Wilderei endet in Doppelmord Urteilsspruch für Polizistenmorde von Kusel erwartet
30.11.2022, 06:43 UhrBei der Kontrolle von zwei Wilderern werden Ende Januar zwei Polizeibeamte durch Schüsse getötet. Zunächst wird von zwei Tätern ausgegangen, doch im Verfahren verschiebt sich diese Einschätzung zunehmend. Nun könnte ein Angeklagter zu lebenslanger Haft verurteilt und einer freigesprochen werden.
Rund zehn Monate nach der Tat steht der Prozess um die tödlichen Schüsse auf zwei Polizeibeamte im Landkreis Kusel in Rheinland-Pfalz vor dem Ende. Am Mittwoch will das Landgericht Kaiserslautern das Urteil gegen die beiden Angeklagten verkünden. Hauptangeklagter ist der 39-jährige Andreas S., der die Polizistin und den Polizisten am 31. Januar bei einer Verkehrskontrolle erschossen haben soll, um eine Jagdwilderei zu verdecken.
Konkret werden S. zwei vollendete Morde sowie versuchter Mord und gefährliche Körperverletzung vorgeworfen. Den ersten Schuss soll er überraschend aus kurzer Entfernung aus einer Schrotflinte auf den Kopf der Beamtin abgegeben haben. Diese wurde laut Anklage dadurch schwer verletzt. Der Angeklagte ging aber von ihrem Tod aus. Der zweite Schuss erfolgte aus derselben Waffe aus größerer Entfernung auf ihren Kollegen, der am Gesäß getroffen wurde.
Zu seiner Verteidigung schoss der Beamte mit seiner Dienstpistole, woraufhin S. dreimal mit einem Jagdgewehr auf den Polizisten schoss und ihn jedes Mal schwer verletzte. Der letzte Schuss traf den Polizisten am Kopf und war tödlich. Anschließend durchsuchte S. die auf dem Boden liegende Beamtin nach für ihn kompromittierenden Notizen. Dabei stellte er fest, dass sie noch lebte und schoss ihr mit der Schrotflinte in den Kopf.
Weiterhin muss sich S. wegen Widerstands und Angriffs auf Vollstreckungsbeamte sowie gemeinschaftlicher Jagdwilderei verantworten. Letztere war nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft der Grund für die Morde. Der Verkauf der Beute sei zum Tatzeitpunkt im Wesentlichen der Lebensunterhalt des Angeklagten gewesen. S. soll die Polizisten aus Habgier getötet haben, um die Wilderei fortsetzen zu können. Ein Überleben der Polizisten hätte für S. die Identifizierung als Wilderer bedeutet, sagte Staatsanwalt Stefan Orthen in seinem Plädoyer. Den Ermittlungen zufolge besaß er weder einen Jagdschein noch eine Waffenerlaubnis. Der Doppelmord habe "Hinrichtungscharakter" gehabt, so der Vertreter der Anklage.
Freispruch für Mitangeklagten?
Ursprünglich wurde auch der Mitangeklagte Florian V. des Mordes verdächtigt. Der Verdacht gegen den 33-Jährigen erhärtete sich aber nicht, weshalb das Verfahren eingestellt wurde. Der Staatsanwalt sagte, die Beweisaufnahme habe klar den Vorwurf der Haupttäterschaft von S. belegt. Dieser habe seine Aussage vor Gericht wie ein Theaterstück vorbereitet und sich bei zahlreichen Einlassungen "als sprachgewandter Blender präsentiert".
Tatsächlich seien die beiden Angeklagten völlig unterschiedliche Charaktere. Der Mitangeklagte sei ein seit Jahren von Gelegenheitsjobs lebender Kiffer, der Hauptangeklagte hingegen ein "Macher", der viel zur Jagd ging, bei der Qualität seiner Waffentechnik stets aufrüstete und "das hemmungslose Töten von Lebewesen zu seinem Markenzeichen machte". So blieb bei V. schließlich der Vorwurf der gemeinschaftlichen gewerbsmäßigen Jagdwilderei. Er war zudem wegen versuchter Strafvereitelung angeklagt. Das Gericht stellte das Verfahren gegen ihn in diesem Punkt jedoch ein.
Am Tattag waren beide Männer zunächst geflohen und wurden erst nach stundenlanger Fahndung festgenommen. Die Tat löste großes Entsetzen aus. Die 24-jährige Polizeianwärterin und der 29-jährige Polizist wurden im Februar unter großer öffentlicher Anteilnahme beigesetzt. Infolge der Tat verurteilte das Amtsgericht Idar-Oberstein einen 55-Jährigen, der kurz nach dem Doppelmord im Internet zu Polizistenmorden aufrief, zu einem Jahr und acht Monaten Haft ohne Bewährung.
Besonders schwere Schuld
Die Anklage in Kaiserslautern basierte überwiegend auf den Aussagen V.s, die er kurz nach der Tat gegenüber den Polizeibeamten gemacht hatte. Im Prozess belasteten sich beide Angeklagte gegenseitig. In seinem letzten Wort machte S. seinem Mitangeklagten erneut schwere Vorwürfe. "Ich muss verantworten, dass ein offensichtlich Drogenabhängiger eine Schusswaffe führen konnte und damit eine nicht vorhersehbare Eskalation entfesseln konnte", sagte er. S. entschuldigte sich bei den Angehörigen der beiden Beamten. Ihr Tod sei einer Notwehrsituation geschuldet, die von V. verursacht worden sei.
Das sieht die Anklage jedoch nicht so. Die Staatsanwaltschaft forderte für S. in ihrem Plädoyer lebenslange Haft. Zudem beantragte sie die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld, was eine vorzeitige Haftentlassung praktisch ausschließen würde. Für V. forderte sie Straffreiheit, auch wenn er sich der gewerbsmäßigen Jagdwilderei schuldig gemacht habe. Grund dafür sei sein Beitrag zur Aufklärung der Tat.
Die Verteidigung von S. hingegen wies die Vorwürfe zurück. Ein Mord sei im Prozess nicht nachgewiesen worden. Die Anwälte des 39-Jährigen stellten keinen konkreten Antrag. V.s Anwälte schlossen sich für ihren Mandanten der Staatsanwaltschaft an.
Quelle: ntv.de, Annalena Dörner, AFP