Politik

Konfrontation vor der Krim Alles nur ein PR-Stunt?

Über die Straße von Kertsch führt eine im Mai eröffnete Brücke. An der Bahnverbindung über die Querung wird noch gebaut.

Über die Straße von Kertsch führt eine im Mai eröffnete Brücke. An der Bahnverbindung über die Querung wird noch gebaut.

(Foto: REUTERS)

Vor der Krim kapert Russland drei ukrainische Kriegsschiffe. Die Ukraine versetzt ihre Armee in Alarmbereitschaft und will das Kriegsrecht verhängen. Russland wirft dem Nachbarn vor, den Vorfall bewusst provoziert zu haben.

Was ist passiert?

In der Straße von Kertsch im Schwarzen Meer haben russische Grenzschutzboote am Sonntag drei Schiffe der ukrainischen Marine beschossen und anschließend beschlagnahmt. Nach Informationen von Reuters liegen die Boote derzeit im Hafen der Stadt Kertsch auf der Halbinsel Krim. An den Schiffen seien keine Beschädigungen zu erkennen, sagte ein Mitarbeiter der Nachrichtenagentur.

Die Zeitung "Kyiv Post" veröffentlichte ein Video, das an Bord eines der russischen Schiffe aufgenommen worden sein soll. Es zeigt, wie ein ukrainisches Boot gerammt wird.

Russland hat die Krim 2014 annektiert. Ukrainische Schiffe, die vom Festland westlich der Krim ukrainische Häfen im Asowschen Meer ansteuern wollen, müssen durch den Kertsch-Jenikale-Kanal fahren, einen schmalen Schifffahrtskanal in der Straße von Kertsch zwischen der Krim und dem russischen Festland. Russland betrachtet die Meerenge als russisches Hoheitsgebiet.

Was sagt die Ukraine?

Über den Hintergrund des Vorfalls gibt es unterschiedliche Darstellungen. Die Ukraine sehe den Beschuss ihrer Schiffe "als Akt der Aggression gegen unseren Staat und als eine sehr ernste Bedrohung", sagte der ukrainische Präsident Petro Poroschenko. Die Marineschiffe hätten ins Asowsche Meer, zu den Häfen Mariupol und Berdjansk, verlegt werden sollen.

Generalstabschef Viktor Muschenko sagte, der Einsatz sei eine legale Operation gewesen, bei der keine militärischen Handlungen geplant gewesen seien. "Der Einsatz von Waffen durch die Russische Föderation und der Angriff auf die ukrainischen Schiffe waren grundlos", betonte Poroschenko. Ihm zufolge wurden sechs Seeleute verletzt, zwei davon schwer.

Was sagt Russland?

Nach russischer Darstellung wurden drei ukrainische Seeleute medizinisch versorgt. Sie befänden sich nicht in Lebensgefahr, teilte der russische Inlandsgeheimdienst FSB nach einem Bericht der Nachrichtenagentur Tass mit. Dem FSB zufolge hatten die drei ukrainischen Kriegsschiffe Russlands Staatsgrenze im Schwarzen Meer illegal überquert und "gefährliche Manöver" durchgeführt. Daraufhin seien Waffen eingesetzt worden, um sie zu stoppen.

Russlands Außenminister Sergej Lawrow nannte das ukrainische Vorgehen eine Provokation. "Die westlichen Unterstützer Kiews sollen dort jene zur Vernunft bringen, die aus Kriegshysterie politischen Profit schlagen wollen", sagte er. Der Außenpolitiker Konstantin Kossatschow, Mitglied im Föderationsrat, der zweiten Kammer des russischen Parlaments, warf der Ukraine vor, den Vorfall inszeniert zu haben, um das Kriegsrecht verhängen zu können. "Die ganze Provokation im Asowschen Meer wurde nur deshalb ausgeheckt", schrieb Kossatschow auf seiner Facebookseite.

