Drogen und Kinderpornografie So nutzen Kriminelle das Darknet
10.10.2017, 15:19 UhrEin kleines Mädchen wird missbraucht und dabei gefilmt - das Material wird anschließend über das Darknet verbreitet. Erst eine Fahndung mit dem Bild des Opfers überführt den mutmaßlichen Täter - denn die Strafverfolgung ist im Darknet oftmals kompliziert.
Ein kleines Mädchen wird monatelang missbraucht und dabei gefilmt - das Material verbreitet der Mann anschließend über ein Darknet-Forum. Erst nachdem die Polizei ein Foto des Mädchens veröffentlicht, kann der Täter durch Hinweise aus der Öffentlichkeit überführt werden. Denn die Verschlüsselung im Darknet, die eigentlich dem Schutz von Dissidenten, Verfolgten und Whistleblowern dient, macht die Fahndung nach Kriminellen oftmals kompliziert.
Fakt eins - das Darknet bietet ein Maximum an Anonymität
Während das Surface Web - das für uns gewohnte und durch Suchmaschinen wie Google erfasste Internet - durch einen gewöhnlichen Browser zugänglich ist, findet das Darknet unter der Oberfläche statt. Es ist Teil des Deep Web, also dem Teil des Webs, der von Suchmaschinen nicht erfasst werden kann. Um Seiten aufzurufen ist eine Verschlüsselung notwendig, das populärste Netzwerk ist Tor ("The Onion Router"). Es verhindert, dass der Ort des Senders und des Empfängers ausgelesen werden kann. Anders als beim gewöhnlichen Surfen, verbindet sich der Computer nicht direkt mit dem Server, auf dem eine Website liegt. Stattdessen ist eine Reihe von Servern involviert, um größtmögliche Anonymität herzustellen. Wer im Darknet eine Seite anfordert, wird zunächst verschlüsselt mit einem beliebigen Netzwerk-Teilnehmer verbunden, der die Anfrage letztlich auf die gesuchte Seite weiterleitet. Tor führt allerdings nicht direkt ins Darknet: Um auf eine Seite zugreifen zu können, muss die dazugehörige URL bekannt sein. Die Adressen sind meist eine kryptische Aneinanderreihung von Zahlen, Buchstaben und Sonderzeichen, die auf .onion enden. Sie sind teilweise über eine einfache Google-Suche zu finden, andere werden nur im Darknet weitergegeben. Zur Hilfe können das HiddenWiki oder die TorLinks herangezogen werden.
Fakt zwei - das Darknet ist nicht illegal
Das Deep Web umfasst die Seiten, die weder von Google noch Bing oder Yahoo indiziert werden. Das Dark Web ist die Unterordnung des Deep Web und umfasst alternative Netzwerke wie das Tor-Netzwerk, Freenet oder I2P-Netzwerk des Invisible Internet Project. Der Begriff Darknet beschreibt ein Peer-to-Peer-Overlay-Netzwerk, dessen Teilnehmer ihre Verbindung untereinander herstellen.
Über Tor kann sich zunächst einmal jeder Zugang zum Deep Web verschaffen. Vor allem für zwei Gruppen ist die Nutzung aufgrund der hohen Anonymität relevant. Menschen, die auf den Schutz der Anonymität für ihre Kommunikation und den Austausch sensibler Daten angewiesen sind, bilden die eine. Das können Dissidenten, Oppositionelle oder politisch Unterdrückte sein, aber auch Whistleblower oder Journalisten, denen die Anonymisierung dabei hilft, ihre Quellen zu schützen. Beispielsweise nutzten Aktivisten des Arabischen Frühlings das Tor-Netzwerk, um über Social Media Informationen über die Revolution zu verbreiten. Befürworter betonen, dass die Meinungsfreiheit durch das Deep Web gestärkt werde - beispielsweise in Zensurländern wie China. Nur so seien sie vor staatlicher Kontrolle geschützt. Die andere Gruppe, und vermutlich weitaus größere, sind jedoch Kriminelle, die das Darknet für illegale Zwecke benutzen.
Fakt drei - das Darknet ist ein Mekka für Kriminelle
Das Darknet bietet schier unbegrenzte Möglichkeiten, illegale Dienstleistungen und Produkte zu kaufen beziehungsweise zu verkaufen. Das reicht von Drogen und Waffen bis hin zu Pornografie und Gewaltdarstellungen. Es gibt eine Reihe von illegalen Kryptomärkten, die hochprofessionell agieren und somit den Pendants im legalen Onlinehandel, beispielsweise Amazon, in nichts nachstehen. Die Plattformen AlphaBay und Hansa Market, die diesen Sommer vom FBI dingfest gemacht wurden, hatten im Deep Web eine beachtliche Vertriebsstruktur aufgebaut: Mehr als 40.000 Händler versorgten weltweit mehr als 20.000 Kunden mit ihren illegalen Waffen und Dienstleistungen. Gehandelt wurden unter anderem harte Drogen, Waffen, Juwelen, Falschgeld, gefälschte Ausweispapiere, ausgespähte Kreditkartendaten oder Internet-Kundenkonten. Die Zustellung der Bestellungen erfolgte oftmals per Post. Auch Viren und Schadsoftware werden im Darknet gehandelt: Mit sogenannten Crimewarekits können Täter Viren und Schadsoftware nach ihren eigenen Wünschen konfigurieren.
In Deutschland geriet das Darknet in den Fokus, weil die Spur des Münchner Attentäters dorthin führte. Er soll dort die Waffe gekauft haben, mit der er am Olympia-Einkaufszentrum später neun Menschen tötete.
Fakt vier - der Tausch von Kinderpornografie läuft nicht über diese Marktplätze ab
Der wohl dunkelste Aspekt der Darknet-Nutzung, der Tausch von Kinderpornografie, ist nicht über Tor-Märkte organisiert. So waren beispielsweise auf AlphaBay kinderpornografische Inhalte oder Auftragsmorde strikt verboten. Bilder missbrauchter Kinder werden in versteckten Tor-Foren unter Pädophilen getauscht. Dort fand die Polizei auch Bilder eines kleinen Mädchens, dessen Fotos sie mit der Bitte um Hinweise auf die Identität veröffentlich hatte. Das Mädchen war zwischen Oktober 2016 und Juli 2017 mehrfach sexuell missbraucht worden. Der mutmaßliche Täter, den die Fahnder inzwischen festnehmen konnten, soll Aufnahmen des sexuellen Missbrauchs gemacht und anschließend auf einer kinderpornografischen Plattform verbreitet haben. Die Polizei entschied sich für die ungewöhnliche Opfer-Fahndung, weil sich durch die Verschlüsselung im Darknet keine Rückschlüsse auf die Identität des Mannes ziehen ließen.
Vor wenigen Monaten sorgte die Abschaltung von "Elysium", einer Plattform zum Austausch von Kindesmissbrauch-Pornografie für Aufsehen. Auch hier half ein Hinweis aus der Öffentlichkeit zu einem der Opfer bei der Überführung der Täter. Obwohl die Darknet-Plattform nur wenige Monate existierte, erreichte sie mehr als 87.000 Mitglieder. Die Szene ist nach Angaben des BKA gut vernetzt - Hinweise zu neuen Seiten würden schnell weitergegeben.
Fakt fünf - die Strafverfolgung ist schwierig, aber nicht unmöglich
Zu den Problemen, die die nahezu vollständige Anonymität des Darknets mit sich bringt, erschweren oftmals strukturelle Probleme die Ermittlungsarbeit. Internetkriminalität erstreckt sich zumeist auf mehrere Länder und erfordert die Kooperation zwischen den beteiligten Polizeibehörden. Die Verschlüsselung zu knacken, um Kriminellen auf die Spur zu kommen, ist mitunter möglich. Doch spätestens, wenn die Server sich im Ausland befinden, sind die Möglichkeiten zur Strafverfolgung eingeschränkt.
Um ein Forum für Kinderpornografie im Darknet zu zerschlagen, greift die Polizei mitunter zu ungewöhnlichen Maßnahmen. So betrieb eine Taskforce der australischen Polizei fast ein Jahr lang unbemerkt ein Forum im Darknet. In dem Forum namens "Child's Play" sollen über eine Million User registriert gewesen sein, etwa hundert Mitglieder waren den Angaben zufolge regelmäßig aktiv, filmten und fotografierten Vergewaltigungen und den Missbrauch von Kindern. Nachdem die Polizei den kanadischen Betreiber der Website festgenommen hatte, übernahm die Taskforce sein Administrator-Konto. Um keinen Verdacht zu erregen, teilten die Beamten regelmäßig selbst Fotos von Kinderpornografie, was in Australien im Rahmen von Undercover-Arbeit erlaubt ist. Laut den Ermittlern konnten, indem das Forum weiterbetrieben wurde, weltweit Pädophile ausfindig gemacht und festgenommen werden.
Quelle: ntv.de