Smiling Depression Wenn ein Lächeln tiefe Traurigkeit kaschiert
26.08.2024, 08:46 Uhr Artikel anhören
Hinter einem unbeschwerten Lächeln kann sich eine tiefe Verstimmung verbergen.
(Foto: picture alliance / dpa Themendienst)
Nur weil eine Person sich in Gegenwart anderer stets froh und mit einem Lächeln zeigt, bedeutet das nicht, dass es auch in ihrem Inneren so positiv aussieht. In Fachkreisen ist ebenjenes Verhalten auch als Smiling Depression bekannt. Die psychische Erkrankung ist eine Form der Depression und als solche ernst zu nehmen. Denn Diagnose und Hilfe seien hier oftmals schwerer, wie Dr. Andreas Hagemann, Psychiater und Ärztlicher Direktor der Privatkliniken Duisburg, Eschweiler und Merbeck, erklärt.
Was ist eine Smiling Depression?
Dr. Andreas Hagemann: Depressive Menschen wirken auf ihr Umfeld längst nicht immer schwermütig und traurig. Auch hinter einem stets fröhlichen und unbeschwerten Lächeln kann sich eine tiefe Verstimmung verbergen. Smiling Depression nennt sich diese psychische Erkrankung. Menschen mit dieser atypischen Depression unterdrücken und verbergen ihre wahren Gefühle und inneren Konflikte vor ihren Mitmenschen. Oftmals sind sie sich ihrer Probleme nicht bewusst oder befürchten, negativ bewertet zu werden - was Diagnose und Hilfe erschwert.
Was sind typische Anzeichen für die Krankheit?
Prinzipiell gibt es bei den Diagnosekriterien zwischen einer typischen und einer atypischen Depression keine Unterschiede. Eine Smiling Depression kann auch als "hochfunktionale Depression" bezeichnet werden, da sich die Beschwerden zunächst wenig bis gar nicht auf den Lebensalltag auswirken. Bei dieser atypischen Form einer Depression versuchen Betroffene, ihre Verstimmungen durch "gute Laune" zu kaschieren. Die allgemeinen Symptome einer Freud- und Lustlosigkeit bei zuvor als angenehm erlebten Tätigkeiten, einer abnormen Erschöpfbarkeit oder Antriebsverlust sowie eine depressive Stimmung die meiste Zeit des Tages über mehr als zwei Wochen gelten aber auch hier. Häufig stehen jedoch neben Stimmungsschwankungen ein erhöhtes Schlafbedürfnis, ein verstärktes Verlangen nach übermäßigem Essen sowie eine geringe Kritikfähigkeit und ein Schweregefühl in Armen und Beinen im Vordergrund.
Inwiefern unterscheidet sich eine Smiling Depression von anderen Formen der Depression?
Smiling Depression ist kein eigentlicher Fachbegriff. Er verdeutlicht jedoch ein häufig zu beobachtendes Verhalten bei Menschen mit einer sogenannten atypischen Depression, da sie die typischen, oben beschriebenen Symptome kaschieren. Betroffene versuchen ihre Erkrankung durch eine aufgesetzte positive Stimmung zu überspielen, einen "normalen Lebensalltag" aufrechtzuerhalten und somit ihre Depression zu verheimlichen. Sie möchten nicht auffallen und erst recht nicht zur Last fallen, haben ein starkes Bedürfnis nach Harmonie. Die stets "lächelnde Maske" fällt nur dann, wenn sich Betroffene unbeobachtet fühlen. Negative, oft extrem selbstkritische und abwertende Gedanken, eine leichte Irritierbarkeit durch andere und die oft mit einer depressiven Erkrankung einhergehenden körperlich erlebten Schmerzen werden als "normale Hoch- und Tiefphasen" oder als sonstige körperliche Symptome und Erkrankungen erklärt.
Wie gefährlich ist eine Smiling Depression?
- Bei Suizidgefahr: Notruf 112
Deutschlandweites Info-Telefon Depression, kostenfrei: 0800 33 44 5 33
- Beratung in Krisensituationen: Telefonseelsorge (0800/111-0-111 oder 0800/111-0-222, Anruf kostenfrei) oder Kinder- und Jugendtelefon (Tel.: 0800/111-0-333 oder 116-111)
- Bei der Deutschen Depressionshilfe sind regionale Krisendienste und Kliniken zu finden, zudem Tipps für Betroffene und Angehörige.
