Politik

Kassenärzte im "ntv Frühstart" "27 Millionen Booster bis Jahresende machbar"

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Die Kassenärztliche Bundesvereinigung sieht Chancen für einen Impfturbo bis Weihnachten, erneuert aber auch ihre Kritik an Gesundheitsminister Spahn. Kinderimpfungen hält sie derzeit für überschätzt.

Der stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Stephan Hofmeister, ist zuversichtlich, dass Arztpraxen bis Jahresende die 27 Millionen geforderten Booster-Impfungen schaffen. "Das ist machbar, wenn die Leute alle kommen", sagte Hofmeister im "ntv Frühstart". Er forderte allerdings mehr politische Unterstützung. "Die Praxen haben zu den Hochzeiten fünf bis sechs Millionen Impfungen pro Woche gemacht. Das schaffen sie, wenn sie nicht ständig Knüppel zwischen die Beine geworfen bekommen."

Hofmeister erneuerte in diesem Zusammenhang die Kritik der Kassenärzte an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn von der CDU, der zuletzt eine Reduzierung der Biontech-Lieferungen an die Praxen angekündigt hatte. Die Ärzteschaft hatte beklagt, damit werde die Impfkampagne deutlich erschwert. "Das ist nicht die Unflexibilität der Ärzte", so Hofmeister. "Den Vorwurf weise ich deutlich zurück."

Bereits in der Vergangenheit habe es aus der Politik ein häufigeres Hin und Her bei Impfstoffen gegeben, etwa bei Astrazeneca. "Jetzt müssen wir den Patienten, die zweimal Biontech haben, erklären, dass sie jetzt einen dritten, anderen Impfstoff bekommen." Die Begründung des Bundesgesundheitsministeriums, bei der Drittimpfung nun vor allem auf Moderna zu setzen, weil er in den Regalen liege und sich dem Ablaufdatum nähere, bezeichnete Hofmeister als "unglücklich".

"Kinderimpfung ist so etwas wie ein Scheingefecht"

Zum Vorwurf, die Ärzte würden mit ihrer Kritik selbst das Moderna-Vakzin schwächen, entgegnete Hofmeister: "Wir sagen, dass Moderna ein guter Impfstoff ist. Wir sagen auch, man kann ihn verwenden." Das gelte, obwohl die Datenlage zur Mischimpfung zwischen Biontech und Moderna noch sehr dünn sei. "Nicht wir sind diejenigen, die über den Moderna-Impfstoff Schlechtes sagen. Das Chaos in der Kommunikation ist politisch verursacht, nicht durch die Ärzteschaft."

Er kritisierte, dass Bund und Länder Booster-Impfungen nun sofort allen Bürgern anbieten wollen - und nicht nur Risikogruppen. "Alle auf einmal geht nicht." Die Politik hätte eine Priorisierung vornehmen müssen, so Hofmeister. Es sei wichtig, dass zuerst die Älteren dran kämen. "Das sind die, die wirklich ernsthaft krank werden, nicht die 30-Jährigen."

Hofmeister bremste zudem die Hoffnungen auf baldige Impfungen für 5- bis 12-Jährige. "Die Kinderimpfung ist fast so etwas wie ein Scheingefecht." Selbst bei ersten Impfungen zum 20. Dezember werde der volle Impfschutz erst ab Februar einsetzen. "Auf die Lage der Intensivstationen wird die Kinderimpfung, wenn überhaupt, einen sehr, sehr späten und geringen Einfluss haben."

Praxen im Ausnahmezustand

Hofmeister befürchtet, dass nur eine allgemeine Impfpflicht für eine ausreichende Impfquote gegen das Coronavirus sorgen wird. "Die Impfpflicht wird der einzige Ausweg sein, wenn es nicht gelingt, die restlichen 13 Millionen Erwachsenen, die noch nicht geimpft sind, zu impfen." Die Kassenärzte hätten sich immer dafür eingesetzt, durch Vertrauen und Werbung eine Impfquote zu erreichen, die helfe. "Das ist jetzt nicht der Fall ganz offensichtlich, sodass also tatsächlich jetzt so etwas wie eine Impfpflicht diskutiert werden muss."

Bedauerlicherweise habe die Politik bereits ganz am Anfang die Pflicht kategorisch ausgeschlossen. Sollte sie eingeführt werden, rechnet Hofmeister nicht mit stärker werdenden Konflikten in den Praxen zwischen Personal und eigentlichen Impfgegnern. Die Praxen arbeiteten schon seit eineinhalb Jahren im Ausnahmezustand und seien erschöpft. "Das kann kaum noch schlimmer werden."

Quelle: ntv.de, psc

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