Berliner Wahlchaos Ampel einigt sich auf Modus zur Wahlwiederholung
19.10.2022, 20:03 Uhr
Inwieweit eine Wahlwiederholung die Zusammensetzung des Bundestags verändert, ist derzeit unklar.
(Foto: picture alliance/dpa)
Zwar soll die Bundestagswahl des vergangenen Jahres nun in mehr Berliner Wahlbezirken nachgeholt werden als zunächst gefordert. Doch die drei Ampelfraktionen bleiben weiter hinter den Forderungen des Bundeswahlleiters zurück. Dafür gibt es eine Begründung.
Die Bundestagswahl vom September vergangenen Jahres soll nach dem Willen der Ampel-Fraktionen wegen zahlreicher Pannen in Berlin in 431 Wahlbezirken wiederholt werden. Eine entsprechende Empfehlung solle der Wahlprüfungsausschuss des Parlaments am Donnerstag an den Bundestag aussprechen, heißt es in einer Erklärung der Ersten Parlamentarischen Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer Katja Mast von der SPD, Irene Mihalic von den Grünen und Johannes Vogel von der FDP.
Diese Empfehlung solle der Bundestag dann am 10. oder 11. November beraten. Dort, wo die Wahl wiederholt werde, solle dies mit den gleichen Wahlzetteln wie bei der ursprünglichen Wahl geschehen, hieß es weiter. Dies würde bedeuten, dass die jeweiligen Berliner erneut eine Erst- und eine Zweitstimme abgeben könnten.
Die Koalitionsfraktionen korrigierten damit ihre bisherigen Ansagen. Danach sollte nur in rund 300 Wahlbezirken erneut gewählt werden - und das auch nur mit der Zweitstimme. Auch der jetzige Vorstoß bleibt aber weit hinter der Forderung des Bundeswahlleiters zurück, die Wahl in sechs der zwölf Berliner Wahlkreise komplett zu wiederholen. Die zwölf Wahlkreise sind in insgesamt 2256 Wahlbezirke unterteilt.
Auswirkungen auf Sitzverteilung unklar
Welche genauen Auswirkungen die Wahlwiederholung haben wird, ist unklar. "Es gibt da unterschiedlichste Szenarien", sagte die Vorsitzende des Wahlprüfungsausschusses, Daniela Ludwig von der CSU. Es könne passieren, dass danach zum Beispiel weniger Abgeordnete aus Berlin im Bundestag sitzen werden. Es könne auch sein, dass ein Abgeordneter aus einem anderen Bundesland wieder aus dem Parlament falle. "Aber das ist reine Spekulation."
Am 26. September 2021 waren in Berlin auch das Abgeordnetenhaus und die zwölf Bezirksparlamente neu gewählt worden. Hinzu kam ein Volksentscheid zur Enteignung großer Wohnungskonzerne. Es gab massive Probleme wie falsche oder fehlende Stimmzettel, zu wenige Wahlurnen, die zeitweise Schließung von Wahllokalen, teils stundenlange Wartezeiten. Mancherorts stimmten Wähler noch weit nach 18 Uhr oder auf eilig kopierten Stimmzetteln ab, weil Nachschub fehlte. Behindert wurde die Wahl teils auch durch Sperrungen aufgrund des am selben Tag stattfindenden Berlin-Marathons. Parallel zur Wiederholung der Bundestagswahl könnte auch die Abgeordnetenhauswahl erneut erfolgen. Darüber entscheidet das Berliner Verfassungsgericht.
"Wir wollen die Bundestagswahl dort wiederholen, wo tatsächlich Bürgerinnen und Bürger ihre Stimme aufgrund von festgestellten Wahlfehlern nicht abgeben konnten", erklärten die drei Vertreter der Ampel-Koalition nun. "Vermutungen über sonstige Wahlfehler in nicht vom Bundeswahlleiter angegriffenen Wahlbezirken rechtfertigen nach unserer Auffassung keine Wahlwiederholung."
Ampel-Fraktionen fordern Abwägung
Das Erfordernis des Bestandsschutzes einer gewählten Volksvertretung sei mit den Auswirkungen eines konkret festgestellten Wahlfehlers abzuwägen, heißt es in der Erklärung zur Begründung. "Es geht auch um die Rechtssicherheit des Wahlergebnisses vom 26. September 2021. Rund 70 Prozent der Wählerinnen und Wähler haben ihre Stimme abgegeben. Deren gültiges Votum gilt es ebenfalls zu respektieren."
Die drei Fraktionsmanager erklärten, in der Demokratie dürfe es hinsichtlich der Stimmabgabe der Wählerinnen und Wähler keinen Vertrauensverlust geben. Diese müssten sicher sein, dass sie ihre Stimme abgeben könnten. "Alles andere würde der Demokratie insgesamt schaden", erklärten Mast, Mihalic und Vogel. "Es gilt eine ganz einfache Regel: Wo es relevante Wahlfehler gab, gibt es eine Wiederholungswahl. Wo es keine Wahlfehler gab, gibt es keine Wiederholungswahl."
Der Obmann der Union im Wahlprüfungsausschuss, Patrick Schnieder, warf der Ampel vor, dass es ihr "in erster Linie um parteipolitische Erwägungen geht". Erst habe sich der Ausschuss auf eine Wiederholung in rund 440 Wahlbezirken geeinigt, dann habe die Ampel dies auf rund 300 reduziert, um nun doch wieder fast zur alten Zahl zu kommen. "Hier wird so lange an den juristischen Stellschrauben gedreht, bis das politische gewünschte Ergebnis herauskommt. Das grenzt an Willkür", sagte Schnieder bei "Welt".
Quelle: ntv.de, mli/dpa