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"Ein bisschen wie Bauchspeck" Ampel will Bürokratie mit neuem Gesetz an den Kragen

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Die geplanten Änderungen betreffen unterschiedliche Bereiche, so etwa das Handelsgesetzbuch und das Umsatzsteuergesetz.

Die geplanten Änderungen betreffen unterschiedliche Bereiche, so etwa das Handelsgesetzbuch und das Umsatzsteuergesetz.

(Foto: picture alliance / photothek)

Die Regierung bringt Maßnahmen auf den Weg, um das Vorschriften-Dickicht in Deutschland Schritt für Schritt zu lichten. Justizminister Buschmann lobt den Vorstoß als ersten Schritt in Richtung Bürokratie-Abbau. Der Industrie geht er nicht weit genug.

Die Bundesregierung will überflüssige Regelungen streichen und so den bürokratischen Aufwand für Unternehmen sowie Bürgerinnen und Bürger reduzieren. Das Kabinett beschloss das geplante Bürokratieentlastungsgesetz IV, wie das Bundesjustizministerium mitteilte. Die geplanten Änderungen betreffen unterschiedliche Bereiche, so etwa das Handelsgesetzbuch, das Umsatzsteuergesetz, das Bundesmeldegesetz und das Unterhaltsvorschussgesetz.

Das Entlastungsvolumen für die Wirtschaft wird dabei auf gut 944 Millionen Euro pro Jahr beziffert. Das sind über 260 Millionen Euro mehr, als zunächst vorgesehen waren. Konkret sollen beispielsweise deutsche Staatsbürger in Hotels demnächst keine Meldezettel mehr ausfüllen müssen. Außerdem sollen Buchungsbelege künftig nur acht statt zehn Jahre aufbewahrt werden müssen. Auch sollen Betriebskostenabrechnungen digitalisiert werden. Reisende sollen künftig die Option bekommen, bei der Flugabfertigung Reisepässe digital vorzuzeigen. Das Gesetz muss noch von Bundesrat und Bundestag beraten und beschlossen werden.

Das Justizministerium rechnet mit einem Steuerausfall von 200 Millionen Euro, 89 Millionen entfallen dabei auf den Bund. Zusammen mit weiteren Maßnahmen der Ampel-Regierung aus SPD, Grünen und FDP soll das Entlastungsvolumen für Unternehmen insgesamt bei rund fünf Milliarden Euro pro Jahr liegen. Bundesjustizminister Marco Buschmann, der das Thema in der Ampel-Regierung maßgeblich verantwortet, preist den Bürokratieabbau als "Konjunkturprogramm zum Nulltarif" an. Er hatte zuletzt betont, das Entlastungsgesetz sei nur eines von vielen Vorhaben der Ampel-Regierung zur Reduzierung bürokratischer Lasten.

Industrie: Regierung verpasst "Befreiungsschlag"

Die starke Bürokratie in Deutschland ist aus Sicht von Wirtschaftsverbänden eines der größten Probleme für Firmen. Besserung haben sie - anders als die Regierung - zuletzt noch nicht ausgemacht. Die Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Tanja Gönner, hatte das geplante Bürokratieentlastungsgesetz kritisch bewertet. "Während viele Unternehmen hohe - und weiterwachsende - Bürokratie als Standortnachteil benennen, verpasst die Bundesregierung mit dem Entwurf zum vierten Bürokratieentlastungsgesetz den überfälligen Befreiungsschlag", sagte sie.

Die ohnehin wenigen, noch dazu viel zu kleinteiligen Maßnahmen blieben weit hinter den Erwartungen zurück. Wenn Bundesministerien offenbar der politische Wille fehle, sollten zumindest praktische Instrumente zum Einsatz kommen. Ressortübergreifende Praxischecks unter Einbindung unternehmerischer Perspektiven seien geeignet, unnötige Bürokratie abzubauen.

"Obwohl längst zahlreiche Entlastungsvorschläge aus der Wirtschaft vorliegen, wurden im Bürokratieentlastungsgesetz nur elf von 442 Vorschlägen adressiert", bemängelte Gönner. "Das reicht vorne und hinten nicht." Der BDI schlage in einem Positionspapier 17 Projekte zur Entbürokratisierung vor und fordere neben weiteren Entlastungsvorschlägen, den Aufwand des nationalen Lieferkettengesetzes zu reduzieren.

Buschmann hatte Verständnis für die Kritik geäußert, das geplante Gesetz gehe nicht weit genug. Trotz der geplanten Entlastungen hätten "die Menschen in der Wirtschaft recht, weil wir haben es natürlich in Deutschland bei der Bürokratie zu einer Weltmeisterschaft gebracht", sagte der FDP-Politiker im ARD-Morgenmagazin. "Das ist so ein bisschen, wie wenn man sich über Jahre so einen Bauch an Bauchspeck anfrisst, den kriegt man nicht über Nacht mit einem Knopfdruck weg. Aber wir müssen ja mal anfangen. Und der erste Schritt, den wir jetzt gemacht haben, ist schon ganz beachtlich." Demnach handele es sich um das größte Bürokratieentlastungspaket, "das es je in der Geschichte dieses Landes gab", so Buschmann.

Quelle: ntv.de, spl/dpa/DJ/rts

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