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Lockdown für Ungeimpfte? Ausgerechnet Sachsen könnte Modell werden

Sachsen und nicht nur Dresden sind schön, die Corona-Bilanz ist es nicht.

Sachsen und nicht nur Dresden sind schön, die Corona-Bilanz ist es nicht.

(Foto: imago/Westend61)

Am Dienstag will die sächsische Landesregierung eine Verschärfung der Corona-Maßnahmen beschließen. Ministerpräsident Kretschmer spricht sich für ein flächendeckendes 2G-Modell aus. Das wäre der Lockdown für Ungeimpfte.

Ausgerechnet Sachsen könnte in der Bekämpfung der vierten Corona-Welle eine Vorreiterrolle einnehmen. Am Dienstag wird das Kabinett der von Michael Kretschmer geführten Landesregierung voraussichtlich verschärfte Maßnahmen beschließen. "Es wird Regelungen zu 2G geben", sagte der sächsische Regierungssprecher Ralph Schreiber ntv.de. Bereits vergangene Woche hatte der Ministerpräsident getwittert, 2G sei "jetzt ein zwingendes Muss". Ein neuer Lockdown solle auf jeden Fall vermieden werden, auch die Schulen sollen offen bleiben.

2G könnte man mit "Lockdown für Ungeimpfte" übersetzen. Denn wer genesen oder geimpft ist, wäre von Einschränkungen nicht mehr betroffen.

Die Lage im Freistaat ist noch nicht katastrophal, aber angespannt. So sind die Intensivstationen bereits zu 77 Prozent ausgelastet und die Sieben-Tage-Inzidenz nähert sich der 300er-Marke. Die Inzidenz der Ungeimpften liegt beinahe doppelt so hoch. Zudem sind gerade die Herbstferien zu Ende gegangen. Urlaubsrückkehrer könnten einen weiteren Anstieg auslösen. Gleichzeitig ist die Impfquote noch immer die niedrigste in ganz Deutschland. Erst 56,7 Prozent sind vollständig geimpft. Bundesweit sind es genau zehn Prozentpunkte mehr.

Sachsen hat zwar bereits eine Corona-Schutzverordnung. Diese läuft aber zum einen am 16. November aus und sieht zum anderen nur moderate Eingriffe vor, sollte sich der aktuelle Trend fortsetzen. Sie enthält eine "Vorwarnstufe" und eine "Überlastungsstufe", bei der jeweils strengere Maßnahmen eingeleitet werden sollen. Die Vorwarnstufe soll gelten, wenn die Hospitalisierungsinzidenz (s. Grafik) fünf Tage lang bei 7 oder 650 Covid-Patienten im Krankenhaus oder 180 auf der Intensivstation liegt. Aktuell bewegen sich die Zahlen an dieser Schwelle. Wird sie überschritten, sollen Kontaktbeschränkungen gelten - nicht mehr als zehn Personen sollen sich dann privat oder öffentlich treffen dürfen, wobei Geimpfte und Genesene nicht mitgezählt werden.

2G bisher erst bei "Überlastungsstufe" vorgesehen

Für den Fall noch weiter steigender Zahlen sähe die derzeitige sächsische Verordnung noch strengere Kontaktbeschränkungen und eine Mischung aus 2G- und 3G-Einschränkungen vor. Diese "Überlastungsstufe" wäre aber erst erreicht, wenn die Hospitalisierungsinzidenz bei 12 oder 1300 Covid-Patienten im Krankenhaus oder 420 auf der Intensivstation läge - also mehr als doppelt so viele wie derzeit. In der neuen Impfverordnung, die am Dienstag beschlossen werden könnte, dürfte diese Grenze für 2G-Maßnahmen deutlich herabgesetzt werden.

Sollten sie "jetzt", wie Kretschmer es meinte, eingeführt werden, müssten die 2G-Maßnahmen schon in der aktuellen Lage verpflichtend werden. Möglich sind 2G-Maßnahmen wie überall in Deutschland schon jetzt, sie sind aber noch freiwillig und werden zwischen Plauen, Leipzig und Görlitz nur geringfügig umgesetzt. Denkbar wäre, dass die 2G-Maßnahmen auf die gesamte Gastronomie ausgeweitet werden. Das würde dann bedeuten, dass man ein Restaurant nur noch mit dem Nachweis, genesen oder geimpft zu sein, betreten könnte.

Sachsen gehört zu den am stärksten von der vierten Welle betroffenen Bundesländern. Nur Thüringen hat noch eine höhere Sieben-Tage-Inzidenz (303,3), während die meisten Hotspots in Bayern liegen. Durch seine geringe Impfquote ist Sachsen aber dem Virus stärker ausgeliefert - was nur leicht durch die höchste Quote an Genesenen (gut 7 Prozent) abgemildert wird. In Städten wie Leipzig, Dresden und Chemnitz liegt die Inzidenz derzeit noch unter 300, im ländlichen Raum und dabei insbesondere im Landkreis Sächsische Schweiz/Osterzgebirge mit 453 liegt sie deutlich darüber.

Modell Sachsen?

Neben strengeren Einschränkungen des öffentlichen Lebens wirbt das Bundesland auch aggressiver als andere Länder für die Drittimpfung. Am vergangenen Freitag wurde diese für alle ab 18 empfohlen. Das war zwar aufgrund der geltenden Impfverordnung des Bundesgesundheitsministeriums ohnehin schon möglich; es herrscht in diesem Punkt aber Verwirrung, weil die Ständige Impfkommission diese nur ab einem Alter von 70 Jahren empfiehlt - und die Gesundheitsminister-Konferenz war mit einer Empfehlung für alle ab 60 davon noch einmal abgewichen.

Dass die Lage in Sachsen dramatischer ist als anderswo, hat zwar viel mit der geringen Impfbereitschaft zu tun. Aber auch im Rest der Republik reicht sie nicht aus, um die vierte Welle der Ungeimpften einfach auszusitzen. Sachsen könnte ein Modellfall werden - denn das, was dort passiert, droht auch anderen Ländern. Die grundsätzlichen Probleme wie drohende Überlastung der Intensivstationen und zu geringe Impfbereitschaft gibt es überall. Insofern wird es spannend zu sehen, ob das sächsische Modell Erfolg hat, und auch, wie es in der Bevölkerung ankommt.

Da das Virus keine Grenzen kennt, sind für das Bundesland die Pendler, die in den Nachbarländern wie Thüringen und Bayern arbeiten, ein Problem. Ein bundesweit abgestimmtes Vorgehen dürfte aus Sicht der sächsischen Landesregierung daher wünschenswert sein. In den vergangenen Tagen sind die Rufe nach einer neuen Ministerpräsidentenkonferenz lauter geworden - so sprach sich etwa Gesundheitsminister Jens Spahn dafür aus. Den hatte Kretschmer zuletzt scharf kritisiert, weil sich Spahn für ein Ende der pandemischen Notlage ausgesprochen hatte. "Im Gegenteil, sie gewinnt gerade wieder an Kraft und Gefährlichkeit", entgegnete der Ministerpräsident.

Quelle: ntv.de

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