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"Kriegen sie einfach nicht raus" AfD treibt Streit zwischen "Softie" und "Pussy" um

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Krah beschäftigt seine Partei des öfteren, diesmal mit einer abgeänderten Haltung zur Migration.

Krah beschäftigt seine Partei des öfteren, diesmal mit einer abgeänderten Haltung zur Migration.

(Foto: picture alliance/dpa)

Der Rechtsextremist Maximilian Krah rät seiner Partei, nicht länger "Remigration" von Einwanderern mit deutschem Pass zu fordern. Das stößt bei völkischen Blut-und-Boden-Fans auf scharfe Ablehnung. Dabei hat der sächsische Rechtsaußen etwas ganz Anderes im Blick.

Götz Kubitschek, Verleger und Vordenker der rechtsextremen Szene, waren Wut und Fassungslosigkeit über Maximilian Krah und dessen Auffassungen zur "Remigration" anzumerken. Bei Kubitscheks Frau Ellen Kositza kam noch persönlicher Frust hinzu: Sie geriet schnell zur Nebenfigur, die die zwei Männer kaum zu Wort kommen ließen, selbst wenn sie darum bat. Am Ende des Streitgesprächs sagte sie: "Ich war okay damit, Deko zu sein." Einig war sich das Ehepaar allerdings in der Ablehnung und Verwunderung über Krahs "Sinneswandel", wie es Kubitschek formulierte. Mit seinem "Rückrudern" habe der AfD-Politiker "jeden aus unserem Lager vor den Kopf gestoßen", befand Kositza.

In der Tat ist es erstaunlich, was Krah in dem Mitte Juni aufgezeichneten Video-Podcast sagte. Der rechtsextreme AfD-Bundestagsabgeordnete rief seine Partei dazu auf, zu klären, ob es "wirklich so klug ist", im politischen Wettbewerb nur auf "Remigration" zu setzen und alle anderen Zukunftsthemen der Konkurrenz zu überlassen. Geklärt werden müsse, "ob das der Weg" zur Regierungsbeteiligung sei "oder einer ist, der uns wieder marginalisieren wird". Über Einwanderer sagte der Sachse Krah: "Neue kommen nicht rein. Und die, die da sind", sollten, wenn sie deutsche Staatsbürger sind und bleiben "wollen, in ihren eigenen Communitys eine gewisse Selbstorganisation und Selbstverwaltung" zugestanden bekommen.

Krah hat das Verbot vor Augen

"Also in Offenbach sind 80 Prozent aller Grundschüler Ausländer", hielt Kositza sichtbar konsterniert entgegen. Krah erwiderte: "Sie glauben immer, Sie können die einfach ... Sie kriegen sie einfach nicht raus. Sie kriegen sie nicht raus. Punkt." Seine Kontrahentin verwies auf Aussagen ihres Gegenübers von 2024, "wie man durch Anreizsysteme et cetera pp. …" Der Gast unterbrach sie: "Ja, natürlich, aber trotzdem bleibt eine relativ große Zahl übrig. Sie können nicht fünf Jahrzehnte bundesrepublikanischen Einwanderungsirrsinn ..." Nun grätschte Kubitschek rein und schnitt dem AfD-Politiker das Wort ab. So ging es fast zwei Stunden lang.

Krahs Aussagen erweckten - nicht nur in den Ohren der zwei Fragesteller - den Eindruck eines Bruchs mit der Blut-und-Boden-Rhetorik, die man bisher von ihm kannte und die in rechtsextremen Kreisen üblich ist. Die "Zeit" zählte das Ringen "zum Interessantesten, was politische Parteien und ihr intellektuelles Vorfeld zuletzt hervorgebracht haben". Die zwei Männer hätten diskutiert, "was für eine Partei die AfD eigentlich sein soll, fundamentalistisch-systemoppositionell (Kubitschek) oder geschmeidig-regierungsbereit (Krah)". Allerdings geht es um mehr als um Opposition oder Regierung, Populismus oder Realpolitik: um das mögliche Verbot der AfD. Das ist der Grund für Krahs neue Wortwahl, was er selbst nicht verhehlt.

