Corona-Explosion in Kita Schrozberg kämpft gegen Inzidenz von über 1000
18.03.2021, 17:01 Uhr
Je kleiner eine Kommune, desto schwerer fällt ein Ausbruch statistisch ins Gewicht: Ein Virus-Cluster in einer Kita katapultiert die baden-württembergische Gemeinde Schrozberg auf eine Inzidenz von über 1000. Doch die Not macht erfinderisch: Schnell entsteht in dem Ort eine eigene Teststrategie.
Helmut Hüttner kann nur noch staunend auf die Zahlen schauen, die ihm Tag für Tag auf seinem Computer-Bildschirm erscheinen. "Es verschärft sich von Tag zu Tag", sagte der Hauptamtsleiter der kleinen Gemeinde Schrozberg im Hohenloheschen. "Das zieht schon noch Kreise." Und wie. Denn innerhalb von nur einer Woche ist aus seiner Kommune einer der bundesweit am stärksten belasteten Corona-Hotspots geworden. Wegen der geringen Einwohnerzahl verfünffachte sich die Sieben-Tage-Inzidenz in nur einer Woche und erreichte einen rechnerisch astronomischen Wert von 1065,5 Fällen pro 100.000 Einwohner. Insgesamt wurden in diesem Zeitraum 62 Neuinfektionen in der 5800 Einwohner-Kommune registriert, wie der Landkreis mitteilte. Weitere Großausbrüche sind nach Angaben der Schrozberger Verwaltung allerdings nicht bekannt.
In den benachbarten Gemeinden und Städten sieht es zwar deutlich besser aus, allerdings liegt die Zahl der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen auch dort stark über dem Landesdurchschnitt. Der Landkreis Schwäbisch Hall ist das Sorgenkind in der baden-württembergischen Corona-Skala.
In Schrozberg hatten sich zunächst reihenweise Erzieherinnen in einem Kindergarten der Kommune mit der britischen Mutation des Virus infiziert und krankgemeldet, danach legte die Inzidenz von Tag zu Tag zu. Helfen soll unter anderem ein provisorisches Testzentrum, in dem sich Einwohner Schrozbergs, aber auch Menschen aus den benachbarten Gemeinden im Kreis Schwäbisch Hall seit der vergangenen Woche untersuchen lassen können. "Die eine Hälfte meines Personals ist im Laden, die andere in der Stadthalle", erzählt Apothekerin Birgit Kammleiter. Sie hatte das kleine Zentrum mit viel Pragmatismus und Einsatz initiiert. Die Kosten für die Tests rechnet sie über die Kassenärztliche Vereinigung ab.
Zu viel Bürokratie
In acht Umkleidekabinen mit Sichtschutz werden seitdem Dutzende Menschen am Tag getestet. "Das war dringend nötig", sagte Kammleiter. "Nach einem Jahr mit dem Virus sind alle müde zu hören, dass sie Abstand halten und eine Maske tragen sollen. Es wurde Zeit, dass wir hier etwas anbieten." Allerdings kritisiert sie die bürokratischen Hürden und Fallstricke: "Es ist zeitraubend. Wir haben aber als Ärzte und Apotheker tagtäglich mit dem Thema zu tun, da könnte man uns auch mehr zutrauen."
Wenig hilfreich sei daher auch das jüngste Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Mannheim zu den Quarantäneregeln für Kontaktpersonen von Kontaktpersonen gewesen, sagte Hauptamtsleiter Hüttner. Das Gericht hatte eine Regelung des Landes außer Vollzug gesetzt, nach der Kontaktpersonen von Menschen, die mit einem mit einer Virusvariation Infizierten in Berührung gekommen sind, sich ebenfalls absondern müssen. "Das ist kontraproduktiv. So verlieren wir den Überblick", sagte Hüttner.
Schwäbisch Hall auf Platz sieben der Hotspots
Auch die Stadt Crailsheim, knapp 30 Kilometer von Schrozberg entfernt, bleibt weiter stark belastet: Dort wurde die Inzidenz am Donnerstag mit 517,4 angegeben, allerdings ist Crailsheim auch deutlich größer als Schrozberg. In der Stadt hatten Ausbrüche in Kindergärten und einer Unterkunft für Flüchtlinge sowie in mehreren Betrieben für den deutlichen Anstieg gesorgt. Als Konsequenz haben unter anderem die Grundschulen und die Klassen 5 und 6 nicht wie landesweit auch seit Montag geöffnet, sondern unterrichten frühestens nach den Osterferien ab dem 12. April in Präsenz.
Der Landkreis Schwäbisch Hall steht mit einer Inzidenz von 271,9 auf Platz sieben der Hotspot-Regionen in Deutschland. Seit dem Morgen fährt ein Testbus durch den Kreis, in dem erstmals kostenlose Antigen-Schnelltests für Schüler angeboten werden. Zunächst sollte der Bus Crailsheim anfahren, am Freitag wird er in Schrozberg erwartet. Außerdem gibt es eine verstärkte Maskenpflicht in der Innenstadt unter anderem von Schwäbisch Hall und Crailsheim, Geschäfte und Lokale sind geschlossen, es sind zudem besondere Regeln beim Einkaufen in Lebensmittelgeschäften vorgeschrieben.
Als Reaktion auf die hohen Fallzahlen erließ Schwäbisch Hall am Abend zudem eine tagsüber geltende Ausgangsbeschränkung. "Der Schutz der Bevölkerung hat oberste Priorität, von daher müssen wir die Kontaktbeschränkungen noch einmal verschärfen und die Ausgangssperre tagsüber erlassen", teilte Landrat Gerhard Bauer mit. Die Regelung solle ab Samstag in Kraft treten. Das Verlassen der Wohnung sei dann nur noch aus triftigem Grund - wie etwa zum Einkaufen, dem Weg zur Arbeit oder Bewegung an der frischen Luft - erlaubt. Zu den genauen Uhrzeiten, zu dem die Regelung greifen sollte, machte der Landkreis bislang keine Angaben.
Das Infektionsgeschehen in Deutschland wird in der Regel mit Sieben-Tage-Inzidenzwerten auf Kreis- und Landesebene abgeschätzt. Aufgrund der verhältnismäßig geringen Fallzahlen können Inzidenzwerte auf Gemeinde-Ebene bereits durch kleinere Ausbrüche stark schwanken und so mitunter ein verzerrtes Bild abgeben. Auch der Freistaat Sachsen listet für einzelne Kommunen Inzidenzen auf. In Kodersdorf zum Beispiel beträgt der Sieben-Tage-Wert demnach aktuell 1238,6. In dem Ort leben allerdings auch nur 2422 Einwohner. Es liegen also lediglich 30 neue Ansteckungsfälle vor.
Quelle: ntv.de, mau/dpa