Erdogan greift Merkel an Außenamt verschärft Hinweise zur Türkei
13.03.2017, 19:55 Uhr
Auch vor der niederländischen Botschaft in Berlin kam es zu türkischen Protesten gegen das Land.
(Foto: imago/Seeliger)
Das türkische Referendum zum Präsidialsystem hat die Beziehungen zur EU verschlechtert. Mit Hinweis darauf verschärft das Bundesaußenministerium nun die Reisehinweise. Präsident Erdogan erhebt derweil persönliche Vorwürfe gegen Kanzlerin Merkel.
Das Auswärtige Amt in Berlin hat seine Reisehinweise für die Türkei mit Blick auf das türkische Referendum zur Einführung eines Präsidialsystems am 16. April verschärft. "Im Zuge des Wahlkampfes muss mit erhöhten politischen Spannungen und Protesten gerechnet werden, die sich auch gegen Deutschland richten können", heißt es in dem Zusatz.
"Hiervon können im Einzelfall auch deutsche Reisende in der Türkei betroffen sein", heißt es weiter. Ihnen werde daher empfohlen, "sich von politischen Veranstaltungen und grundsätzlich von größeren Menschenansammlungen fernzuhalten".
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan warf derweil Bundeskanzlerin Angela Merkel persönlich die "Unterstützung von Terroristen" vor. "Frau Merkel, warum verstecken Sie Terroristen in Ihrem Land? (...) Warum tun Sie nichts?", sagte er mit Blick auf die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK in einem Interview mit dem Fernsehsender A Haber. Deutschland gehe nicht gegen die PKK vor, obwohl sie diese zur Terrororganisation erklärt habe. Den deutschen Behörden warf Erdogan vor, auf Informationen der Türkei zu 4500 "Terrorverdächtigen" nicht zu reagieren und sagte dann: "Frau Merkel, Sie unterstützen Terroristen."
Regierungssprecher Steffen Seibert bezeichnete Erdogans Vorwurf als "erkennbar abwegig". "Die Bundeskanzlerin hat nicht die Absicht, sich am Wettlauf der Provokationen zu beteiligen", erklärte Seibert in Berlin.
Erdogan hatte bereits Anfang März die "deutschen Behörden" beschuldigt, den "Terrorismus" in der Türkei zu unterstützen. Damals äußerte er sich im Zusammenhang mit dem Streit zwischen Berlin und Ankara um die Inhaftierung des deutsch-türkischen Journalisten Deniz Yücel. Erdogan warf Yücel Spionage für Deutschland vor und bezeichnete ihn als "Repräsentanten" der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK. Yücel habe sich "einen Monat lang im deutschen Konsulat versteckt, ehe er sich den türkischen Behörden stellte".
Streit mit Niederlande schwelt weiter
Nach dem Eklat um geplante Wahlkampfauftritte türkischer Minister in den Niederlanden hatte bereits das Außenministerium in Den Haag die offiziellen Warnhinweise verschärft. Dabei wird ausdrücklich auf die diplomatischen Spannungen mit der Türkei seit dem Wochenende verwiesen. Die Niederlande hatten einen geplanten Auftritt des türkischen Außenministers untersagt und eine dennoch eingereiste Ministerin des Landes verwiesen.
Die Europäische Union und die Nato appellierten an alle Seiten, den Streit nicht weiter anzuheizen - dennoch blieben die Fronten zwischen Ankara und Den Haag verhärtet. Das türkische Außenministerium bestellte zum dritten Mal in drei Tagen den niederländischen Gesandten in Ankara ein. In Protestnoten forderte die Türkei eine förmliche schriftliche Entschuldigung der niederländischen Regierung. Aber auch die niederländische Regierung pocht nach Verbalattacken aus Ankara auf eine offizielle Entschuldigung. Nach eigenen Worten will Präsident Erdogan den Streit vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte bringen.
Kanzlerin Merkel sicherte den Niederlanden ihre "volle Unterstützung und Solidarität" zu. Sie kritisierte insbesondere Äußerungen Erdogans, der niederländische Regierungsmitglieder als "Nazi-Überbleibsel" bezeichnet hatte. Nazi-Vergleiche führten "völlig in die Irre", sagte Merkel. "Gerade mit Blick auf die Niederlande, die so gelitten haben unter dem Nationalsozialismus, ist das völlig inakzeptabel."
Faschismus-Vorwürfe
In den vergangenen Tagen wurden zudem Auftritte türkischer Spitzenpolitiker in Deutschland, der Schweiz und Österreich abgesagt, zumeist aus Sicherheitsgründen. Erdogan und andere türkische Politiker überzogen die Niederlande und die Bundesregierung wegen der Auftrittsabsagen und -verbote mit Nazi- und Faschismus-Vorwürfen.
In Ankara legte der türkische EU-Minister Ömer Celik nach. Er beschuldigte die Niederlande der "neofaschistischen Praktiken". Er drohte zudem damit, das Flüchtlingsabkommen mit der EU in Teilen auszusetzen. Die Regierung in Ankara sollte nach seinen Worten die Absperrung des Landweges Richtung Griechenland und Bulgarien "überprüfen", sagte Celik der Nachrichtenagentur Anadolu. Celik stellte klar, dass die Abriegelung der Fluchtroute durch die Ägäis bestehen bleiben solle, weil die Überfahrt für die Flüchtlinge zu gefährlich sei.
Quelle: ntv.de, mli/dpa/AFP