Der Rechtsaußen beharrt auf der völkisch-nationalistischen Forderung nach dem Ende einer "Mischkultur". Er ändert jedoch Positionen, die als verfassungsfeindlich eingestuft werden könnten. Krah hütet sich neuerdings davor, für Ideen zu werben, die deutsche Staatsbürger mit Migrationshintergrund de jure zu Menschen zweiter Klasse machen würden - denn das widerspricht dem Grundgesetz. In dem Podcast meinte er: "Wenn Sie die Gleichheit der Staatsbürger angreifen, greifen Sie den Staat in seinem Fundament an", der dann "Zähne zeigen" und - Krah sagte es nicht wörtlich, aber meinte es so - der AfD den Garaus machen werde.

Auf Distanz zu Sellner

Wegen solcher Töne liegt Krah auch mit dem österreichischen Rechtsextremisten Martin Sellner im Clinch, der ein Konzept für "millionenfache Remigration" erstellt hat, das in AfD-Zirkeln gefeiert wird. Nach Feststellung des Bundesverwaltungsgerichts im Verfahren um das bei Rechtsextremen beliebte "Compact"-Magazin zielen Sellners Vorstellungen darauf ab, deutschen Staatsbürgern mit ausländischen Wurzeln grundlegende Rechte zu entziehen. Ähnlich urteilte das Oberverwaltungsgericht von Nordrhein-Westfalen im juristischen Tauziehen um eine Einstufung der AfD als rechtsextremen Verdachtsfall. Im Mai 2024 bescheinigte es Teilen der Partei, entgegen den Vorgaben der Verfassung "deutschen Staatsangehörigen mit Migrationshintergrund nur einen rechtlich abgewerteten Status zuzuerkennen".

Um dem Vorwurf einer "ethnischen Scheidung" zu begegnen, schlägt Krah unter Verweis auf die zwei Urteile vor, nicht länger auf die mehr oder weniger freiwillige Ausreise von Migranten mit deutschem Pass zu dringen. In einem Vortrag vor der AfD-Bundestagsfraktion, den Krah ins Internet stellte, wandte er sich gegen Angriffe aus den eigenen Reihen, ein "Softie" zu sein: Seine Vorschläge zu "Grenzen dicht" und zur Ausweisung "illegaler Einwanderer" seien insgesamt radikaler als die AfD-Beschlusslage. Es handele sich um "eine riesige Liste von Grausamkeiten". Allerdings solle und müsse hingenommen werden, dass sich Staatsbürger mit Wurzeln im Ausland in einzelnen Stadtvierteln "sammeln".

Krah poltert gegen Sellner

Faktisch liefe das auf die bewusste Schaffung von Parallelgesellschaften hinaus. Die Frage ist, ob die Verfassung es erlaubt, dass deutsche Staatsbürger mit Migrationshintergrund, wie es Krah andenkt, getrennt von "Ethno-Deutschen" in "ihren eigenen Communitys" leben und "eine gewisse Selbstorganisation und Selbstverwaltung" erhalten. "Wir akzeptieren, wie sie sind", sagte der Rechtsaußen. Dann seien "politische Partnerschaften" möglich "mit Einwanderergruppen, die sich selbst von der Regenbogenagenda bedroht fühlen".

Aus der AfD kommt Widerstand. "Forderungen nach einem Vielvölkerstaat mit faktischer Rassentrennung sind verfassungsfeindlich", erklärte der in Polen geborene Geschäftsführer der Hamburger AfD-Fraktion, Krzysztof Walczak, auf X. Remigration sei "absolut verfassungskonform" möglich. Sein Brandenburger Pendant Erik Lehnert, ein Vertrauter Kubitscheks, sagte laut "taz" kürzlich auf dem Sommerfest des Verlegers: "Es dreht sich um die Frage, was an erster Stelle steht: die Verfassung oder das Überleben des eigenen Volkes." Wenn das Grundgesetz "verhindert, dass wir überleben, muss man eben anders vorgehen".

Kubitschek gab vier Wochen nach dem Podcast bekannt, Krah als Autor seines Verlages gefeuert zu haben. Der Verlagschef fragte öffentlich, warum der Sachse die Debatte "so vergiftete und so sehr als Feindzeuge führt". Krahs Positionierung sei "irritierend" und solle signalisieren: "Ich bin nicht wie Sellner". Der Bundestagsabgeordnete war dennoch Gast auf Kubitscheks Fest. Dort sollte er mit Sellner ein Streitgespräch führen, das der Österreicher abgesagt habe. Der sei feige und ihm auf der Party aus dem Weg gegangen, erklärte der AfD-Politiker laut "taz". Weiter zitierte sie ihn: "Martin Sellner ist eine Pussy."

Quelle: ntv.de

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