Außerdem dachten sie, die Postkarte würde dazu anstiften, sich unanständige Kurznachrichten zu schicken. Nicht zuletzt sorgte sich die preußische Postadministration um wirtschaftliche Einbußen, weil eine Postkarte auch in der damaligen Zeit günstiger war als ein vollwertiger Brief. Eingeführt wurde die Postkarte trotzdem, zunächst 1869 im ehemaligen Österreich-Ungarn.

Die schmucklose "Correspondenz-Karte" galt in ihren Anfängen weniger als Ansichtskarte und vielmehr als reines Kommunikationsmittel. Nach den anfänglichen Bedenken der preußischen Postadministration wurde die Postkarte ein Jahr später auch in Deutschland offiziell eingeführt. In der Gesellschaft sei die Ablehnung nicht so groß gewesen, sagt Didczuneit. "Die Postkarte war damals eine echte Innovation. Sie ist so etwas wie die SMS des 19. Jahrhunderts. In den ersten drei Monaten nach Einführung wurden bereits rund drei Millionen Karten verschickt."

Der Tristesse der Bleiwüsten auf den Pappkarten wichen 16 Jahre später Zeichnungen und Bilder. Zwar habe man bereits im Vorfeld versucht, die schlichten Karten mit Vignetten und Zeichnungen zu verzieren, aber der Nachfolger der Postkarte - die Ansichtskarte - mit großen, teils farbigen Drucken kam erst 1885 in Umlauf. "Die Bilder wurden größer und größer. Ab den 1890er-Jahren begann dann der Farbsteindruck, das war der Startschuss für eine wahre Bilderflut auf Ansichtskarten", so Didczuneit.

Milliarden Karten im Ersten Weltkrieg

Trotz der anfänglichen Startschwierigkeiten war der Weg für den Siegeszug der Postkarte geebnet. In ihrer heutigen Form gibt es die Postkarte seit dem Jahr 1905. "Irgendwann hatte man gar keinen Platz mehr, um noch einen handschriftlichen Text auf die Karte zu bringen. Also platzierte man rechts die Anschrift, links den kurzen Text. Und ein schönes vollflächiges Bild auf der anderen Seite. Schon damals war es verpönt, das Bild zu überschreiben", sagt Sammlungsleiter Didczuneit. Gleichzeitig habe sich die Postkarte auch deshalb durchgesetzt, weil man floskelhaft schreiben konnte: "Man musste keine langen Briefe mehr verfassen. Es reichte: 'Wetter gut, Essen schmeckt, Hotel prima!' Diese Reduktion auf das Wesentliche hat der Postkarte auch zum Erfolg verholfen."

Ihre Blütezeit erlebte die Postkarte im Ersten Weltkrieg, als Soldaten ihren Familien milliardenfach Lebenszeichen von der Front zukommen ließen. Bis in die 1980er-Jahre wurden knapp eine Milliarde Postkarten verschickt. Danach ging es bergab: 2018 zählte die Deutschen Post nur noch 155 Millionen verschickte Postkarten - Tendenz weiter fallend.

Didczuneit sieht die Telekommunikation und das Internet als Hauptgründe für den Rückgang. Dass die Postkarte noch nicht tot ist, hat seiner Meinung aber auch mit dem globalen Tourismus zu tun: "Je weiter man weg fährt, umso wahrscheinlicher ist es, eine Postkarte zu schreiben. Für viele Menschen gehört das zur Tradition." Mehr als die Hälfte der Deutschen schreibt heute noch Postkarten aus dem Urlaub.

Digitale Postkarte ist die Zukunft

Didczuneits Lieblingsmotiv wurde um 1900 gedruckt.

Didczuneits Lieblingsmotiv wurde um 1900 gedruckt.

(Foto: Thomas Rostek)

Für den Historiker hat die Postkarte im Gegensatz zur Echtzeitkommunikation immer noch einen entscheidenden Vorteil - das Überraschungsmoment: "Es ist schön, neben all den Rechnungen im Briefkasten auch mal eine Postkarte zu finden. In der heutigen Zeit einen handschriftlichen Brief zu erhalten, das ist ein seltenes und großes Geschenk. Eine Postkarte ist somit also ein kleines Geschenk."

Um die gute alte Postkarte in die Neuzeit zu hieven, bieten junge Start Ups seit einigen Jahren halbdigitale Versionen der Postkarte an. Man lädt ein Selfie oder einen Schnappschuss vom Traumstrand in einer App hoch, schreibt einen kurzen Grußtext und verschickt dann digital eine Postkarte, die gedruckt beim Empfänger im Briefkasten landet. "Ich halte relativ viel von hybriden Postkarten", so Didczuneit. "Ich habe so erst kürzlich Fotos von einem tollen Abendessen mit Freunden als Postkarte verschickt."

Didczuneits Lieblingsexponat gibt es aber nicht digital, es ist um das Jahr 1900 entstanden. Ein Pärchen steht vor einem Baum in einer hügeligen Landschaft. Das besondere an der Karte ist die Häufigkeit, mit der sie zugestellt wurde: "Der Liebhaber hat seiner Verehrten vier solcher Karten am Tag geschickt. Mit Grüßen zum Morgen, Mittag, zum Abend und zur Nacht." Wenn man es genau nehme, sei das der Vorläufer des WhatsApp-Chats eines verliebten Pärchens. Die Postkarte ist so vielfältig wie die Geschichten, die sie als Medium transportiert. "Hinter jeder einzelnen Karte steckt ein kleiner Kosmos", sagt er.

Quelle: ntv.de

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