"Ich bin Zielscheibe"Baerbock sieht sich persönlich bedroht

Den Sicherheitsschutz bei Politikern sieht Annalena Baerbock nicht optimal auf frauenspezifische Bedrohungslagen eingestellt. Die Außenministerin erklärt in einem Interview, dass Angriffe ihr Privatleben sie sicherheitstechnisch beeinträchtigen. Vom Ausmaß an Hass zeigt sich Baerbock geschockt.
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock beklagt strukturelle Mängel bei der Bewachung weiblicher Spitzenpolitiker in Deutschland. "Viele meiner Ministerkollegen haben Polizeischutz, aber ich bin einfach für eine bestimmte Gruppe eine Zielscheibe." Zu dieser Gruppe zählt Baerbock vor allem Rechtsextreme und Putin-Trolle, auch spiele hier toxische Männlichkeit mit rein, sagt die Grünen-Politikerin in einem Interview mit dem "Zeit Magazin".
Der Sicherheitsschutz bei Politikern sei nicht optimal auf frauenspezifische Bedrohungslagen eingestellt, denn auf Drohungen mit sexualisierter Gewalt, Porno-Deepfakes oder Vergewaltigungsfantasien seien die Sicherheitskräfte nicht eingestellt. "Weil es das bei Männern nicht so gibt", sagt Baerbock im Oktober 2021 im Rahmen eines über mehrere Jahre laufenden Langzeit-Interview-Projekts, das in der aktuellen Ausgabe des Magazins erscheint.
Die Angriffe auf sie hätten auch für ihr Privatleben sicherheitstechnisch "einiges nach sich gezogen". "Als ich im Urlaub war, wurde meine Wohnung auf Wanzen durchsucht. Das sind Sachen, die vergesse ich nicht", sagt Baerbock. Neben einem direkten Mordaufruf habe es auch Vorfälle mit Stalkern gegeben.
In einem späteren Gespräch berichtet Baerbock über weitere Vorfälle. "Seit dem Ukrainekrieg hat das noch mal eine andere Qualität bekommen, vor allem von russischer Seite. Das betrifft auch andere Frauen, die Chats der Präsidentin von Moldau wurden gehackt, und dann kursierten Fotos mit gefälschten Chatverläufen. Vor so etwas habe ich mehr Angst als davor, dass mein Auto in die Luft fliegt", sagt Baerbock.
Insgesamt sieben Mal sprach Baerbock mit dem "Zeit Magazin". Das erste Treffen fand am 1. Juli 2020 statt, das bisher letzte am 2. Januar 2025.
Kanzlerkandidatur war oft "Hölle"
Ihre Kanzlerkandidatur hat Baerbock 2021 als ihren persönlichen Tiefpunkt erlebt. Wörtlich sagte die Grünen-Politikerin im September 2024: "Ich kann das jetzt klarer sagen, als in unseren früheren Gesprächen: Die Kanzlerkandidatur, die war ja oft Hölle."
In einem früheren Gespräch, unmittelbar nach ihrer gescheiterten Spitzenkandidatur, hatte Baerbock gesagt, sie habe in dieser Zeit gelernt, wie wichtig Freundschaft ist. "In diesem Geschäft braucht man in manchen Momenten Menschen, die dich als Person kennen, nicht nur als Politikerin. Wenn so viele Dinge über dich in der Zeitung stehen, das macht etwas mit dir. Dann sind Leute wichtig, denen das komplett egal ist, weil sie seit 20 Jahren mit dir befreundet sind." Zum Weitermachen motiviert habe sie vor allem der Zuspruch vieler Frauen, so die Grünen-Politikerin.
"Und ich hatte das Gefühl: Jetzt erst recht. Den Gefallen, hinzuschmeißen und in der Versenkung zu verschwinden, den tue ich meinen Gegnern nicht. Weil viele der Fehler am Anfang passiert sind, der eigentliche Wahlkampf aber erst am Ende stattfand, als die Stimmung schon gekippt war, hatte ich das Gefühl, ich kam gar nicht an den Punkt, wo ich zeigen konnte, was ich kann." Seitdem habe sie jedoch ihre Unbefangenheit verloren, erläutert Baerbock. "Das Ausmaß an Hass gegen mich hat mich geschockt."