- In der Deutschen Depressionsliga engagieren sich Betroffene und Angehörige. Dort gibt es auch eine E-Mail-Beratung für Depressive.
- Eine Übersicht über Selbsthilfegruppen zur Depression bieten die örtlichen Kontaktstellen (KISS).
Betroffene machen auf Außenstehende einen gesunden Eindruck. Sie führen scheinbar ein ganz alltägliches Leben ohne psychische Probleme. Dadurch bleibt die Schwere der Erkrankung oft selbst der Familie und dem Partner verborgen. Korrigierende Rückmeldungen, die wichtige Hilfestellung durch nahestehende Personen und die (Für-)Sorge anderer bleibt aus. Trotz der belastenden Konflikte wird oft keine professionelle Hilfe in Anspruch genommen. Ist die Hürde sich Hilfe zu suchen einmal genommen, werden misslingende Versuche im Rahmen der selbstkritischen, abwertenden Gedanken als persönliche Niederlage erlebt, weitere Versuche bleiben bei fehlender Energie oft aus. Die Suizidrate ist relativ hoch.
Wie oft kommt diese Art von Depression vor?
Insgesamt fünf Millionen Deutsche leiden hierzulande unter den verschiedenen möglichen Formen einer Depression. Fachärzte gehen davon aus, dass jeder Fünfte in seinem Leben einmal an dieser psychischen Störung erkrankt. Zwischen 15 und 40 Prozent aller depressiven Menschen leiden schätzungsweise unter einer Smiling Depression. Betroffen sind vielfach Menschen, die es nicht gelernt haben, Schwächen zu zeigen und ihre Umwelt nicht mit eigenen Problemen belasten wollen. Sie überspielen ihre Traurigkeit durch stets gute Laune und Hilfsbereitschaft. Fälschlicherweise denken sie häufig, nur wegen dieser positiven Eigenschaften von ihren Mitmenschen akzeptiert und geliebt zu werden. "Nur, wenn ich eine Leistung erbringe, werde ich gesehen und bekomme Anerkennung" ist eine weitverbreitete Selbstzuschreibung. Auch Perfektionisten sind daher besonders oft von einer Smiling Depression betroffen.
Wie wird eine Smiling Depression behandelt?
Leide ich länger als drei bis vier Wochen unter depressiven Verstimmungen, so sollte der Hausarzt konsultiert werden. Er kann beurteilen, ob weitere Fachärzte aufgesucht werden sollten oder ob psychologische Hilfe angebracht ist. Dabei gilt: Je frühzeitiger die Therapie beginnt, desto kürzer und leichter ist in der Regel die Behandlung. Gerade bei einer Smiling Depression ist dies eine der Schwierigkeiten, da sie oft maskiert und weder vom Betroffenen noch seinem Umfeld wahrgenommen wird.
Während bei leichteren Depressionen meist eine Psychotherapie ausreicht, kommen bei mittelschweren und schweren Formen üblicherweise Psychopharmaka (Antidepressiva) hinzu. Dies vor allem auch, da die Verfügbarkeit von Psychotherapie mit dem Bedarf nicht mithalten kann. Die stimmungsaufhellenden Medikamente helfen auch bei einer Smiling Depression, den Stoffwechsel im Gehirn wieder ins Lot zu bringen.
Hilfreich sind viel Bewegung, genügend Schlaf sowie positive soziale Kontakte. Auch Entspannungsmethoden wie Progressive Muskelrelaxation oder Autogenes Training sind empfehlenswert. Denn: Kontinuierliche Zeiten im Entspannungsmodus fördern die körperliche und geistige Regeneration. Außerdem ermöglichen sie es dem Patienten, besser mit belastenden Situationen und Stress umzugehen. Darüber hinaus kann es auch helfen, dem Leben durch ein Ehrenamt oder andere soziale Aufgaben einen Sinn zu geben.
Quelle: ntv.de, kse/spot