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Partei von Babis siegt bei Wahl Der "tschechische Trump" feiert sein Comeback

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Andrej Babis und seine "Aktion unzufriedener Bürger" sind zurück an der Spitze.

Andrej Babis und seine "Aktion unzufriedener Bürger" sind zurück an der Spitze.

(Foto: REUTERS)

Nach dem deutlichen Wahlsieg von Andrej Babis und seiner ANO-Partei dürfte künftig ein anderer Wind in Prag wehen. Der Milliardär will die militärische Hilfe für die Ukraine runterfahren, irreguläre Migration bekämpfen und den Staat zurechtstutzen. Doch er verhält sich durchaus ambivalent.

Andrej Babis ist schon "tschechischer Trump" genannt worden, wegen seines Reichtums und seiner populistischen Rhetorik, "tschechischer Berlusconi", nachdem er einen Teil der größten Medien im Land gekauft hatte. Mit dem klaren Sieg seiner Partei ANO bei der Parlamentswahl in Tschechien ist dem Multimilliardär und ehemaligen Regierungschef nun ein aufsehenerregendes politisches Comeback gelungen.

Seine Partei kam bei der zweitägigen Parlamentswahl am Freitag und Samstag auf rund 35 Prozent und landete damit weit vor dem Parteienbündnis Spolu (Gemeinsam) des bisherigen konservativen Ministerpräsidenten Petr Fiala, das es mit rund 23 Prozent nur auf den zweiten Platz schaffte.

Das EU- und Nato-Mitgliedsland Tschechien, so lautet die Einschätzung mancher Beobachter, könnte sich unter einer erneuten Babis-Regierung drastisch wandeln: von einem der entschlossensten Verbündeten der Ukraine zu einem Land, das dem russischen Präsidenten Wladimir Putin die Hand reicht - wie Ungarn unter Regierungschef Viktor Orban und die Slowakei unter Robert Fico.

Dabei ist Andrej Babis ein Sonderfall unter Europas Populisten. Seine 2012 gegründete Partei heißt "ANO". Das ist einerseits die Abkürzung für "Aktion unzufriedener Bürger" - und andererseits das tschechische Wort für "Ja". Der 71-Jährige sagt zu vielem Ja: Er inszeniert sich als Unterstützer von US-Präsident Donald Trump - hat dessen Zollpolitik aber als "verrückt" bezeichnet. "Verrückt" nennt Babis heute auch das "Green Deal"-Klimaschutzprogramm der EU - dem Tschechien 2019 unter seiner Regierung zugestimmt hatte.

Ermittlungen wegen Geldwäsche und Steuerbetrug

Babis, 1954 als Diplomatensohn in der heutigen slowakischen Hauptstadt Bratislava geboren, war bis zum Alter von Mitte 30 kommunistischer Parteigänger - heute will er den Staat zurechtstutzen. Als in Tschechien nach der Wende die Staatsbetriebe privatisiert wurden und die Marktwirtschaft Einzug hielt, wurde er zum umtriebigen Unternehmer. Sein 1993 gegründeter, internationaler Agrar- und Chemiekonzern Agrofert ist heute mit 21.000 Jobs in Tschechien einer der größten Arbeitgeber des Landes.

Über die Jahre kaufte Agrofert zudem zahlreiche Medien, darunter die reichweitenstarke Tageszeitung "Dnes". Später trennte sich die Gruppe davon wieder. Babis' Privatvermögen umfasst der Forbes-Liste zufolge 3,9 Milliarden Euro, er ist der siebtreichste Mensch des Landes.

Immer wieder wird Babis vorgeworfen, private Interessen und Politik zu vermengen. 2023 wurde er nach jahrelangen Ermittlungen vom Vorwurf freigesprochen, illegal EU-Fördermittel für sein Luxusresort Storchennest nahe Prag erhalten zu haben. Seit 2022 ermittelt aber die französische Staatsanwaltschaft gegen ihn wegen des Verdachts der Geldwäsche und des Steuerbetrugs im Zusammenhang mit dem Kauf eines Schlosses an der Côte d'Azur. Die Ermittlungen dauern an.

Während Babis' erster Amtszeit zwischen 2017 und 2021 gab es Großdemonstrationen gegen seine Regierung. Im Sommer 2019 protestierten auf der Prager Letná-Höhe rund 250.000 Menschen gegen ihn, die größte Protestveranstaltung seit dem gewaltfreien Ende des Kommunismus im Herbst 1989.

Selbsternannter "Friedenstifter"

Ungeachtet dieser Schatten kommt Babis bei einem erheblichen Teil der tschechischen Bevölkerung weiterhin gut an: wegen seiner direkten, oft ungehobelten Sprache, wegen des von ihm gepflegten Images als unermüdlicher Arbeiter, wegen seiner harten Haltung gegen irreguläre Migration - und, weil er mit den Ängsten vieler Menschen vor einer Ausweitung des Ukraine-Krieges nach Westen spielt. Babis bezeichnet sich selbst als "Friedenstifter", hat sich gegen die tschechische Militärhilfe für die Ukraine und für einen möglichst raschen Waffenstillstand ausgesprochen.

Andererseits weiß Babis um die tief verwurzelte Abneigung gegen Russland in seinem Land. Das Trauma von 1968 - die Niederschlagung des Prager Frühlings durch die Panzer der Sowjetunion und anderer Ostblock-Staaten - prägt Tschechien bis heute. Die Solidarität für die Ukraine und die Zustimmung zur Nato-Mitgliedschaft sind parteiübergreifend groß.

Die Parlamentswahl war für Babis schon der zweite Anlauf auf dem Weg zurück ins Zentrum der Macht. Im Januar 2023 scheiterte er bei der Präsidentschaftswahl an dem früheren Nato-General und entschlossenen Pro-Europäer Petr Pavel. In seiner ersten Amtszeit profilierte sich Babis zwar als entschlossener Gegner jeglicher irregulären Migration und aus seiner Sicht zu ambitionierter Klimapolitik. Unter dem Strich aber blieb er ein zuverlässiger EU-Partner, weit entfernt vom Konfrontationskurs seines ungarischen Kollegen Orban.

Im Jahr 2021 kam der tschechische Geheimdienst zu dem Schluss, dass Russland für die 2014 erfolgte tödliche Explosion in einem Munitionslager in Osttschechien verantwortlich war - Babis sprach von einem "beispiellosen Terroranschlag", seine Regierung wies 18 russische Diplomaten aus.

Quelle: ntv.de, Jan Flemr und Sebastian Heinrich, AFP

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