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(Foto: n-tv.de / stepmap.de)

  Der "schamlose PR-Stunt" sei Auftakt zu Poroschenkos Wahlkampf, so Kossatschow weiter. In der Ukraine finden am 31. März Präsidentschaftswahlen statt. Zudem habe Poroschenko die Ukraine wieder in die internationalen Medien bringen wollen, um der internationalen Gemeinschaft einen Vorwand zu geben, Russland zu verurteilen.

Wie reagiert die Ukraine?

Nach Angaben des ukrainischen Verteidigungsministeriums wurden die Streitkräfte des Landes in "volle Alarmbereitschaft" versetzt. Poroschenko verhängte mittlerweile für 60 Tage das Kriegsrecht. Das Parlament muss noch zustimmen. Dies wird voraussichtlich heute Nachmittag passieren.

Poroschenko sagte, seine Regierung habe "Hunderte Anrufe" von Veteranen der Kämpfe im Donezk bekommen, die ihre Bereitschaft erklärt hätten, "den Staat zu verteidigen". Eine Mobilmachung habe er nicht angeordnet. Aber an die Adresse der Veteranen fügte er hinzu: "Seid bereit." Zugleich machte Poroschenko deutlich, dass sich an der Demarkationslinie zur Konfliktregion in der Ostukraine nichts ändern werde. "Aber wir müssen vorbereitet sein, um ein Szenario zu verhindern, dass die Russische Föderation in anderen Staaten angewandt hat."

Wie reagiert Russland?

Russland sperrte nach dem Vorfall den Kertsch-Jenikale-Kanal. Am frühen Montagmorgen wurde der Kanal wieder für zivile Schiffe geöffnet.

Zudem beantragte Russland eine Sondersitzung des UN-Sicherheitsrates, um über den Vorfall zu sprechen. Das Gremium wird um 17 Uhr MEZ zusammentreten - drei Stunden nachdem das ukrainische Parlament zu der Sitzung zusammenkommt, auf der das Kriegsrecht beschlossen werden soll.

Wie reagieren die USA?

Kaum. Der US-Sonderbeauftragte für die Ukraine, Kurt Volker, setzte einen empörten Tweet ab. "Russland rammt ein ukrainisches Schiff, das friedlich auf dem Weg zu einem ukrainischen Hafen ist", schrieb er. "Russland beschlagnahmt Schiffe und nimmt Mannschaften gefangen und wirft dann der Ukraine eine Provokation vor???"

Weitere Reaktionen von höherer Stelle gab es bislang nicht. US-Präsident Donald Trump kümmert sich auf Twitter bislang nur um die Abwehr der Migranten, die von Mexiko in die USA einreisen wollen.

Wie geht es weiter?

Die österreichische Außenministerin Karin Kneissl zeigte sich besorgt angesichts der militärischen Eskalation. Die EU werde angemessene Schritte diskutieren, twitterte sie. Österreich hat derzeit die EU-Ratspräsidentschaft inne.

Vertreter der Bundesrepublik, Frankreichs, der Ukraine und Russlands treffen sich noch heute in Berlin, teilte das Auswärtige Amt mit. Bundesaußenminister Heiko Maas nannte die Entwicklungen besorgniserregend und rief beide Seite zur Deeskalation auf. "Eine russische Blockade der Durchfahrt ins Asowsche Meer ist nicht akzeptabel", schrieb er auf Twitter.

Dem FSB zufolge ging es nicht darum, ukrainische Schiffe grundsätzlich davon abzuhalten, die Straße von Kertsch zu benutzen, um in das Asowsche Meer zu fahren. Die erlaubte Vorgehensweise für ukrainische Kriegsschiffe, die durch den Kertsch-Janikale-Kanal fahren, sei der Ukraine bekannt und bereits für "harmlose Passagen" benutzt worden, erklärte der russische Geheimdienst laut Tass.

Quelle: ntv.de, hvo

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