Über Erdogan-Schule gewitzelt Sängerin Gülsen droht Hausarrest nach Haft
29.08.2022, 17:15 Uhr
Das Gefängnis darf die inhaftierte türkische Sängerin Gülsen bald verlassen.
(Foto: dpa)
Ein Bühnenwitz über die religiösen Imam-Hatip-Schulen wird der türkischen Sängerin Gülsen zum Verhängnis. Sie landet wegen öffentliche Volksverhetzung in Haft. Nach Protesten rückt ihre Entlassung näher, ihre Freiheit bleibt künftig wohl weiter eingeschränkt.
Die wegen eines Scherzes über eine religiöse Bildungseinrichtung inhaftierte türkische Sängerin Gülsen soll aus dem Gefängnis entlassen werden. Ein Istanbuler Gericht habe den Popstar stattdessen unter Hausarrest gestellt, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu. Die Verhaftung der beliebten Sängerin hatte nicht nur unter Künstlern große Empörung ausgelöst.
Gülsen Bayraktar Colakoglu, wie sie mit vollem Namen heißt, war vergangenen Donnerstag verhaftet worden, weil sie im April bei einem Konzert scherzhaft zu einem Kollegen gesagt hatte, dessen "Perversität" sei auf seine Zeit an einer Imam-Hatip-Schule zurückzuführen. Die Imam-Hatip-Schulen sind staatliche Bildungseinrichtungen, die einen Schwerpunkt auf religiöse Ausbildung legen. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan war etwa Schüler einer solchen Schule. Aufgrund der zunehmenden Zahl der religiösen Schulen werfen Kritiker der AKP-Regierung eine Islamisierung der laizistischen Türkei vor.
Medienberichten zufolge wird Gülsen öffentliche Volksverhetzung vorgeworfen. Regierungsnahe Medien hatten vor kurzem ein Video mit den Aussagen veröffentlicht und die Sängerin scharf kritisiert. Der Justizminister Bekir Bozdag nannte ihre Äußerungen laut dem Staatssender TRT etwa "eine riesige Ungerechtigkeit".
Zahlreiche Künstler, Oppositionspolitiker, queere Netzwerke und andere Vereinigungen hatten die Freilassung Gülsens gefordert und die Inhaftierung als rechtswidrig kritisiert - darunter etwa der berühmte Sänger Tarkan. Auch vereinzelte Mitglieder der Regierungspartei hatten die Untersuchungshaft verurteilt. Gülsen ist bekannt für ihre öffentliche Solidarisierung mit LGBTQ+ und wurde auch dafür bereits mehrfach aus religiösen und Pro-Regierungskreisen kritisiert.
Quelle: ntv.de, mba/AFP