Politik

"Pflege wird zu Armutsrisiko" Eigenanteile in der Pflege sollen trotz Reform bleiben

00:00
Diese Audioversion wurde künstlich generiert. Mehr Infos
Der durchschnittliche Eigenanteil Angehöriger für einen Platz im Pflegeheim liegt Berechnungen zufolge bei 3000 Euro im Monat.

Der durchschnittliche Eigenanteil Angehöriger für einen Platz im Pflegeheim liegt Berechnungen zufolge bei 3000 Euro im Monat.

(Foto: picture alliance/dpa)

Pflegebedürftige und Angehörige müssen im Schnitt mehrere Tausend Euro monatlich für einen Heimplatz beisteuern. Eine Kommission legt nun Vorschläge vor, um gegenzusteuern. Ministerin Warken will unter anderem Leistungen auf den Prüfstand stellen.

Bund und Länder wollen daran festhalten, dass die Pflegeversicherung nur einen Teil der Kosten für die Betreuung Pflegebedürftiger übernimmt. Ein beträchtlicher Anteil soll damit weiter durch Eigenanteile beglichen werden, wobei deren Anstieg gedämpft werden soll. Diese Weichenstellung nahm eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe in ihrem veröffentlichten Zwischenbericht vor. Die Vorschläge stießen auf harsche Kritik. Die SPD forderte eine Deckelung der Eigenanteile, Sozialverbände die Einführung einer Pflege-Vollversicherung.

Die rasch steigenden Eigenanteile sind für die rund 5,7 Millionen Pflegebedürftigen und deren Angehörige oft eine große Belastung. Der durchschnittliche Eigenanteil für einen Platz im Pflegeheim liegt nach Berechnungen des Verbands der Ersatzkassen inzwischen bei monatlich mehr als 3000 Euro im ersten Jahr, der Eigenanteil für die reine Pflege bei mehr als 1800 Euro. Bei einem vollstationären Pflegeheimplatz steigen allerdings die Zuschüsse in den folgenden Jahren.

Eine Pflege-Vollversicherung, die für die gesamten Kosten aufkommt, planen Bund und Länder aber nicht. Die Versicherung soll als Umlage- und Teilleistungssystem fortgeführt werden. Es müssten aber "Lösungen zur Begrenzung beziehungsweise Dämpfung der steigenden Eigenanteile gefunden werden", heißt es in der Erklärung des Bundesgesundheitsministeriums.

Im Zwischenbericht der Arbeitsgruppe "Zukunftspakt Pflege" werden hierzu drei Modelle angeführt: Eine automatische Erhöhung der Zahlungen aus der Pflegeversicherung, orientiert an Inflation oder Lohnentwicklung; eine Deckelung der monatlichen Eigenanteile bei der vollstationären Pflege; und der verpflichtende Abschluss einer Pflegekostenversicherung zur Absicherung der Eigenanteile.

Gesundheitsministerin: Konsens, dass es keine Vollversicherung geben wird

Die Zwischenergebnisse der im Juli eingesetzten Arbeitsgruppe waren am Montag in einer digitalen Sitzung ausgehandelt worden. Im Dezember soll die Gruppe abschließende Empfehlungen für eine grundlegende Reform der Pflegeversicherung vorlegen, die unter massiven Finanzproblemen leidet.

Bundesgesundheitsministerin Nina Warken erklärte, dass "stetige Beitragssteigerungen und Mehrbelastungen nicht die Lösung sein" könnten. "Zur Effizienzsteigerung müssen die Potenziale in der Versorgung stärker und die Wirkung bisheriger Leistungen auf den Prüfstand gehoben werden", erklärte sie. Die Ministerin machte deutlich, dass hier schwierige Kompromisse anstehen könnten: "Die Einnahmen im System müssen ausreichen, um das Leistungsversprechen zu finanzieren. Wir kommen um diese Debatten nicht herum."

Das "gemeinsame Verständnis" von Bund und Ländern sei es, dass die Pflegeversicherung nicht in eine Vollversicherung umgewandelt wird, erklärte Warkens Ministerium. Das heißt, dass Betroffene einen Teil der Pflegekosten weiter selbst tragen müssten.

DGB-Kritik: Pflege im Alter wird zu Armutsrisiko

An dieser Weichenstellung entzündete sich Kritik. Die SPD-Bundestagsfraktion forderte die Deckelung des Eigenanteils - und längerfristig auch die Einführung einer Pflege-Vollversicherung, "denn Würde in der Pflege darf keine Frage des Geldbeutels sein", erklärten SPD-Fraktionsvize Dagmar Schmidt und der Gesundheitsexperte der Fraktion, Christos Pantazis.

Ähnlich äußerte sich der Deutsche Gewerkschaftsbund. "Pflege im Alter ist mehr und mehr zum Armutsrisiko geworden", erklärte DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel. "Das erste Zwischenergebnis der Bund-Länder-Arbeitsgruppe ist nicht die erwartete gute Nachricht für eine Reform, die Pflegebedürftige und ihre Familien entlastet."

Der Paritätische Gesamtverband kritisierte die Reform als "Stückwerk": "Wir brauchen eine Pflegeversicherung, die die Menschen wirklich absichert - vollständig und verlässlich, nicht nur teilweise."

Bund und Länder wollen dem Zwischenbericht zufolge zudem grundsätzlich an der Pflegestufe 1 festhalten, die vor allem für Demenzkranke Leistungen aus der Pflegeversicherung bietet. Die Leistungen in dieser Pflegestufe sollten aber "stärker auf Prävention konzentriert werden", etwa für eine verbesserte pflegefachliche Begleitung, erklärte das Ministerium. In den vergangenen Wochen hatten Berichte über angebliche Pläne, diese Pflegestufe aus Kostengründen abzuschaffen, für Kritik und Verunsicherung gesorgt.

Quelle: ntv.de, gri/AFP

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen