Totgeglaubte äußert sich Wie Petra P. für 31 Jahre untertauchen konnte
17.03.2024, 11:21 Uhr Artikel anhören
Es ist einer der spektakulärsten Kriminalfälle Deutschlands: Mehr als drei Jahrzehnte geht die Polizei davon aus, dass die Studentin Petra P. ermordet wurde. Dabei lebt sie die gesamte Zeit unter falschem Namen, bis sie 2015 auffliegt. Nun spricht sie zum ersten Mal über ihre Motive.
31 Jahre lang wird Petra P. aus Braunschweig für tot gehalten - von der Polizei, den Behörden, ihrem Umfeld. Im Jahr 2015 enttarnt der Zufall das vermeintliche Mordopfer: All die Jahre hat sie ein Leben unter falschem Namen geführt. Der Fall schlägt hohe Wellen und gibt zugleich Rätsel auf: Aus welchem Grund ist Petra P. untergetaucht? Und wie konnte sie ihre wahre Identität jahrzehntelang geheim halten? In der RTL-Sendung "Life - Menschen, Momente, Geschichten" spricht sie erstmals über ihre Geschichte.

Mit diesem Foto fahndete die Sendung "Aktenzeichen XY... ungelöst" 1985 nach der Vermissten.
(Foto: YouTube)
Bis zum 26. Juli 1984 studiert Petra P. in Braunschweig Informatik. Am Vormittag verlässt sie ihr Studentenwohnheim und kommt nicht mehr zurück. "Ich habe meinem Zimmernachbarn damals die Schlüssel gegeben", sagt sie RTL. "Ich wollte keine Probleme machen, wenn die Schlüssel fehlen." Mitgenommen habe sie nur "ein paar Sachen" und 3000 D-Mark. Sie geht noch zum Zahnarzt, dann verliert sich ihre Spur.
Eine Zeugin will Petra P. zuletzt in der Nähe eines Waldstücks in der Region gesehen haben. Dort war ein Jahr zuvor ein 14-jähriges Mädchen ermordet aufgefunden worden, der Täter noch nicht gefasst. Für die Polizei ist schnell klar - es gibt eine Verbindung zwischen beiden Fällen. Die Ermittler durchkämmen den Wald, suchen in Gewässern und der Kanalisation nach der Leiche von Petra P., aber ohne Erfolg.
Den scheinbaren Durchbruch bringt die Festnahme eines Mannes. Er gesteht nicht nur den Mord an dem Mädchen, sondern auch den an Petra P. Zwar kann ihm die Tat nicht nachgewiesen werden, doch die Ermittler haben keinen Zweifel an seiner Schuld. "Für mich war klar: Petra ist ermordet worden. Ich hätte 100.000 Euro drauf verwettet", sagt der damalige Kommissar Holger Kunkel. Fünf Jahre nach ihrem Verschwinden wird Petra P. offiziell für tot erklärt.
"Ich bin nicht zum Arzt gegangen"
Was niemand ahnt: Petra P. ist nach ihrem Zahnarzttermin zum Bahnhof gefahren und von dort aus weiter nach Essen. Von nun an nennt sie sich Susanne Schneider - ein Allerweltsname. Überhaupt habe sie sich so unauffällig wie möglich verhalten: die Miete immer in bar, Straßenbahn statt Auto. "Ich bin nicht zum Arzt gegangen", erzählt sie RTL. Auch in den Urlaub gefahren sei sie nicht. "Ich konnte ja nicht einfach in ein Reisebüro gehen und etwas buchen."
Um ihren Lebensunterhalt zu finanzieren, gibt sie Nachhilfeunterricht und arbeitet als Reinigungskraft. Später zieht sie nach Düsseldorf. Insgesamt 31 Jahre bleibt sie unentdeckt, bis 2015. In ihre Wohnung war eingebrochen worden, die Vermieter rufen die Polizei. Die Beamten fordern "Susanne Schneider" auf, sich auszuweisen, doch falsche Papiere besitzt sie nicht. So gesteht sie ihre wahre Identität. Ein DNA-Abgleich bestätigt später: die totgeglaubte Petra P. lebt.
Aber warum das Versteckspiel? "Ich denke, dass ich schizophren geworden bin", sagt Petra P. heute. "Ich bin in meinen ersten fünf Lebensjahren extrem sexuell missbraucht worden." Das habe sie lange verdrängt. Dass intensiv nach ihr gesucht worden ist, will sie nicht mitbekommen haben.
Im Nachhinein sei die Enttarnung auch eine Befreiung gewesen, sagt Petra P. Inzwischen befinde sie in psychologischer Behandlung und arbeite ihre Vergangenheit auf. Und sie könne nun Dingen nachgehen, die für andere Menschen alltäglich sind, etwa mit dem iPad im Internet surfen - für einen WLAN-Anschluss ist schließlich ein Bankkonto vonnöten. "Ich freue mich über meine Zähne und dass ich zum Arzt gehen kann, wenn ich krank bin", sagt sie.
Quelle: ntv.de, mdi