Täglich zermürbende Fragen Al-Schifa-Chirurg will keine Verletzten mehr sehen
26.11.2023, 09:15 Uhr Artikel anhören
Ahmed Abunada (z.v.r.) und viele weitere Palästinenser wurden von Frank-Walter Steinmeier nach ihrer Ankunft aus Palästina empfangen.
(Foto: picture alliance / Anadolu)
Mitarbeiter bezeichnen das Al-Schifa-Krankenhaus noch vor wenigen Tagen als "Todeszone". Sie sprechen von zahlreichen Verletzten, von unklaren Aussichten. Ein Chirurg schildert nun die Situation an den OP-Tischen der Einrichtung.
Ahmed Abunada "will keine Verletzten mehr sehen". Anfang November verließ der Chirurg das Al-Schifa-Krankenhaus in der Stadt Gaza. Nun konnte er über den ägyptischen Grenzübergang Rafah aus dem Gazastreifen ausreisen und wurde am Freitag nach seiner Ankunft in Deutschland mit anderen Palästinensern mit deutschem Pass von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier empfangen. Die Zustände im größten Krankenhaus von Gaza habe er einfach nicht mehr ausgehalten, sagt der 47-Jährige.
In der Woche, in der er das Krankenhaus verließ, sei die Situation untragbar geworden, erzählt Ahmed Abunada: "Wir hatten keinen Strom, kein Wasser und keinen Sauerstoff. Ohne Sauerstoff aber kann man nicht operieren." Nach Beginn des Kriegs zwischen Israel und der radikalislamischen Hamas habe er immer wieder vor schwierigen Entscheidungen gestanden, sagt der Chefarzt von Al-Schifas Abteilung für Gefäßchirurgie: Lasse er "diesen Mann" oder "diese Frau" sterben; keine Zeit, ein schwerverletztes Kind wieder zusammenzuflicken, also amputieren - "das sind Entscheidungen für einen Arzt, die sehr schwer sind".
Ahmed Abunada hat in Deutschland studiert, ein Teil seiner Familie lebt in Hessen. Er selbst lebt seit acht Jahren mit seiner Frau und seinen vier Kindern in Gaza. Eines von ihnen wurde vor ihrer Abreise verletzt. Einige seiner Angehörigen sind im Gazastreifen geblieben, darunter seine 85-jährige Mutter, die zu Fuß in den Süden des Palästinensergebiets flüchten musste. Um sie macht er sich große Sorgen.
"Ich habe dort als Arzt gearbeitet, ich habe nichts mitbekommen"
Dass die Angriffe der israelischen Armee auf den Gazastreifen eine Reaktion auf den Großangriff der Hamas am 7. Oktober auf Israel ist, bei dem israelischen Angaben zufolge rund 1200 Menschen getötet und rund 240 weitere in verschleppt wurden, lässt er weitgehend unkommentiert. Zu den Vorwürfen der israelischen Armee, wonach die Hamas in seinem Krankenhaus eine Kommandozentrale unterhielt, sagt Ahmed Abunada nur kurz: "Ich habe dort als Arzt gearbeitet, ich habe nichts mitbekommen."
Der 47-Jährige hofft nach eigenen Angaben, dass die internationale Gemeinschaft in dem Krieg "beide Seiten" sieht und dabei vor allem die "humanitären und menschlichen Fragen" berücksichtigt.
Quelle: ntv.de, tkr/AFP