
Schülerin mit einer Selbsttest-Probe
(Foto: picture alliance/dpa)
Deutschland will testen, die Testhersteller wollen liefern, doch die Zulassung fehlt. Binnen fünf Wochen haben es nur acht Anbieter durch das Zulassungsverfahren geschafft. Medizinprofessor und FDP-Politiker Ullmann mahnt zur Eile - nach österreichischem Vorbild.
Während das Massenimpfen wohl frühestens im Mai so richtig ins Rollen kommt, setzen Bevölkerung und Wirtschaft große Hoffnungen auf Schnelltests. Die waren schließlich als Schlüssel zur Lockdown-Öffnung angepriesen und von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn höchstselbst angekündigt worden. Anfang März sollten sie in der Breite verfügbar sein, sowohl Schnelltests zur Eigenanwendung als auch durch Apotheken und Testzentren vorgenommene Labor-Schnelltests.
Die Realität ist bekanntermaßen eine andere: Das Angebot von Schnelltest-Zentren für wöchentliche Gratis-Tests ist regional unterschiedlich stark vorhanden. Selbsttests sind im freien Handel noch kaum verfügbar. Dabei sind sie eine Voraussetzung für den Zugang zu Außengastronomie, Konzerten, Kinos und Kultureinrichtungen, die ab 22. März bei Inzidenzwerten zwischen 50 und 100 öffnen dürfen. Nur in Landkreisen mit Werten unter 50 wäre dem am 3. März beschlossenen Stufenplan zufolge kein tagesaktuelles Testergebnis vorzulegen.
BfArM sieht Fehler bei Anbietern
Die gute Nachricht: Die Selbsttests sind vorhanden. Die schlechte: Sie haben keine Marktzulassung. Gerade einmal acht Produkte listet das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) auf. Seit dem 3. Februar durften beim BfArM - parallel zum langsameren TÜV-Verfahren - die beschleunigten Sonderzulassungen beantragt werden. Drei Wochen später erfolgten die ersten Zulassungen, doch nur wenige kamen in den folgenden zwei Wochen hinzu. Mehr als hundert Anträge auf Sonderzulassung hat das BfArM nach eigenen Angaben noch nicht abschließend beschieden.
Genauer gesagt: 125 Anträge auf Sonderzulassung lagen dem BfArM am Stichtag 4. März vor. Dies geht aus einer Antwort des Bundesgesundheitsministeriums auf eine Anfrage des FDP-Bundestagsabgeordneten Andrew Ullmann hervor, die ntv.de vorliegt.
Der Fehler liege allerdings nicht bei dem Bundesinstitut, erklärt ein BfArM-Sprecher. Die Behörde habe im Normalfall 10 bis 20 Anträge auf Sonderzulassung pro Jahr zu bearbeiten. Nun sei von den 1300 Mitarbeitern eigens Personal umgeschichtet und Wochenendarbeit eingeführt worden, um die vielen Anträge zu prüfen.
"Die Bearbeitungsgeschwindigkeit hängt von den Antragstellern ab", sagt der Institutssprecher. "Wir erhalten aber leere oder unvollständige Anträge, weshalb unsere Mitarbeiter den Antragstellern hinterhertelefonieren müssen." Das liege auch daran, dass die Anbieter teils neu im Geschäft mit Medizinprodukten seien. Die Firmennamen auf den Listen zugelassener Schnelltests für Labore klingen tatsächlich oft nach inhaltlich eher breitangelegten Import-Export-Unternehmen mit Schwerpunkt China.
Produkte sind schon im Einsatz
Was aber wird überhaupt geprüft? Zuallererst sollen Testkits zur Eigenanwendung zugelassen werden, die schon im Markt sind für die Nutzung durch Fachpersonal. Diese haben bereits eine CE-Kennzeichnung und den Labornachweis ihrer technischen Eignung erbracht. Das BfArM achtet vor allem darauf, dass sich die Tests nun zur Anwendung durch Laien eignen - insbesondere mit Blick auf die deutschsprachigen, leicht verständlichen Bedienhinweise und die praktische Umsetzung der Probenentnahme. "Wenn die vorgegebenen Kriterien erfüllt werden, kann die Sonderzulassung binnen 24 Stunden erteilt werden", sagt der BfArM-Sprecher.
Doch ist das Verfahren wirklich nötig? In Österreich sind bereits mehr als 200 Eigentests zugelassen worden: Die Hersteller müssen lediglich eine Selbstauskunft hinterlegen, ob ihre Produkte alle Vorgaben erfüllen. "In Deutschland braucht es dringend mehr pragmatisches Vorgehen und weniger Bürokratie", sagt FDP-Politiker Ullmann ntv.de. Der Universitätsprofessor für Infektiologie an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg und Facharzt für Innere Medizin nimmt Österreich als Beispiel für ein Vorgehen, das die Sicherheit der Menschen nicht gefährdet. "Österreich lässt Eigentests zu, die bereits eine CE-Ziffer haben", erklärt Ullmann. Auch Deutschland könne nach diesem Modell bedingte Zulassungen gewähren. "Die Produkte könnten im Rahmen eines rollierenden Verfahrens nachgeprüft werden, so wie in Österreich."
Unklare Marktlage
Dass die Antragsteller in Deutschland, wie vom BfArM dargestellt, an den Anträgen selbst scheitern sollen, gibt Ullmann zu denken: "Auch in Österreich sind Unterlagen auszufüllen", sagt Ullmann. "Je nachvollziehbarer die gestaltet werden, desto eher kann auch der Antragsteller die Kriterien erfüllen." Ullmann mahnt zur Eile: "Überall in Europa kann man diese Schnelltests kaufen. Der Markt wird sich eher ausdünnen, weil die Nachfrage sehr groß ist." Spahn versichert stets das Gegenteil und berichtete wiederholt von Telefonaten, die ihm von großen Lagerbeständen berichteten. Ob die Zulassungsverfahren auch Thema dieser Gespräche waren?
Am Donnerstag gaben die Bundesministerien für Gesundheit und Verkehr bekannt, den Ländern im März weitere 17 Millionen Selbsttests für Kitas und Schulen anbieten zu können. Im April sollen noch einmal 45 Millionen Tests hinzukommen, die allesamt vom Hersteller Siemens Healthcare stammen. Die Anwendung für den privaten Bereich ist damit aber ebenso wenig abgesichert wie in den Betrieben, die genau dazu aufgefordert sind. Ändert sich das Zulassungsverfahren nicht, könnte die Test-Knappheit noch eine ganze Weile anhalten.
Quelle: ntv.de