Politik

Wahlrecht ab Geburt "Auch Sechsjährige sollten wählen können"

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Noch darf dieses Kind nicht wählen - aber auf Dauer wird es das Wahlrecht ab Geburt geben, sagt der Geschäftsführer des Familienverbands.

(Foto: picture alliance / Daniel Reinha)

Bislang sind 13 Millionen Deutsche vom Wahlrecht ausgeschlossen - das sind immerhin fast 20 Prozent der potenziell Wahlberechtigten. Der Familienverband fordert, dies zu ändern: durch ein "Wahlrecht ab Geburt".

n-tv.de: Sollen Kleinkinder künftig auf dem Wahlzettel ankreuzen dürfen, wen sie im Parlament sehen wollen?

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Sebastian Heimann ist Bundesgeschäftsführer des Deutschen Familienverbands.

Sebastian Heimann: Eigentlich müsste die Frage lauten, warum Kinder und Jugendliche nicht schon längst wählen dürfen. Natürlich wird ein Säugling oder ein Kleinkind nicht selbst zur Wahlkabine gehen und dort sein Kreuz machen. Aber es gibt die Möglichkeit, schon aus Artikel 6 des Grundgesetzes heraus, dass in diesem Falle die Eltern das Wahlrecht treuhänderisch ausüben.

Sie wollen kein Mindestalter festlegen?

Richtig.

Und wenn ein Sechsjähriger sagt, dass er selbst wählen will?

Dann lässt er sich ins Wahlregister eintragen und das treuhänderische Wahlrecht seiner Eltern erlischt. Ich glaube nicht, dass wir Angst vor mehr Demokratie haben müssen. Aktuelle Studien zeigen, dass Kinder und Jugendliche an Politik interessiert sind und mitbestimmen möchten. Das Problem ist, dass ihnen verboten wird, zu wählen. Für den Bundestag und die Landesparlamente ist das ein erhebliches Legitimationsproblem.

Warum fordern Sie kein Elternwahlrecht, bei dem die Eltern bis zur Volljährigkeit ihrer Kinder für diese mitwählen dürfen?

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, ein Familienwahlrecht herbeizuführen - zum Beispiel auch das Kinderwahlrecht, das von Geburt an gilt. Bei uns im Verband und unter unseren Botschaftern gibt es durchaus Befürworter eines Elternwahlrechts. Aber wenn wir die demokratische Basis unseres Staates erweitern wollen, dann kommen wir nicht umhin, Kinder und Jugendliche, wenn sie es möchten, selbst wählen zu lassen.

Befürchten Sie nicht, dass Wähler, die keine Kinder haben, eine solche Regelung als Angriff auf ihre Grundrechte verstehen würden?

Eigentlich ist es genau andersherum: Die Tatsache, dass 13 Millionen Bürger vom Wahlrecht ausgeschlossen werden, ist ein Angriff auf die Grundrechte. Wenn sich Bundestag und Bundesrat irgendwann entscheiden, die entsprechende Grundgesetzänderung von Artikel 38, Absatz zwei zu beschließen, dann würde das Wahlrecht ausgeweitet, aber niemandem würde etwas weggenommen. Kinderlose sollten keine Angst haben, wenn mehr Menschen wählen dürfen als bisher.

Haben Sie juristisch prüfen lassen, ob ein Wahlrecht ab Geburt verfassungsgemäß wäre?

Es gibt in der juristischen Literatur die Auffassung, dass ein Wahlrecht ab Geburt grundgesetzwidrig wäre. Aber es gibt auch renommierte Verfassungsrechtler, die das für möglich halten, etwa der ehemalige Verfassungsrichter Paul Kirchhof oder der im Januar verstorbene Altbundespräsident Roman Herzog, ebenfalls ein ehemaliger Richter am Bundesverfassungsgericht.

Sie haben für Ihre Kampagne Unterstützer aus unterschiedlichen Parteien gewonnen. Gibt es eine Partei, die sich diese Forderung bereits zu eigen gemacht hat?

Da leisten wir noch Lobby-Arbeit. Es gab im Bundestag zwei überfraktionelle Gesetzesinitiativen, 2003 und 2008. Aber bisher hat sich die Politik noch nicht dazu entschlossen, Kindern und Jugendlichen das Wahlrecht zu geben. Deshalb haben wir unsere Kampagne gestartet. Wir wollen im Bundestagswahlkampf darauf aufmerksam machen, dass Millionen Deutsche nicht wählen dürfen. Wahlberechtigt sind rund 30 Millionen Männer und 32 Millionen Frauen. 13 Millionen Bürger sind von diesem Grundrecht ausgeschlossen - das sind immerhin fast 20 Prozent der potenziell Wahlberechtigten. Wir als Familienverband und auch unsere Botschafter sagen: Das ist ein Problem, das müssen wir auf die Agenda bringen. Ich bin sicher, dass wir es noch erleben, dass ein Familienwahlrecht kommt.

Mit Sebastian Heimann sprach Hubertus Volmer

Quelle: ntv.de

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