Medizinisches Phänomen in Indien Teenager wachsen Beine und Gesäß aus dem Bauch
28.02.2025, 11:43 Uhr Artikel anhören
Die Operation wurde im AIIMS-Krankenhaus in der indischen Hauptstadt Neu-Delhi durchgeführt.
(Foto: picture alliance / NurPhoto)
Für Ärztinnen und Ärzte einer Klinik in der indischen Hauptstadt Neu-Delhi ist es ein besonders herausfordernder Eingriff: Einem Jugendlichen ragen Teile seines parasitären Zwillings aus dem Bauch. Das Phänomen ist äußerst selten - entsprechend anspruchsvoll gestaltet sich die Operation.
Ärzte in der indischen Hauptstadt Neu-Delhi haben einem Teenager einen parasitären Zwilling entfernt, der an seinem Bauch angewachsen war. Dem 17-Jährigen wuchsen ein zusätzliches Paar Beine sowie ein Gesäß und äußere Genitalien, wie die BBC berichtet. Demnach waren die Teile seines parasitären Zwillings insgesamt 15 Kilogramm schwer und ragten aus seinem Bauch heraus. Durch eine Arterie in der Brust wurden sie mit Blut versorgt. Die rund zweistündige Operation im AIIMS-Krankenhaus verlief dem Bericht zufolge erfolgreich - stellte die behandelnden Ärzte jedoch vor eine große Herausforderung.
Ein Grund dafür war ihnen zufolge das vergleichsweise hohe Alter des Patienten. "In der medizinischen Fachliteratur weltweit sind nur 40 bis 50 Fälle von parasitären Zwillingen dokumentiert, und in diesen Fällen wurde die Operation an Kindern durchgeführt", sagte Asuri Krishna, der das Spezialistenteam leitete, zur BBC. Da es nicht ausreichend medizinische Literatur als Orientierungshilfe gab, musste sich das Team auf seine "Intuition, sein Können und sein Wissen" verlassen.
Die Operation wurde demnach in zwei Schritten durchgeführt: Zunächst wurden die Teile des parasitären Zwillings, anschließend die zystische Masse aus den umliegenden Organen entfernt. "Ein Geflecht aus gemeinsamen Blutgefäßen, Nerven und Geweben musste getrennt werden. Es musste darauf geachtet werden, dass keines der Organe oder Gewebe des Wirts beschädigt wurde", sagte Krishna.
"Ich konnte nirgendwo hingehen"
Kurzzeitig prekär wurde der Eingriff, als der Blutdruck des Teenagers gefährlich stark sank. Grund dafür war dem Bericht zufolge, dass etwa 30 bis 40 Prozent seines Blutes zu seinem parasitären Zwilling flossen. Den Ärzten gelang es allerdings schnell, den 17-Jährigen wieder zu stabilisieren. Weitere Komplikationen gab es während der Operation nicht, heißt es weiter. Bereits vier Tage nach seiner Einlieferung konnte der Patient wieder entlassen werden. Er ist demnach gesund.
Ein parasitärer Zwilling ist ein unterentwickelter Embryo, der als funktionsunfähige Struktur am oder im Körper des Wirts, des autonomen Zwillings, verbleibt. Er ist auf ihn angewiesen, da er von ihm versorgt wird. Im aktuellen Fall konnte der Teenager sogar Schmerz, Berührungen und Temperaturen in den verwachsenen Extremitäten spüren, wie die Ärzte berichteten. So war der Zwilling zwar mit der Blutlaufbahn des Teenagers verbunden, allerdings gab es "keine große Verbindung zu anderen Hauptorganen wie der Leber oder den Nieren", wie Krishna deutlich machte.
Der 17-Jährige litt in seiner Nachbarschaft in der Stadt Unnao in Nordindien stark unter seinem parasitären Zwilling, berichtet der Sender weiter. Demnach wurde er von vielen Menschen gemieden, während andere über sein Aussehen spotteten. "Ich konnte nirgendwo hingehen oder mich körperlich betätigen", sagte er dem "Indian Express" und fügte hinzu, dass er die Schule in der achten Klasse abgebrochen hatte. In der Folge litt der Teenager unter psychischen Erkrankungen. Die Operation stimmt ihn jedoch optimistisch. "Ich hoffe, dass ich studieren und einen Job bekommen kann. Mir hat sich eine neue Welt eröffnet", sagte er.
Das medizinische Phänomen des parasitären Zwillings ist äußerst selten, Berichten zufolge kommt es bei weniger als einer von 100.000 Geburten vor.
Quelle: ntv.de, spl