Politik

Schlimmstes Mittelmeerdrama 2019 62 Tote vor libyscher Küste geborgen

62 Leichen wurden bislang geborgen. Hilfsorganisationen befürchten jedoch, dass die Zahl der Opfer noch weit höher liegt.

62 Leichen wurden bislang geborgen. Hilfsorganisationen befürchten jedoch, dass die Zahl der Opfer noch weit höher liegt.

(Foto: dpa)

Während Europa über die Seenotrettung streitet, ereignet sich vor der libyschen Küste die "schlimmste Mittelmeertragödie des Jahres". Dort geraten drei Flüchtlingsboote in Seenot - Hilfsorganisationen befürchten über hundert Todesopfer. Die Forderungen nach einer staatlichen Seenotrettung werden lauter.

Nach der jüngsten Flüchtlingstragödie im Mittelmeer haben Rettungskräfte Dutzende Tote geborgen. Retter des Roten Halbmonds hätten seit Donnerstagabend 62 Leichen von Migranten aus dem Wasser geholt, sagte der Vertreter der Hilfsorganisation, Abdelmoneim Abu Sbeih. Hilfsorganisationen befürchten mehr als hundert Tote. Die UNO sprach vom "schlimmsten" Unglück im Mittelmeer in diesem Jahr. Die Tragödie befeuerte die Debatte um eine staatliche Seenotrettung.

Das Unglück hatte sich am Donnerstag vor der Küste der libyschen Stadt Choms ereignet. Die Internationale Organisation für Migration (IOM) befürchtete mehr als 110 Tote. Die libysche Küstenwache sprach von 115 Vermissten; nach ihren Angaben wurden 145 der Schiffbrüchigen gerettet. Es ist weiter unklar, wie viele Menschen insgesamt an Bord waren. Überlebende berichteten nach Angaben der Organisation Ärzte ohne Grenzen von insgesamt rund 400 Insassen, die mit drei hintereinander vertauten Holzbooten das Mittelmeer überqueren wollten.

Viele Leichen befänden sich noch im Wasser, sagte Sbeih vom Roten Halbmond. "Es ist unmöglich, eine Gesamtopferzahl zu nennen." UN-Flüchtlingskommissar Filippo Grandi bezeichnete den Fall als die "schlimmste Mittelmeertragödie dieses Jahres". Nach Angaben der libyschen Marine stammten die meisten Bootsinsassen aus Eritrea. Auch Palästinenser und Sudanesen waren demnach unter den Geretteten.

Vor dem Unglück vom Donnerstag hatten IOM und das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR mitgeteilt, dass seit Jahresbeginn mindestens 426 Flüchtlinge beim Versuch, das Mittelmeer zu überqueren, ums Leben gekommen seien. Erst Anfang Juli ertranken 68 Migranten, als ihr Boot vor Tunesien unterging.

Forderung nach staatlicher Seenotrettung

Libyen ist eine zentrale Drehscheibe für Geflüchtete und Migranten, die über das Mittelmeer nach Europa gelangen wollen. In dem nordafrikanischen Land herrscht jedoch ein Bürgerkrieg, weite Teile des Landes werden von Milizen kontrolliert.

Angesichts des jüngsten Unglücks vor der libyschen Küste wurden Forderungen nach einer Wiederaufnahme staatlicher Seenotrettung lauter. Es sei einmal mehr deutlich geworden, "wie dringend eine staatlich finanzierte Seenotrettung im Mittelmeer gebraucht wird", sagte Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt der "Augsburger Allgemeinen".  "Um das Sterben von Menschen im Mittelmeer zu verhindern, brauchen wir endlich ein gemeinsam getragenes Aufnahmesystem und eine faire Verteilung von Geflüchteten auf die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union", fügte Göring-Eckardt hinzu. Der Obmann der Fraktion der Linken im Menschenrechtsausschuss des Bundestags, Michael Brandt, nannte eine staatliche Seenotrettung "dringend erforderlich".

UN-Flüchtlingskommissar Grandi hatte in einer ersten Reaktion auf das Unglück am Donnerstag eine "Wiederaufnahme der Seenotrettung", ein Ende der "Inhaftierung von Flüchtlingen und Migranten in Libyen" und sichere Fluchtrouten aus Libyen gefordert. UN-Generalsekretär Antonio Guterres forderte auf Twitter "sichere und legale Routen für Migranten und Flüchtlinge".

In der EU ist der Umgang mit den Bootsflüchtlingen heftig umstritten. Bei Beratungen der europäischen Außen- sowie der Innenminister in Paris gab es am Montag erneut keine Einigung auf einen Verteilmechanismus für die Flüchtlinge. Italiens Innenminister Matteo Salvini verweigerte am Freitag einem Schiff der eigenen Küstenwache mit 135 Migranten an Bord in Italien anzulegen. Zunächst müsse die EU die Verteilung der Migranten koordinieren; vorher werde kein Hafen geöffnet.

Evakuierung aus libyschen Lagern

Hilfsorganisationen forderten, dass Migranten nicht nach Libyen zurückgebracht werden dürften. "Alle Flüchtlinge und Migranten, die in Lagern in Libyen festgehalten werden, müssen dringend und umgehend aus diesen evakuiert werden", erklärte die Organisation Ärzte ohne Grenzen. Göring-Eckardt betonte: "Die libysche Küstenwache ist Teil des Problems und nicht der Lösung, weil sie mit kriminellen Schleppern und Schleusern kooperiert und Menschenrechte missachtet."

Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini betonte angesichts der jüngsten Katastrophe im Mittelmeer die "eindeutige Verpflichtung" der EU, den "Kampf gegen Schlepper" und die "Kapazitäten der libyschen Küstenwache" zu verstärken. Die libyschen Behörden forderte sie zu einer Beendigung der "willkürlichen Gefangennahme von Migranten" auf. Die Einführung von Mechanismen zur "verbesserten Behandlung der von der libyschen Küstenwache Geretteten", sei dringend nötig, erklärte Mogherini.

Quelle: ntv.de, ftü/AFP

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