Politik

Ukraine-Diplomatie in der Krise Auf ein Foto mit der Kanzlerin

Ukraine-Präsident Poroschenko traf sich in Berlin mit Angela Merkel.

Ukraine-Präsident Poroschenko traf sich in Berlin mit Angela Merkel.

(Foto: AP)

Merkel und Kerry treffen Putin, Poroschenko besucht Merkel in Berlin: Innerhalb von vier Tagen treffen sich die Protagonisten der Ukraine-Krise. Sie tun nicht einmal mehr so, als könnten sie etwas bewegen.

Petro Poroschenko weiß inzwischen, wie es abläuft in Berlin. Der ukrainische Präsident steht vor Mikrofonen, blickt auf die Journalisten und lauscht den Worten der Kanzlerin. Als Poroschenko an der Reihe ist, dankt er höflich für das Treffen. Als er sich etwas später vorsichtig optimistisch zum Minsker Abkommen bekennt, schaut Angela Merkel kurz herüber. Poroschenko hat gesagt, was sie hören will. Was dann kommt, ist Routine: Die Kanzlerin zeigt mit der Hand nach rechts, wo eine deutsche und eine ukrainische Fahne aufgestellt sind. "Wir machen noch ein Foto", flüstert sie. Beide reichen sich die Hand und versuchen, nicht allzu ernst in die Kameras zu schauen.

Poroschenko in Berlin, US-Außenminister John Kerry und Merkel bei Russlands Präsident Wladimir Putin: Es sind die Tage der Pendeldiplomaten. Gespräche hinter verschlossenen Türen, öffentliche Statements, Gesten. Die Bemühungen, den Konflikt in der Ukraine zu befrieden, nehmen neue Fahrt auf. Die Staatschefs versuchen, den Eindruck zu vermitteln, dass sich etwas tut, dass die Lage nicht aussichtslos ist. Tatsächlich ändert sich jedoch so gut wie nichts. Die Ukraine-Diplomatie ist an einem toten Punkt angekommen.

Wie verzweifelt die Lage ist, zeigen die seit Wochen wiederkehrenden, fast wortgleichen Floskeln. Kremlchef Putin betonte beim Treffen mit der Kanzlerin am Wochenende, es gebe keine Alternative zu einer friedlichen und diplomatischen Lösung. "Wir sind überzeugt, dass wir das nur durch einen direkten Dialog gewährleisten können." Es sind Sätze, die man vor den Pressekonferenzen inzwischen zielsicher vorhersagen kann, die gefühlt schon hundert Mal gesagt wurden. Die Kanzlerin und Kerry fordern von Putin, auf die Separatisten einzuwirken. Der gelobt, wie so oft, seinen Einfluss geltend zu machen. Eine absolute Ausnahme markierte Merkel, als sie die Annexion der Krim in Moskau "verbrecherisch" nannte.

Eine "wunderbare Diskussion"

Bei der Beurteilung zählt jeder Nebensatz, jede Geste, jedes Lächeln. Hat das alles einen Sinn, führt in es der Sache weiter? Tatsächlich ist das kaum messbar. Nach Kerrys erstem Russland-Besuch seit zwei Jahren meinten einzelne Beobachter, eine Annäherung erkennen zu können. Der US-Außenminister stellte eine Aufhebung der Diskussion in Aussicht. Sein russischer Kollege sprach anschließend von einer "wunderbaren Diskussion". Beide vereinbarten eine engere Zusammenarbeit. Also alles wunderbar, Ende der Auszeit? Wohl eher nicht.

Diese Karte des ukrainischen Verteidigungsministeriums zeigt die aktuelle Lage an der Frontlinie im Osten des Landes.

Diese Karte des ukrainischen Verteidigungsministeriums zeigt die aktuelle Lage an der Frontlinie im Osten des Landes.

Denn Bewegung gibt es fast keine. Der Friedensprozess in der Ukraine steht auf der Kippe. Seit den Verhandlungen Anfang Februar in Minsk hat sich die Lage vielleicht leicht verbessert, aber stabil ist sie nicht. Fast täglich registrieren OSZE-Beobachter neue Gefechte. An vielen Punkten haben beide Seiten ihre Waffen nicht wie vorgesehen abgezogen. Eine Karte, die das ukrainische Verteidigungsministerium an diesem Mittwoch veröffentlichte, zeigt: Über die gesamte Frontlinie verteilt gibt es heftige Kämpfe, bei denen fast täglich Menschen sterben.

Die Einschätzungen zwischen den Pendeldiplomaten gehen weit auseinander. Putin sagte beim Treffen mit Merkel: "Wir müssen die Minsker Vereinbarungen strikt erfüllen." Er sagte nicht, dass die Separatisten das tun müssten, er sprach von "wir". Weiter sprach er von einer Verbesserung der Situation in der Ukraine. "Er hat oft freundliche Rhetorik gewählt, die Realität sah aber meistens anders aus", sagt ein CDU-Außenpolitiker. Seit Wochen versucht die Koalition, die Hardliner in den USA davon abhalten, der Ukraine Waffen zu liefern. Und wenn die Separatisten weiter expandieren? "Charkow und Mariupol sind die roten Linien." Sollten diese Orte fallen, stelle sich die Frage nach der Unterstützung der Ukraine völlig neu. Heißt: US-Waffenlieferungen sind kein Tabu mehr.

"Wir haben nichts anderes"

Auch Poroschenko bekennt sich in Berlin zu Minsk. Wie ernst es ihm ist, mag aber kaum jemand beurteilen. Der ukrainische Präsident gilt als wankelmütig. Vor seinem bisher letzten Berlin-Besuch hatte er das Minsker Abkommen für gescheitert erklärte, anschließend ruderte er zurück. Häufig äußert er sich widersprüchlich. Noch vor einigen Tagen hatte er die Rückeroberung des Donezker Flughafens angekündigt. In dieser Woche verabschiedete das Parlament ein Gesetz, das die ukrainische Armee für Ausländer öffnet. Nach Abrüstung klingt das nicht.

Die Motive der Konfliktparteien sind schwer zu durchschauen. Dem Westen bleibt nichts anders übrig, als auf beide Seiten einzuwirken. "Es ist wichtig, die Kommunikation aufrecht zu erhalten", sagt Kerry. Die Bundesregierung versucht dabei dem Eindruck entgegenzutreten, einseitig nur Russland zu kritisieren. Auch der Druck und die Ungeduld mit Poroschenko steigen. Mit Sorge sieht man in Berlin vor allem die Macht der Oligarchen und die mangelnden Reformfortschritte. Ein Land zu unterstützen, das keinen Reformwillen zeigt, ist schwer zu begründen, heißt es.

Die Lösung des Ukraine-Konfliktes ist anstrengend und zermürbend. Es ist Krisendiplomatie in Trippelschritten. Die Kanzlerin spricht dies in diesen Tagen wohl am nüchternsten aus. "Es ist ein mühevoller Weg", sagt sie über das Minsker Abkommen. "Der Erfolg ist alles andere als sicher. Aber wir haben nichts anderes, deshalb muss man daran weiterarbeiten." Nach Zuversicht klingt das nicht, eher nach einer Durchhalteparole.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen