Panorama

Urvolk will unter sich bleibenSo leben Sentinelesen in völliger Isolation

23.11.2018, 19:09 Uhr
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Von den Sentinelesen gibt es lediglich Luftaufnahmen. (Foto: REUTERS)

Vor wenigen Tagen betritt ein US-Bürger die Insel North Senitel. Seinen Besuch bei den Sentinelesen wird der Tourist nicht überleben. Was ist über das Volk bekannt, das in völliger, selbst gewählter Abgeschiedenheit lebt und sich stets mit Pfeilen verteidigt?

Der gewaltsame Tod des 27-jährigen US-Bürgers John Chau hat eines der am stärksten isolierten Völker der Erde in den Blickpunkt gerückt. Angehörige des Stammes der Sentinelesen auf der Andamanen-Insel North Sentinel beschossen Chau mit Pfeilen, als dieser unerlaubterweise auf die Insel kam und versuchte, die Bewohner zu missionieren.

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North Sentinel Island. (Foto: AP)

Über das winzige Inselvolk, das jeglichen Kontakt zur Außenwelt und moderne Einflüsse auf seine Lebensweise ablehnt, ist nur wenig bekannt. Die indische Regierung akzeptiert den Wunsch der Inselbewohner nach Abgeschiedenheit und verbietet es, sich den Bewohnern auf weniger als fünf Kilometer zu nähern. Auf das Fotografieren und Filmen der Sentinelesen stehen mittlerweile strenge Strafen. Umso größer ist die Faszination, die das Inselvolk ausübt.

North Sentinel gehört zu den indischen Andamanen und liegt etwa 50 Kilometer westlich von Port Blair, der Hauptstadt des Archipels im Indischen Ozean. Mit einer Fläche von rund 75 Quadratkilometern ist die Insel nur etwa ein Zwölftel so groß wie Berlin.

Volk besteht aus rund 150 Menschen

Nach Angaben der Organisation Survival International, die sich für den Schutz indigener Völker einsetzt, stammen die Sentinelesen von den ersten Gruppen des Homo sapiens ab, die von Afrika in andere Erdteile wanderten. Auf den Andamanen leben sie demnach bereits seit 60.000 Jahren. Andere Experten halten dies nicht für erwiesen, gehen aber zumindest davon aus, dass die Sentinelesen bereits seit mehreren Tausend Jahren dort siedeln.

Da Fremden der Zugang zu North Sentinel verboten ist, kann die Zahl der Bewohner nur geschätzt werden. Es sollen rund 150 Sentinelesen sein. Auf den wenigen Fotos, die aus der Luft von ihnen gemacht wurden, ist zu erkennen, dass sie dunkle Haut haben und keine Kleidung tragen.

Allerdings fertigen sie offenbar aus Blättern und anderen Naturmaterialien Schmuck wie Ketten oder Stirnbänder an. Chau schrieb kurz vor seinem Tod nieder, dass die Inselbewohner etwa 1,65 Meter groß und ihre Gesichter mit gelbem Puder bemalt seien.

Jäger und Sammler, aber keine Steinzeitmenschen

Die Sentinelesen sind ein Volk der Jäger und Sammler und finden ihre Nahrung im Wald, der praktisch ihre gesamte Insel bedeckt, sowie im Meer. Laut Survival International ist jedoch nicht davon auszugehen, dass die Entwicklung der Sentinelesen in der Steinzeit stehen geblieben ist. So verwendeten sie mittlerweile auch Metall, das sie auf Schiffswracks finden oder das vom Meer angespült wird.

Der indische Anthropologe T. N. Pandit gehört zu den wenigen Fremden, die die Sentinelesen je von Nahem gesehen haben. Im September erzählte er der Wissenschafts-Website "Down to Earth", bei seiner Expedition im Jahr 1967 auf North Sentinel habe er eine Siedlung mit 18 Hütten und großen Lebensmittelvorräten gesehen, darunter Früchte und geräucherter Fisch.

Als es 2004 durch ein Erdbeben im Indischen Ozean ein Tsunami etliche Küsten des Indischen Ozeans überflutete, stieg drei Tage später ein Hubschrauber in die Luft, um nach den Sentinelesen zu sehen. Über North Sentinel angekommen, wurde der Hubschrauber sofort von den Inselbewohnern mit Pfeilen beschossen. Wie viele indigene Völker hatten auch die Sentinelesen den Tsunami ohne große Verluste überstanden. Denn die Angehörigen hatten das Zurückziehen des Meeres richtig gedeutet und waren rechtzeitig in höher gelegene Gebiete geflohen.

Quelle: kpi/AFP

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