Mehr Tempo, weniger Hürden Ampel will mit "Gebäude-E-Gesetz" den Bau-Turbo zünden
06.11.2024, 16:28 Uhr Artikel anhören
Vom Ziel, jährlich 400.000 neue Wohnungen zu bauen, ist die Ampel meilenweit entfernt.
(Foto: picture alliance / SULUPRESS.DE)
Die Bauwirtschaft in Deutschland lahmt seit Jahren. Neben weltweiten politischen Entwicklungen gibt es viele hausgemachte Probleme. Das Kabinett beschließt nun das "Gebäude-E-Gesetz" und erhofft sich mehr Tempo dank weniger Bürokratie. Die Bauwirtschaft ist skeptisch.
Die Bundesregierung will mit einer Änderung des Baugesetzbuches die Schaffung von Wohnraum erleichtern. Das Kabinett billigte dazu eine Vorlage von Bauministerin Klara Geywitz. So soll das Aufstellen von Bebauungsplänen in den Gemeinden beschleunigt werden. In Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten sollen Erweiterungen von Gebäuden erleichtert werden, etwa Aufstockungen. Zudem soll auch in zweiter Reihe auf Grundstücken oder in Höfen gebaut werden können. Bei angespannten Wohnungsmärkten bekommen Länder einen Genehmigungsvorbehalt für die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen.
Das überarbeitete Baugesetzbuch sei systematischer, effizienter und moderner, sagte Geywitz. "Wir sorgen außerdem für mehr Tempo beim Planen und Bauen." Die Bau- und Immobilienlobby sieht zwar einen Schritt in die richtige Richtung, aber noch keinen großen Wurf für mehr Wohnraum.
"Gebäudetyp-E-Gesetz" heißt es. E soll für "einfach, experimentell und entbürokratisiert" stehen. Bauunternehmen sollen damit vom Baustandard abweichen können. Die Gebäudesicherheit bleibe davon unberührt, versicherte Geywitz. Wer baut, muss sich aktuell an die "anerkannten Regeln der Technik" halten - genauer definiert sind diese aber nicht, sie ergeben sich aus der Rechtsprechung. Rechtssicher ist deshalb nur, was sich in der Praxis bewährt hat.
Bebauungspläne binnen zwölf Monaten
"Bebauungspläne dürfen nicht mehr Jahre dauern", sagte Geywitz. "Künftig sollen sie innerhalb von zwölf Monaten nach Ende des Beteiligungsverfahrens vorliegen." Zudem fördere man Wohneigentum und schütze Mieter. Ferner sollen auch Musikclubs dann leichter etwa in Gewerbegebieten errichtet und von dort nicht mehr so leicht verdrängt werden, erklärte die SPD-Politikerin. Das überarbeitete Baugesetzbuch mache "das Wohnen, Bauen und Leben in Stadt und Land besser".
"Mit dem Gebäudetyp E überlassen wir kostenintensive, komfortbezogene Entscheidungen darüber, wie künftig gewohnt werden soll, den Vertragsparteien", erläuterte Geywitz. "Ob ich dann 47 Steckdosen in meiner Dreizimmerwohnung brauche oder nur 30, kann ich in direkter Abstimmung und Abwägung mit meinem Planer entscheiden." Das könne Bauherren finanziell entlasten.
Konkret kann mit dem Gebäudetyp-E-Gesetz von den anerkannten Regeln der Technik abgewichen werden; dies wird dann nicht als Sachmangel angesehen. Bestimmte technische Normen und Regeln sind laut Gesetz ohne ausdrückliche Vereinbarung nicht mehr Gegenstand der Leistungspflicht.
Acht Milliarden Euro Ersparnis möglich
Fachleute schätzten, dass sich mit der Vereinfachung jährlich über acht Milliarden Euro Baukosten einsparen lassen, wie Bundesjustizminister Mario Buschmann betonte. Die hohen Kosten fürs Bauen seien ein wesentlicher Grund für den Wohnungsmangel in Deutschland. "Die Kosten müssen also runter."
Der Zentralverband Deutsches Baugewerbe (ZDB) sprach von Licht und Schatten bei der Gesetzesänderung. "Die erleichterten Möglichkeiten zur Aufstockung und Hinterhofbebauung sind sinnvoll und ermöglichen gerade im angespannten innerstädtischen Bereich die Schaffung von Wohnraum, ohne dass ein bestehender Bebauungsplan geändert werden muss", erklärte ZDB-Hauptgeschäftsführer Felix Pakleppa. Auch ein Beschleunigen von Bebauungsplänen sei gut. Anpassungsbedarf gebe es noch bei Lärmschutzbestimmungen, um die Baulandentwicklung zu fördern und Wohnbebauung zu ermöglichen.
Der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie (HDB) sprach von einer Politik der homöopathischen Schritte. "Der heute beschlossene Entwurf zur Novellierung des Baugesetzbuches beweist, dass gut gemeint noch nicht ausreichend ist", kritisierte HDB-Hauptgeschäftsführer Tim-Oliver Müller. "Der Wohnungsbau und mit ihm Hunderttausende Mieterinnen und Mieter warten auf den großen Wurf, der ausreichend Wohnraum schafft."
Der Spitzenverband der Immobilienwirtschaft, der Zentrale Immobilien Ausschuss (ZIA), reagierte weitgehend positiv. "Wir freuen uns, dass nach jahrelangen total ermüdenden Debatten endlich eine echte Novelle des Baugesetzbuches kommt", sagte ZIA-Präsidentin Iris Schöberl. Wichtig sei, dass in wachsenden Ballungsräumen nun sogenannte Nachverdichtungen möglich seien. "Es können brachliegende Grundstücke schneller genutzt und Dachgeschoss-Aufbauten schneller realisiert werden." Der ZIA appelliert an die Gemeinden, sich der "neuen Offenheit" nicht durch starre Regelungen zu verweigern.
Der Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW) sieht zwar gute Ansätze. GdW-Präsident Axel Gedaschko betonte aber: "Den notwendigen, deutlichen 'Ruck' für den Wohnungsbau ermöglicht der Gesetzentwurf leider nicht."
Quelle: ntv.de, als/rts/AFP